Ralf Spilles aus Kreuzau wandert die NRW-Außengrenzen ab. 2017 hat er das Projekt in Aachen gestartet und ist nun im Kreis Euskirchen angekommen.
GrenzgängerRalf Spilles umrundet Nordrhein-Westfalen auf 1662 Kilometern zu Fuß

Verdiente Ruhepause: 111 Etappen nach dem Start 2017 hat Ralf Spilles auf seiner NRW-Umrundung mittlerweile den Kreis Euskirchen erreicht.
Copyright: Berthold Strauch
Das Wandern ist Ralf Spilles' Lust: In der Karnevalszeit hat der 66-Jährige aus Kreuzau mit der 111. Etappe seiner Umrundung von ganz Nordrhein-Westfalen per pedes erstmals den Kreis Euskirchen im Blick. 2017 recht unauffällig in Aachen gestartet, kommt für Ralf Spilles langsam der Endpunkt seines ehrgeizigen Mammutprojekts in Reichweite – und der ist wieder die Kaiserstadt. Auf Schusters Rappen einmal rund um NRW: Das bedeutet eine Marschleistung von stolzen 1662 Kilometern.
Ralf Spilles ist überzeugt, dass er der bisher einzige „Kilometerfresser“ ist, der sich zu Fuß auf diesen beschwerlichen Weg rund um das bevölkerungsreichste, allerdings grenztechnisch nicht umfangreichste deutsche Bundesland begeben hat. Jedenfalls ist dem eifrigen Nutzer der Sozialen Medien bislang niemand sonst untergekommen, der es ihm gleichgetan hat.
Auch in Rom war Ralf Spilles schon – im Oberbergischen Kreis
Selbst der neue Aachener „Karnevalsstar“ Sabine Heinrich vom WDR, die am Wochenende die Festsitzung zur Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ an SPD-Chef Lars Klingbeil moderierte, machte sich bereits das Know-how von Spilles zunutze: Als sie 2024 für eine vierteilige Fernsehserie zu einer NRW-Umrundung aufbrach – per Trecker, zu Pferde, im Heißluftballon, per Truck und Binnenschiff oder auf einer Nostalgie-Lokomotive, dazu wandernd –, begleitete Ralf Spilles sie auf ihrer letzten Etappe.
Beide gingen zu Heinrichs Ausgangspunkt Rom zurück, getreu dem Motto „Alle Wege führen nach Rom“. Kleiner Unterschied: Bei diesem Rom handelt es sich um ein winziges Nest im Oberbergischen Kreis, einen Ortsteil von Morsbach.
Der Vater vermittelte wertvolles Grundwissen über die Natur
Zum Wandern ist Ralf Spilles über seinen Vater gekommen, der im Außendienst des Stromversorgers RWE arbeitete. Wenn der Vater Baustellen des Konzerns abfahren musste, saß der Sohn in den Ferien oft auf dem Beifahrersitz des VW Käfer, auch kreuz und quer durch die Eifel. Diese Landschaft wurde für die Familie das Urlaubsdomizil, etwa das Wintersportgebiet Schwarzer Mann. In Heimbach-Hausen bezogen die Spilles' später eine selbst ausgebaute Holzhütte als Wochenenddomizil, wo es auch reichlich Gelegenheit zum Wandern gab.
Ralf Spilles machte sich später, als die drei Kinder aus dem Haus waren, insbesondere samstags allein auf, wenn seine Frau Inge in einer Bäckerei arbeitete. Seinem Vater sei er dankbar, dass er bei den Wanderungen damals oft „Unterricht“ im Wald erhalten habe, um wertvolles Grundwissen über die Natur zu erwerben – was ihm auch heute noch auf seinen einsamen Touren entlang der NRW-Grenze hilfreich sei.
Ralf Spilles wandert für sein NRW-Projekt 50 bis 60 Kilometer pro Woche
„Ich kannte also die Eifel in- und auswendig, habe neben dem Eifelsteig den Siegsteig, den Ahrsteig, den Kettwigsteig in Essen und Teile des Jakobswegs bei Wuppertal erwandert.“ Wie viele Kilometer dabei zusammengekommen sind? „Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht“, erzählt Spilles. Was konnte da noch an Herausforderungen kommen?
Ich hab’ mich gewundert, dass das vorher niemand sonst gemacht hat.
Langsam reifte die Idee, NRW auf eine besondere Art zu erkunden – rundherum entlang der Außengrenze des Bundeslandes. „Ich hab' mich gewundert, dass das vorher niemand sonst gemacht hat“, staunt Spilles immer noch über seinen damaligen Pioniergeist. Im Minimum drei Tage wandern pro Woche, das war der Plan für seine 2017 gestartete NRW-Tour, etwa 15 bis 25 Kilometer pro Tag, 50 bis 60 Kilometer pro Woche im Durchschnitt.
Als begeisterter Wanderer und Eifelkenner legte er sich ein Instagram-Profil zu, postet unterwegs viel Auffälliges, das ihm begegnet, an seine inzwischen mehr als 1230 Follower.
Jede Wanderung wird akribisch vorbereitet
Spilles bereitet sich stets akribisch auf die jeweilige Etappe vor, aber nie auf mehr als zwei Abschnitte im Voraus. Er nennt es austüfteln, welche Strecke er gehen will. „Ich suche mir Wege aus, die andere nachgehen können“, lautet seine Maxime. Und dabei ist klar: Nicht immer gibt's direkt entlang der Grenze einen Weg. Und wenn die Grenze mal quer durch einen See führt, geht er drumherum – und muss nicht schwimmen. Allerdings: Wenn der Weg unverhofft in einer Sackgasse endet, klettert er auch schon mal durchs Unterholz weiter. Da ist Spilles ganz spontan. Apropos: „Ich verlauf' mich nicht, ich geh' nur anders.“
Seine NRW-Wanderungen will Spilles in sieben Büchern dokumentieren, inklusive kurzer Beschreibungen der von ihm passierten Sehenswürdigkeiten. Der erste Band mit seinen 17 Etappen entlang der Westgrenze von Aachen bis Kleve am Niederrhein liegt bereits vor. Titel: „Einmal NRW und zurück. Zu Fuß entlang der Landesgrenze“, Books on Demand, 17,90 Euro. Der nächste Band von Kleve nach Gronau, dem Geburtsort von Udo Lindenberg mit dem berühmten Rock-und-Pop-Museum, soll in diesem Frühjahr folgen. Das Manuskript ist fertig. Sohn Thomas, ein Lehrer, hat es lektoriert, während sich sein zweiter Sohn Andreas um die Karten mit dem Streckenverlauf kümmert.
Ich verlauf’ mich nicht, ich geh’ nur anders.
Hilberath, das selbst ernannte Tor zur Eifel und damit in Konkurrenz zur Gemeinde Roetgen, die auch diesen Wahlspruch auf ihren Ortsschildern nennt, ist ein Stadtteil von Rheinbach im Rhein-Sieg-Kreis. Dort in der Nähe sei er am 4. Februar „erstmals in den Kreis Euskirchen eingewandert“, wie es Ralf Spilles formuliert: Houverath war dann erstes Dorf im „EU-Land“. Die Grenze sei in diesem NRW-Abschnitt sehr zackig. Da wolle er nicht päpstlicher als der Papst sein, sagt der Wanderer, der die Sache stets locker angeht: „Wenn die Landesgrenze dermaßen Kapriolen schlägt, dann kreuze ich schon mal einen Zipfel von Rheinland-Pfalz.“
Nun führt die Wanderung durch den Kreis Euskirchen
Die folgende Etappe führte ab Effelsberg mit dem berühmten Radioteleskop weiter in den Kreis. Von dort geht’s danach weiter nach Rupperath, dem Handweberdorf mit dem Museum. Etwa bis April soll der Kreis Euskirchen abgeschritten sein – soweit es die Grenze zu Rheinland-Pfalz und Belgien betrifft. Dann folgen die Städteregion Aachen und das Ziel der Mammuttour nach offiziell 1662 Kilometern, das deutsch-belgisch-niederländische Dreiländereck bei Vaals. Bis dahin dürfte Ralf Spilles einige Wanderschuhe durchgelaufen haben – ein komplettes Jahr halten sie in der Regel nicht, sagt er.
Übrigens: Ralf Spilles ist auf seiner NRW-Wanderung zum Experten für den Öffentlichen Personennahverkehr geworden. Das Deutschlandticket gehört zum Gepäck. Meist bringen ihn Busse zum jeweiligen Ausgangspunkt des Tages zurück, aber auch schon mal freundliche Autofahrer, die ihn zum Einsteigen einladen.
Als er im Norden von NRW am weitesten vom Heimatort Kreuzau entfernt war, hat er auch schon mal im Auto geschlafen – Luftmatratze, Klappstuhl und Kühlbox mit Salat und Bier an Bord. Einmal „auf einem Schwulenparkplatz“ – was erst auffiel, als jemand mit der Taschenlampe reinleuchtete und ihm Avancen machte. Für alle Fälle hat er einen Jugendherbergsausweis dabei. Er sei recht flexibel unterwegs, wie er sagt: „Ich kümmere mich um alles selbst.“
Das Grenzgänger-Projekt
Mit interessanten Zahlen wartet Wolfgang Andres, der Pressesprecher des Kreises Euskirchen, auf Anfrage dieser Zeitung auf: Laut dem kreiseigenen Katasteramt ist die gesamte Kreisgrenze höchst exakt vermessen 309,27 Kilometer lang.
Die Grenze des Bundeslandes – und damit die NRW-Außengrenze – entspricht 160,36 Kilometern. Davon entfallen auf die Staatsgrenze zu Belgien 29,32 Kilometer und auf die Grenze zum Nachbar-Bundesland Rheinland-Pfalz 131,04 Kilometer. Die Differenz zur gesamten Kreis Euskirchener Außengrenze von 309,27 Kilometern, also 148,91 Kilometer, entfallen auf die Grenzen zur Städteregion Aachen, zum Kreis Düren, zum Rhein-Sieg-Kreis sowie zum Rhein-Erft-Kreis.
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Ein Mammutprojekt: Die bunte Karte lässt erkennen, wie groß die selbst gestellte Herausforderung ist. Offiziell sind es 1662 Kilometer.
Copyright: Berthold Strauch
Im Ergebnis will Ralf Spilles somit immer entlang des äußersten Randes des Kreises Euskirchen gehen und so unterm Strich gut 160 Kilometer absolvieren. Dazu muss er allerdings die „EU-Ideallinie“ erwischen. Das ist aber kaum anzunehmen, da nicht überall an der Euskirchener Kreisgrenze vorbei akzeptable Wanderwege führen. Manchmal geht's dann wohl kurzerhand mangels Alternative für den 66-Jährigen durchs Unterholz.
Abrupte Wende im Berufsweg
Ralf Spilles wurde in Düren geboren. Nach der Schule startete er im Verlag Carl Hamel, der damals die Dürener Zeitung herausgab und druckte, eine Schriftsetzer-Ausbildung.
Nach der Fusion von Dürener Zeitung und Dürener Nachrichten 1975 als Teil des damaligen „Aachener Modells“ wechselte Spilles in die Anzeigenabteilung des Zeitungsverlags Aachen. Nächste Station war der Verlag der Dürener Woche, die seinerzeit in der Rurstadt neu auf den Markt kam. Im Außendienst wurde er dort Anzeigen-Akquisiteur. Nach einem beruflichen Zwischenspiel in der Branche kehrte er zur DN-Woche zurück, wurde Anzeigenleiter für Düren und Jülich. Ins gleiche Metier wechselte Spilles dann zum Weiss-Verlag in Monschau-Imgenbroich, später zum Euskirchener Wochenspiegel aus dem gleichen Haus.
Eine recht abrupte Wende folgte danach für Ralf Spilles auf seinem doch recht schillernden Berufsweg. Kurz vor dem 60. Geburtstag stieg er aus der Medienbranche aus, ließ sich zum Aus- und Weiterbildungspädagogen umschulen, absolvierte eine Pflegeschule, wurde Betreuungskraft für das Seniorenheim der Zülpicher Marienborn gGmbH in Bornheim.
Ehrenamtlich arbeitete er in der Wohnanlage Sophienhof in Niederzier. Seit 2023 ist Spilles Rentner, ist aber weiter sozial engagiert: Alle zwei Wochen fährt er Senioren aus Kreuzau zur Tagespflege nach Nörvenich.