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Viele Chöre haben ProblemeIn Mechernich endet eine Tradition nach 160 Jahren

Lesezeit 7 Minuten
Zahlreiche Sänger von Männergesangvereinen stehen und sitzen an einer Kirchenorgel.

Die vereinigten Männergesangvereine Kommern, Vussem und der Rest von Mechernich sangen gemeinsam beim Abschiedsgottesdienst.

Keine Mitglieder, keine Leiter: Zahlreiche Gesangvereine und Spielmannszüge im Kreis Euskirchen kämpfen ums Überleben.

Mit einem würdigen Abschiedsgottesdienst wurde das Aus des Männergesangvereins Mechernich bedacht. Ende vergangenen Jahres hatten die verbleibenden Sänger beschlossen, das aktive Vereinsleben zu beenden und sich auf das Sänger-Altenteil zurückzuziehen. Beim Gottesdienst in der Mechernicher Pfarrkirche St. Johannes Baptist hatten sich die Kollegen der Männergesangvereine Kommern und Vussem mit den verbliebenen Mechernichern zusammengetan und die Messe gestaltet.

Nach 160 Jahren hatte sich der 1863 gegründete Chor aufgelöst. 18 Sänger gehörten ihm am Ende noch an. Auch ein Chorleiter war am Schluss Mangelware.

Die Probleme der Chöre im Kreis Euskirchen sind vielfältig

Es sind Probleme, die auch viele andere Chöre plagen, wie die Vorsitzende des Chorverbandes im Kreis Euskirchen, Gabriele Heis, ausführte. Die Pandemie will sie dabei nicht als Ursache anführen: „Corona war bei den Chören hierzulande gar nicht mal so schlimm.“ Der Euskirchener Verband sei schon lange einer der kleineren im Land. 14 Mitgliedschöre habe er noch.

Und auch der so oft beklagte Mangel an jungen Sängerinnen und Sängern sei für die Chöre im Kreis nicht das einzige Problem, so Heis weiter. Denn genauso sei es alles andere als einfach, Chorleiter zu finden. „Da haben wir bei uns einen wirklichen Mangel“, sagte sie im Gespräch mit der Redaktion. Wenn einer „abhanden komme“, werde es schwierig.

Im Chorverband Aachen, in dem sie mittlerweile auch aktiv sei, erlebe sie dies anders. Was jedoch auch daran liegen dürfte, dass dort die Musikhochschule vor Ort ist, die immer wieder junge, gut ausgebildete Musiker hervorbringt, die sich eine Chorleitung zutrauen. Im Kreis Euskirchen komme davon allerdings nicht viel an.

Rosig ist die Zukunft nicht, man muss sich Gedanken machen, wie die Chorlandschaft aufrechterhalten werden kann.
Erik Arndt, Chorleiter

Zunächst seien die Chöre mit den Jahren allesamt kleiner geworden. Und älter. Ein Schnitt um die 60 Jahre sei gerade bei den Männerchören schon niedrig.

Die Lösungsansätze sind vielfältig, wie Heis berichtet. „Der Männergesangverein Zülpich hat, als nicht mehr genug Sänger dabei waren, begonnen, auch Frauen aufzunehmen, und singt jetzt als gemischter Chor.“ Sieben Männer und neun Frauen sind dort heute aktiv. „Manche Vereine sind nicht mehr singfähig, wie zum Beispiel Satzvey“, sagt Heis. Andere wieder, zum Beispiel Ripsdorf, seien auch mit wenigen Mitgliedern noch aktiv.

Kooperationen der Sänger könnten eine Option sein

Kooperationen, wie sie nun beim Gottesdienst in Mechernich versucht wurden, seien vor dem Hintergrund der allgemein prekären Lage natürlich ein interessanter Gedanke. „Wir haben die Hoffnung, dass die Sänger so von dem Erfolg angetan waren, dass dieses Projekt noch einmal wiederholt wird“, so Heis.

Erik Arndt ist Leiter von insgesamt fünf Chören. Er steht vor der Orgel in der Mechernicher Pfarrkirche.

Erik Arndt, Leiter von insgesamt fünf Chören, wird den MGV Kommern in den nächsten Monaten unterstützen.

Die Kommerner jedenfalls seien für Kooperationen offen, sagte Dr. Dieter Pesch vom MGV Kommern. Jedoch: „Das ist nur eine Lösung für eine begrenzte Zeit, dann stehen wir wieder vor dem gleichen Problem“, gab er zu bedenken. Als er in den Verein eingetreten sei, sei er in seinen Dreißigern gewesen. „Wir sind zusammen alt geworden, neue Leute sind irgendwann nicht mehr gekommen“, hat Pesch beobachtet. Die Menschen wollten sich heutzutage seiner Ansicht nach nicht mehr so fest binden und regelmäßige, fixe Übungstermine wahrnehmen.

Auch der einst stolze Kommerner Verein musste einen deutlichen Rückgang der Aktiven feststellen. 24 sind es derzeit noch, in den Spitzenzeiten seien es auch schon mal 40 gewesen, erinnert sich Pesch. Ein stattliches Ensemble hatte sich zum Abschied des Mechernicher Chors zusammengefunden.

„Das war bei dem Gottesdienst richtig schön, mal wieder mit vielen Leuten zu singen“, sagt Pesch. Doch da ist ja auch noch das Problem mit dem Chorleiter: Nachdem Werner Harzheim sich vom Dirigentenpult der Kommerner verabschiedet habe, gelte es nun, einen Nachfolger zu finden. „Wir sind in Gesprächen“, so Pesch.

Für Mechernicher Chorleiter ist ein stimmiges Rundumpaket wichtig

Seit Jahresende wird der Verein von Erik Arndt interimsweise geleitet. Dieses Engagement soll noch bis zum Frühjahrskonzert bestehen bleiben, das am 8. Juni in der Bürgerhalle in Kommern stattfindet. Für Arndt ist mehr kaum zu leisten. Fünf Chöre betreut er: drei in Mechernich, dazu den Kirchenchor in Steinfeld und den MGV Vussem.

Er hatte die Idee, mit dem Abschiedsgottesdienst und dem gemeinsamen Singen dem langjährigen Bestehen des Mechernicher Männergesangvereins ein Denkmal zu setzen. Er sieht mit kritischem Blick auf die Entwicklung: „Rosig ist die Zukunft nicht, man muss sich Gedanken machen, wie die Chorlandschaft aufrechterhalten werden kann.“

Hat er Ideen dafür? Zumindest einen Lösungsansatz: Um die Menschen für das Singen im Chor zu begeistern, müsse ihnen heute etwas geboten werden. „Die Leute sind durch die mediale Überfütterung gewohnt, unterhalten zu werden, also musst du auch im Chor etwas bieten. Dann kommen die Leute“, hat er beobachtet. So sei die Gelegenheit, zum Beispiel ein Programm gemeinsam mit einem Orchester aufzuführen, wichtig für einen Chor. Ebenso wichtig sei das Repertoire, kurzum: Das Rundumpaket müsse stimmen.

Es gebe ja auch Positivbeispiele im Kreis: An funktionierenden Chören wie dem Mutscheider Gesangverein „Eifelklang“, dem Sängerkreis Euskirchen oder einigen anderen werde das deutlich. „In Mutscheid zum Beispiel sind die Rahmenbedingungen hervorragend mit einem großen Proberaum und dem Angebot der Stimmbildung“, so Arndt. Dazu sei ein funktionierendes soziales Miteinander ganz wichtig für den dauerhaften Bestand des Chores. „Wenn du immer den Anspruch hast, aus dem Chor etwas herauszuholen, dann hast du eine Überlebens-Chance“, beschreibt er seine Maxime.


„Trauen Sie sich“, fordert Gabriele Heis begeisterte Sänger auf, sich an der Leitung eines Chors zu versuchen. Wer Lust habe, könne sich mit dem Chorverband Kreis Euskirchen in Verbindung setzen, der Weiterbildungen anbiete. Eine Hochschulausbildung sei dafür nicht notwendig. Kontakt zu der Vorsitzenden des Chorverbandes für weitere Informationen ist unter 0 22 51/1 89 80 55 oder per E-Mail möglich.


Auch die Spielmannszüge im Kreis Euskirchen haben zu kämpfen

Den Bund der Spielmannszüge im Kreis Euskirchen plagen ebenfalls enorme Nachwuchssorgen, auch hier ist man um den Erhalt der Ensembles besorgt. Eine Idee, dem entgegenzuwirken, sind gemeinsame Veranstaltungen – etwa die Gesamtprobe aktuell in Mahlberg oder das Kreistambourfest im September.

Werner Haag, seit Jahren Leiter und Tambourmajor des 1929 gegründeten Mahlberger Spielmannszugs „Eiche“, hatte mit Alexander Krause aus Oberwichterich zum besonderen Tag der Musik eingeladen. Aus zahlreichen Spielmannszügen im Kreis waren mehr als 50 Musiker dabei: aus Oberwichterich, Oberhausen, Herhahn-Morsbach, Dürscheven, Vernich und Dollendorf. Die Resonanz bezeichnete Haag als sehr erfreulich, auch, da ganz junge Musiker wie Leo Lingscheid und ältere wie der 74-jährige Bernd Mahlberg zur gemeinsamen Probe gekommen waren.

Zahlreiche Musiker stehen in einer Turnhalle. Einige halten Lyras, vor anderen stehen Pauken.

Ein gemeinsames Foto zur Erinnerung an den Tag durfte nicht fehlen.

Mit derartigen Aktionen wollen die Spielmannszüge nicht nur für ein gemeinsames Konzert üben und Erfahrungen austauschen, sondern auch auf sich aufmerksam machen und um Mitstreiter an Trommeln, Pauken, (Quer-)Flöten, Lyra, Becken und Pauken werben. Mit den Tambourcorps früherer Jahre sind die aktuellen Ensembles meist nicht zu vergleichen. Sie sind längst nicht mehr auf Marschmusik beschränkt, viele andere Melodien haben Eingang ins Repertoire gefunden.

Im Kreis Euskirchen waren vor einigen Jahren noch etwa 30 Spielmannszüge im BdS (Bund der Spielmannszüge) organisiert. Zwischenzeitlich ist die Anzahl der spielfähigen Ensembles auf etwa die Hälfte gesunken. Werner Haag: „Das Spielmannswesen im Allgemeinen hat es leider schwer.“ Seit Jahren mangelt es den Ensembles an Personal, so Haag: „Die alte Garde von früher gibt es nicht mehr, und die Jugend hat sich vielfach anderen Dinge zugewandt.“ Dabei sei es doch gerade die Musik, die zusammenführe und für Geselligkeit sorge, unterstrich Haag: „Daher ist es uns wichtig, die Spielleute zusammenzubringen.“

Nach der Corona-Zeit haben sich die Spielleute die Frage gestellt, wie man zusammenkommen und gemeinsam musizieren könne. Bereits 2023 fand eine erste Gesamtprobe in Mahlberg statt. Ziel dabei ist, auch Stücke einzustudieren, die gemeinsam mit den Kollegen der Blasmusik spielbar sind. Einstudiert wurden die Stücke durch die Ausbilder sowie Organisatoren Jenny Simons, Marika Pick, Alexander Krause und Werner Haag. Eine besondere Herausforderung war, die unterschiedlichen Grundstimmungen der Vereine zusammenzubringen und möglichst allen Wünschen gerecht zu werden.

Gemeinsame Auftritte sind auch für dieses Jahr geplant. Höhepunkt soll das Kreistambourfest am 7. und 8. September in Niederdrees sein. Das ist zwar im Rhein-Sieg-Kreis, der Spielmannszug „Echo“ ist aber seit vielen Jahren Mitglied im BdS des Kreises Euskirchen.