Die 23 Meter hohe Kunstinstallation ist bis November am Kirchturm in Nettersheim-Tondorf zu sehen.
KunstwerkDie Himmelsleiter von Tondorf ist bei Tag und in der Nacht ein Blickfang

Am Tag sind die „Engelsflügel“ der Himmelsleiter gut zu sehen.
Copyright: Stephan Everling
Zwölf Stufen zur Vollkommenheit. Wie weit der Weg in den Himmel ist, können die Tondorfer jetzt an der Himmelsleiter sehen, die als Kunstinstallation am Turm ihrer Pfarrkirche St. Lambertus montiert wurde. Und nicht nur die: Die auffällig rot und blau leuchtende, 23 Meter hohe Lichtkunst strahlt in der Dunkelheit weithin sichtbar über das Land. Bis November bietet das Werk von e.lin, Künstler aus Benediktbeuren, Stoff für Gedanken, Diskussionen und Gespräche.
Eingesegnet wurde das Werk vom Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters. Dass ein Würdenträger aus dem benachbarten Sprengel dazu ins Gebiet des Bistums Aachen kam, war dem Zufall und der Bischofskonferenz zu verdanken, die im März in Steinfeld stattfand. Doch vielleicht war es auch ein wenig Fügung.
Weihbischof aus Trier übernahm die Einsegnung in Tondorf
Denn als Regionalvikar Pater Wieslaw Kaczor, Leiter der GdG Steinfeld, zu der auch Tondorf gehört, anfragte, ob aus dem Bistum Aachen jemand zur Einsegnung kommen könne, stellte sich heraus, dass es Terminprobleme gebe. Zufällig habe er, so Kaczor, bei der Konferenz mit Peters am Tisch gesessen – und der habe auf seine spontane Anfrage zugesagt. Als dies auch vom Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser gutgeheißen war, stand dem bistumsübergreifenden Segensspruch nichts mehr im Wege.
Die Bistumsgrenze liegt aber auch nah. Mit Hümmel ist der erste Ort, der zum Bistum Trier gehört, nur drei Kilometer von Tondorf entfernt. Und: „Ich habe gehört, dass der Kirchturm von Tondorf bei gutem Wetter noch vom Nürburgring aus zu sehen sei. Das werde ich am Sonntagmorgen bei der Eröffnung der Motorradsaison prüfen können“, sagte Peters.

In der Nacht bietet die beleuchtete Himmelsleiter am Turm von St. Lambertus in Tondorf ein markantes Bild.
Copyright: Stephan Everling

Die Einsegnung übernahm der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters (M.). Er zelebrierte die Messe mit Pater Wieslaw Kaczor (4.v.r.).
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Dass die Himmelsleiter in Tondorf zu sehen ist, ist vor allem der Initiative von Alfred Jaax zu verdanken. 2022 habe er in Aschau im Chiemgau Urlaub gemacht und die Himmelsleiter gesehen, ein Jahr später das Projekt in Angriff genommen. Die Finanzierung des niedrigen fünfstelligen Betrags, der für die Installation des Kunstwerkes notwendig sei, sei schwierig. „Wir müssen noch Klinken putzen“, sagte Jaax, Kassierer des Fördervereins St. Lambertus.
Die Finanzierung des Kunstprojekts bereitet schlaflose Nächte
So schlagen zwei Seelen in seiner Brust: Einerseits sei er begeistert von dem Projekt, andererseits habe er oft nachts wach gelegen und sich gesorgt, wie die Finanzierung gestemmt werden könne. Bewusst haben die Tondorfer keine Institutionen angesprochen, die auch mildtätige Projekte fördern: Durch das Kunstwerk sollen keinen existenziell wichtigen Projekten Mittel streitig gemacht werden.
Brücken zu bauen sei wichtiger als Mauern, zitierte Peters die Predigt, die von Kardinaldekan Giovanni Battista Re bei der Beisetzung des Papstes gehalten wurde. „Leitern dienen dazu, Mauern zu überwinden“, schlug er einen Bogen zu der Kunstinstallation. So hoffe er, dass die Leiter zur Friedensleiter werde.
Die Himmelsleiter ist eine bekannte Geschichte aus der Bibel
Die Himmelsleiter ist eine der bekanntesten Geschichten aus der Bibel. Im ersten Buch Mose, der Genesis, ist beschrieben, wie Jakob nachts von der Treppe träumt, die bis zum Himmel reicht, und auf der die Engel auf- und niedersteigen. So hat die Geschichte nicht nur e.lin inspiriert, sondern auch die Wiener Künstlerin Billi Thanner, deren Himmelsleiter in Wien, Paris und jetzt in Münster zu sehen ist.
Rund 20 Jahre älter ist die Himmelsleiter, die nun in Tondorf leuchtet. Sie hat auch mehr Stationen hinter sich als die Thannersche. Im Jahr 2000 war das Kunstwerk erstmals in Füssen an der ehemaligen Klosterkirche St. Mang zu sehen. Die Inspiration lieferte Monsignore Karlheinz Knebel: In seiner Zeit als Pfarrer in Füssen habe er 1997 den Künstler e.lin angesprochen, was er denn zur Jahrtausendwende vorbereite. Das verriet der Urheber in einem Grußwort, das Alfred Jaax vom Förderverein St. Lambertus verlas.
Das Kunstwerk war bereits in zehn Orten in Deutschland zu sehen
Der Künstler e.lin erarbeitete daraufhin das Konzept der Himmelsleiter samt der Farb- und Zahlensymbolik. Blau stehe für den Himmel und die Transzendenz, Rot für das Blut und die Liebe, das Gelb der vor allem tagsüber gut sichtbaren Engelsflügel für Gold und das Wertvolle. Zwölf Sprossen hat die Leiter, die zur Vollkommenheit führen sollen, sieben Flügel symbolisieren die Engel als Boten und Wegweiser. Anders als die Thannersche Himmelsleiter ist die in Tondorf ausgestellte aus dem Lot geraten, da auch die Welt aus dem Lot sei. Auch bestehe die Gefahr, von den schrägen Sprossen abzustürzen.
E.lin (sprich e punkt lin) ist der Künstlername des 1943 geborenen Erwin Franz Wiegerling. Inspiriert von Arbeiten von unter anderen Joseph Beuys, Christo und Anselm Kiefer arbeitet er in seinen Gemälden und Installationen mit Materialien aus der Natur und dem Aufstreuen reiner Farbpigmente. Er möchte die Schöpfung als schützenswertes Kunstwerk zeigen und auf das Ungleichgewicht zwischen Mensch und Natur aufmerksam machen.
Mittlerweile ist Tondorf die elfte Station des Kunstwerks. Vorher war es nach der Premiere in Füssen bereits im Kloster Seeon, München, Ratingen, Götterswickershamm/Niederrhein, Wormbach/Sauerland, Gaissach/Oberbayern, Schönberg/Oberbayern, Geretsried, Aschau/Chiemgau zu sehen. Zu der Himmelsleiter, die bis November in Tondorf sein wird, wurde ein Veranstaltungsprogramm entwickelt, bei dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen sollen.