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„Ohne Rücklagen geht es nicht“Mechernicher Goldschmied hat wegen Corona wenig zu tun

Lesezeit 5 Minuten

Schmuck, wie hier die Ohrringe, dürfen Goldschmiede weiter herstellen und reparieren.

Mechernich – In seiner Werkstatt sitzen und Schmuckstücke herstellen oder reparieren – mehr möchte Oliver Wetzel eigentlich nicht. Doch der Goldschmiedemeister hat derzeit wenig zu tun. Das Juweliergeschäft ist geschlossen, nur Click (Anmelden) and Collect (Abholen) ist aktuell noch möglich. Als Handwerker dürfte Wetzel trotz der Corona-Beschränkungen in seiner Werkstatt ganz normal weiterarbeiten. Doch Arbeit gibt es kaum.

Vor der Eingangstür zum Geschäft steht ein kleiner Tisch. Weiter dürfen die Kunden, die etwas vorbestellt haben und kaufen möchten, derzeit nicht kommen. Anders als Kunden, die etwas zur Reparatur abgeben möchten. Die dürften das Geschäft betreten, auch ohne negativen Test. „Möchte der Kunde aber neben der gewechselten Batterie noch ein neues Uhrenarmband kaufen, braucht er dafür dann einen negativen Test“, erläutert Wetzel. Im März, als Wetzel sein Juweliergeschäft wieder öffnen durfte, war vor allem die Nachfrage nach Trauringen gestiegen. „2020 war so gut wie nichts mit Trauringen“, blickt der Goldschmied zurück.

Starker Umsatzrückgang im Januar und Februar

Einen Umsatzrückgang von 85 Prozent habe er im Januar und Februar verzeichnet, sagt er. Und das in Monaten, die auch in normalen Jahren nicht zu den verkaufsstärksten zählen. Selbst im Dezember sei der Umsatz um über die Hälfte zurückgegangen, obwohl Wetzel immerhin bis zum 16. Dezember geöffnet hatte. „Die Tage vor Weihnachten sind komplett weggebrochen“, bilanziert er. Das seien normalerweise die besten Verkaufstage des Jahres.

Am meisten ärgert sich Wetzel über die fehlenden Hilfen. Den ersten Abschlag für die Schließungen ab Dezember habe es erst im Februar gegeben, der zweite folgte im April. Dazu komme der hohe bürokratische Aufwand. „Für einen kleinen Betrieb ist das fast unmöglich zu stemmen“, sagt Wetzel. Denn zu den Anträgen sind auch noch die Listen zur Kontaktnachverfolgung im Frühjahr gekommen. Zwei volle Wochenenden habe er für den gesamten Papierkram benötigt.

Keine Mitarbeitenden entlassen

„Ein Feld, um anteilig den Unternehmerlohn anzusetzen, gibt es leider nicht“, sagt der Goldschmiedemeister über die Formulare. Er wolle sich ja nicht bereichern, erwarte auch keine Unsummen, aber er könne die reinen geschäftlichen Fixkosten nur zum Teil absetzen: „Das ist ungerecht.“ Schließlich müsse er irgendwie auch die privaten Kosten decken. „Ohne Rücklagen geht es nicht“, stellt Wetzel fest. Dabei seien die Ersparnisse aus den guten Zeiten eigentlich fürs Alter gedacht gewesen.

Entlassen musste er keinen seiner Angestellten und Aushilfen, für sie beantragte er Kurzarbeitergeld. „Das habe ich auch aufgestockt, um ihnen Danke zu sagen“, erklärt der 48-Jährige und verweist auch auf einen kleinen Lichtblick: „Die Digitalisierungskosten sind zu 90 Prozent absetzbar. Dadurch konnte ich meinen Webshop realisieren und für die Kunden erreichbarer werden.“

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Der Onlinehandel mache es den Einzelhändlern ja zusätzlich schwer, sagt Wetzel: „Ohne gute Website ist man da verloren.“ Für die Zukunft hofft er auf einen Nachholeffekt, darauf, dass die Menschen wieder Lust auf Schmuck bekommen, wenn sie ihn auch endlich wieder zeigen könnten.

Bauhandwerk kommt glänzenddurch die Pandemie

Die aktuelle Situation der Handwerksbetriebe ist durchwachsen. Eine Umfrage der Handwerkskammer Aachen ergab, dass im Kreis Euskirchen 72 Prozent der Betriebe die gegenwärtige Geschäftslage des eigenen Betriebs im Vergleich zum Vorjahr mit gut bis befriedigend einschätzen. „Zum Jahresanfang herrschte ein großer Optimismus“, sagt auch Uwe Günther von der Kreishandwerkerschaft Rureifel, was vor allem am Ende der zweiten Welle und an den Öffnungen im Frühjahr gelegen habe.

Dann kam jedoch der Osterlockdown, der „Stimmungskiller“, wie Günther sagt. Derzeit gebe es zwar in Sachen Pandemiebekämpfung Fortschritte, allerdings machten vielen Betrieben, besonders im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe, die Materialpreise und die temporären Lieferengpässe bei Holz, Sand, Kies und Kalk zu schaffen. Das trifft eine Sparte der Handwerksbetriebe, die bisher „glänzend durch die Pandemie“ komme, so die Handwerkskammer.

Probleme bei Lieferungen

Wesentlich schlechter sieht es laut Handwerkskammer Aachen und Kreishandwerkerschaft Rureifel dagegen im Kraftfahrzeuggewerbe aus. Zwar haben die Werkstätten grundsätzlich gut zu tun, jedoch fand der Verkauf von Autos und Motorrädern nur eingeschränkt statt. Rohstoffprobleme kämen noch hinzu. Besonders die Lieferung von Gummi sei derzeit schwierig, so Günther: „Sommerreifen sind dadurch knapp und teuer.“

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Die überwiegend gute Konjunktur spiegelt sich auch in der Zahl der Mitgliedsbetriebe bei der Handwerkskammer Aachen wider: Im Kreis Euskirchen gab es einen Zuwachs von knapp einem Prozent, das sind in absoluten Zahlen 29 Betriebe mehr als noch 2019. Und das, obwohl „2019 das beste Jahr überhaupt“ gewesen ist, wie Günther mitteilt. „Viele Handwerksbetriebe konnten im Grunde immer arbeiten“, sagt Günther: „Aufträge etwa in Schulen, Kindergärten oder auch beim Straßenbau wurden vorgezogen.“ Trotzdem mussten Unternehmer oft erhebliche Eigenmittel einsetzen. „Nicht alle Handwerksbetriebe haben Zugang zu den Hilfen“, so Günther, „zudem dauern die Erstattungen derzeit rund sechs Monate.“

Großhändler positiv gestimmt

„Während die Industrie und das Baugewerbe wieder annähernd auf Vorkrisen-Niveau wirtschaften, spüren einige Dienstleister – vor allem das Gastgewerbe – und der Handel weiterhin die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie“, sagt Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer Aachen (IHK).

In Euskirchen berichten 45 Prozent der Befragten einer IHK-Konjunkturumfrage von positiven Geschäften. In den kommenden Monaten könne sich die ohnehin schon gute Lage weiter verbessern, zeigt sich Bayer zuversichtlich.

Neben dem Baugewerbe sind vor allem die Euskirchener Großhändler positiv gestimmt. Auch die Dienstleister gehen von einer Verbesserung der eigenen Situation aus. Schlechter hat es im vergangenen Jahr die Einzelhändler getroffen, von denen nur vier von zehn Befragten die Situation als positiv einstufen.