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Nur bedingt Schutz möglichSo arbeiten mobile Pflegedienste in der Corona-Krise

Lesezeit 4 Minuten

Wechseln der Kompressionsstrümpfe bei der 91-jährigen Anneliese Schmitz: Den empfohlenen Sicherheitsabstand kann die Krankenschwester da natürlich nicht einhalten. Mundschutz und Handschuhe sollen sie vor einer Infektion schützen.

  1. Ambulante Pflegedienste sehen sich in der Corona-Krise mit ganz besonderen Herausforderungen konfrontiert.
  2. Sicherheitsabstand ist bei dem Wechseln von Kompressionsstrümpfen oder dem Blutdruckmessen einfach nicht möglich.
  3. Krankenschwester Andrea Weiler trifft deshalb strenge Vorsichtsmaßnahmen bei ihrer Arbeit mit Menschen, die zum großen Teil der Hochrisikogruppe angehören.

Mechernich – Wer wissen will, wie sich die Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus anfühlen kann, der muss nur einen der Helfer bei den ambulanten Pflegediensten fragen. Zum Beispiel im Caritas-Zentrum in Mechernich. Was heißt schon Sicherheitsabstand einhalten? Aus eineinhalb, besser zwei Metern Entfernung kann man keine Kompressionsstrümpfe wechseln. Zum Beispiel.

Andrea Weiler kniet also vor Anneliese Schmitz in deren Wohnzimmer. Die 91-Jährige, die ihren wirklichen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, kann sich nur mühsam bewegen. Sie hat gerade ein neues Kniegelenk erhalten.

„Ich glaube, ich darf das in meinem Alter sagen: Die Krise kommt, die Krise geht. Man muss damit umgehen“, sagt Schmitz. Es ist kurz nach 7 Uhr am Morgen, Frau Schmitz ist an diesem Tag die Erste von zehn Kunden, die die 48-jährige, examinierte Krankenschwester Andrea Weiler besucht. Sie ist eine aus dem 45-köpfigen Team des häuslichen Pflegedienstes des Caritas-Zentrums in Mechernich. 1996 hat sie dort angefangen. „Aus Berufung bis heute“, so Weiler. Sie hilft und pflegt gerne – nach dem Examen erst fünf Jahre in einer Isolierstation im Krankenhaus oder eben seit 24 Jahren bei der Caritas Eifel.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen

Bei Anneliese Schmitz ist sie zweimal täglich. Wer soll der Seniorin, die zur Hauptrisikogruppe einer Infektion mit dem Coronavirus gehört, auch sonst die Kompressionsstrümpfe wechseln? Schmitz lebt allein, sie ist verwitwet, auch ihr Sohn ist verstorben. Schmitz verlässt ihre Wohnung nicht mehr, Lebensmittel werden ihr von Bekannten vor die Haustür gestellt. Auch Krankenschwester Andrea Weiler will alles tun, um zu verhindern, dass eine Corona-Infektion unwissentlich gerade durch sie passieren könnte.

Als Berufung sieht Andrea Weiler ihren Beruf.

Unterwegs auf ihrer Vormittagsrunde kreuz und quer durch Mechernich wechselt sie vor jedem neuen Kundenbesuch die Schutzhandschuhe. Sie desinfiziert immer vor dem Überstreifen der neuen Handschuhe die Hände, was die Wechselprozedur durch die feuchte Haut schwierig macht. Sie trägt den Mundschutz, täglich packt sie die Schutzkleidung nach Feierabend daheim in die Waschmaschine, die Handschuhe kommen in den Müll.

Und doch kann sie ihre Arbeit nur tun, wenn sie den empfohlenen Sicherheitsabstand permanent unterschreitet. Hat sie jetzt Angst, wenn sie eine der Hausklingeln zum Kundenbesuch drückt? „Angst nein, aber Respekt. Schon vor den Krankenhauskeimen, die doch immer unterwegs sind, auch in Privatwohnungen“, sagt Weiler.

Tagespflegeeinrichtung ist geschlossen

Bisher ist alles gut gegangen, es gibt keine Corona-Quarantäne im Mechernicher Pflegezentrum an der Weierstraße. Und doch ist alles anders: Die Beratungsgespräche im Zentrum für pflegende Angehörige: gestrichen. Die Tagespflegeeinrichtung: geschlossen. Aber auch die tägliche Feedbackrunde für die mobilen Mitarbeiter fällt bis auf Weiteres aus. „Stille Pflege“ – ohne Worte, aus Infektionsschutzgründen – das ist das Motto bei der Arbeit mit den Kunden. Wortlos bleibt es am besten auch bei den Kolleginnen untereinander, bis man zu Hause ist und Feierabend hat. „Die Psychohygiene für uns bleibt als Erstes auf der Strecke“, bedauert Weiler: „Aber es geht nicht anders.“

Beim Blutdruckmessen ist der Abstand auch nicht einzuhalten.

Auch für den 84-Jährigen, der seit einigen Tagen sogar auf seine Gewohnheit, einmal in der Woche in einer Metzgerei zum Mittagessen einzukehren, verzichten muss, ist das nicht ganz einfach: Die gut bekannte Pflegerin nur knapp begrüßen, ansonsten wortkarg bleiben? Das ist auch so bei dem 90-Jährigen, den Weiler an diesem Morgen als Dritten auf ihrer Runde besucht. Der Mann hat aus Angst vor einer Infektion sogar seiner Haushaltshilfe gekündigt und so den einzigen noch regelmäßigen Sozialkontakt abgebrochen. Wäre da nicht verlässlich Schwester Andrea, die am Morgen auch hier die Kompressionsstrümpfe wechselt und wenigstens kurz nach dem Rechten sieht. „Für ein paar Tage bringen ihm seine Kinder täglich das Essen vorbei“, so Weiler. Doch langfristig?

Ein Berufsrisiko

62 Jahre alt – einer ihrer jüngsten Kunden an diesem Tag – ist Willi Müller, der ebenfalls seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung sehen möchte. Er sitzt im Rollstuhl und erhält die große Körperpflege. „Von oben bis unten, im Badezimmer und in seinem Bett“, so Weiler. Spätestens bei solchen Kunden – Müller hat Pflegestufe 5 – ist Sicherheitsabstand schlicht praxisfremd. Für Weiler und alle anderen Kranken- und Altenpfleger ist das der Normalfall. Ein Berufsrisiko.

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„Ja, das ist schon ein toller Einsatz, den sie leistet“, lobt Müller seine Pflegerin. Eineinhalb Stunden nach dem Start an diesem Morgen schaut Andrea Weiler reflexartig wie nach jedem Besuchstermin kurz auf die Armbanduhr und dann in ihre Dokumentationsmappe: Wie viel Zeit hat sie für welchen Kunden? Ist sie noch im Plan? „Ja. Fünf Minuten pro Besuch drüber aufgrund der strengeren Schutzbestimmungen. Das geht.“ Sie klappt zufrieden die Mappe wieder zu.

Ihr Problem ist ein anderes. Wo in diesen Tagen, die zu Monaten werden können, auf eine Toilette gehen, wenn jetzt alle Kunden-WCs, so sauber sie sein mögen, tabu sind? Alle Kneipen und Hotels sind ja geschlossen. Da ist sie froh, dass wenigstens die Tankstelle noch geöffnet hat. Extra ins Caritas-Zentrum oder heim nach Glehn zu fahren, das wäre zu viel vertane Zeit.