Nettersheim-Marmagen – Die Begriffe klingen recht abstrakt, bieten aber eine Menge Konfliktstoff. Denn sie sollen künftig die Lebenswirklichkeit der Katholiken im Bistum Aachen bestimmen. Von „Pastoralen Räumen“ und „Orten von Kirchen“ ist da die Rede.
Und wer glaubt, die gute, alte „Pfarrei“ würde in Zukunft noch so aussehen wie gewohnt, der irrt. Vertreter der Initiative „Kirche bleibt hier“ stellten die aktuellen Planungen des Generalvikariats Aachen in der Pfarrkirche St. Laurentius in Marmagen vor.
Kontakt zu Kirchenvorständen im ganzen Land
Dieter Verheyen und Heinz-Günter Jünger, die gemeinsam mit dem durch eine Corona-Infektion verhinderten Herbert Schrader die Initiative gegründet hatten, hatten die Versammlung der Eifeler Kirchenvorstände als eine von acht Regionalkonferenzen einberufen. Alle drei sind Kirchenvorstandsmitglieder aus Aachen, die nach eigenen Aussagen Kontakt mit 260 Kirchenvorständen im Land haben.
Nach Darstellung der beiden scheinen die derzeitigen Vorstellungen für die Strukturreform, die seit 2019 im Prozess „Heute bei Dir“ vorangetrieben wird, eine Menge von Problemen mit sich zu bringen.
„Pastoraler Raum“ und „Kirche vor Ort“
Die Begriffe „Pastoraler Raum“ und „Kirche vor Ort“ sind nicht vom Himmel gefallen. Sie wurden bereits im Reformprozess im Bistum Trier verwendet, um die zukünftigen Ebenen der kirchlichen Struktur zu bezeichnen. Nicht ganz verwunderlich, denn vor seiner Berufung als Bischof von Aachen war Helmut Dieser Weihbischof von Naruna im Bistum Trier. Doch dort wurde die Strukturreform, die eigentlich bereits in Kraft getreten sein sollte, 2021 vom Vatikan gestoppt.
Die Blaupause ist ähnlich. Unterhalb der Leitungsebene, dem Bistum, das weiterhin an der Spitze der regionalen kirchlichen Hierarchie steht, werden mehrere Großpfarreien stehen. 8 bis 13 seien derzeit vorgesehen, so ist auf der Internetseite des Strukturprozesses „Heute bei Dir“ nachzulesen. So wäre die „Region Eifel“ eine mögliche dieser zukünftigen Pfarreien.
Pfarreien sollen zu „Orten von Kirche“ werden
Die Ebene darunter bilden die „Pastoralen Räume“. Wie diese gestaltet und ausgestattet werden, ist bislang noch nicht ausgemacht, sondern soll bis zum offiziellen Ende des Reformprozesses im März 2023 festgelegt werden.
Die bisherigen Pfarreien sollen zukünftig zu „Orten von Kirche“ werden. Doch hier ist nach Vorstellungen der Reformer noch mehr möglich. So könnten es auch „diözesane Zusammenschlüsse oder Initiativen zur Flüchtlingshilfe“ sein, informiert die Webseite.
Offensichtlich wird dabei, dass die bisher vor allem von Ehrenamtlern getragene Ebene der Kirchenvorstände in dem Konzept nicht mehr vorkommt. Denn die bisher bestehende Einheit von Pfarrei und Kirchengemeinde wird aufgegeben.
„Wir arbeiten dagegen, dass es ab 2028 nur noch acht Pfarreien gibt“, sagte Verheyen unmissverständlich. Das sei ein unverantwortlicher Weg. „Wenn die Beschlüsse so sind, dass wir sie nicht mittragen können, werden wir austreten“, warnte er.
„Ihr könnt nicht 62 Pfarreien in der Eifel behalten“
So arbeitet die Initiative „Kirche bleibt hier“ im entscheidenden Gremium mit. Bisher habe es erst eine Sitzung gegeben. Es sei noch nicht klar, wohin der Zug fahre, so Verheyen. Ziel der Marmagener Regionalkonferenz für Kirchenvorstände und pastorale Gremien war vor allem, ein Meinungsbild abzufragen, wie die Pastoralen Räume gestaltet werden könnten. Denn eine Reform sei unvermeidlich. „Ihr könnt nicht 326 Pfarreien im Bistum und 62 Pfarreien in der Eifel behalten“, warnte Verheyen.
Der wahre Konflikt liegt aber noch tiefer. Dabei dreht es sich vor allem um das Vermögen der Kirchengemeinden. Bisher wird dieses relativ frei von den Kirchenvorständen der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) verwaltet, bei denen der Ortspfarrer den Vorsitz hat. Das wird in Nordrhein-Westfalen geregelt im Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens (VVG) von 1924. Nun soll dieses Gesetz durch das neue Kirchliche Vermögensverwaltungsgesetz (KVVG) ersetzt werden.
Ehrenamtliche nur noch in einer Hausmeisterfunktion?
Ein erster Entwurf existiert. Was er aber für den Reformprozess im Bistum Aachen bedeutet, ist noch nicht klar. Denn im Kirchenrecht, so erläuterte Verheyen, existiere die Kirchengemeinde nicht. So sei damit zu rechnen, dass das Vermögen der Kirchengemeinden auf die neuen Pfarreien oder Pastorale Räume übertragen und von dort verwaltet werde.
„Wenn das Vermögen dann beim Pfarrer der Region Eifel ist, dann würde ich sagen, machen wir einen eigenen Verein und sind unabhängig vom Bistum“, sagte ein Hellenthaler.
Überhaupt fanden viele der absehbaren Entwicklungen nicht die Zustimmung der Anwesenden. Die große Gefahr sei, dass viele Ehrenamtler ihre Tätigkeit einstellen würden, wenn aus dem Kirchenvorstand das „Team vor Ort“ werde, das dann eine Hausmeisterfunktion hätte, warnte Verheyen.
Wer werde dann noch in so ein Gremium gehen? Wen interessiere in Reifferscheid, wenn in Kesternich etwas im Kindergarten kaputtgeht, fragte er rhetorisch.
„Ich befürchte, dass wir in fünf bis sieben Jahren keine Kandidaten für Kirchenvorstände haben“, sagte Pater Wieslaw Kaczor, Leiter der GdG Steinfeld, unmissverständlich. Er habe nicht BWL studiert, solle aber Verwaltungsaufgaben übernehmen. „Wir sind für die Seelsorge da, aber von der Seelsorge ist keine Rede“, bedauerte er.
Er würde die gesamte Verwaltung abgeben, um Seelsorge machen zu können. Das sollten Fachleute machen, da solle die Reform nicht verwischt werden.
Pastorale Räume wie die Gemeinschaft der Gemeinden
Kontrovers verlief die Diskussion über die Zukunft der Katholischen Kirche im Bistum Aachen. Doch fast einstimmig plädierten die Anwesenden dafür, dass die zukünftigen Pastoralen Räume den aktuellen Grenzen der GdGs entsprechen sollten. „Das Generalvikariat will, dass je zwei GdGs zusammengehen, damit die Struktur nicht mehr so unübersichtlich ist“, informierte Verheyen.
Mit dem Meinungsbild, das er in Marmagen und bei den anderen sieben Regionalkonferenzen gewonnen habe, könne er mit seinen Mitstreitern in die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe gehen und so die Vorstellungen der Gläubigen vor Ort widerspiegeln. Denn wenn die Beschlüsse gefasst und vom Bistum vorgestellt würden, sei es zu spät.