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ErdbebenkatastropheGemünder Gastronom hilft nach der Flut nun in seiner türkischen Heimat

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann steht vor einem durch das Erdbeben in der Türkei zerstörten Haus.

Steht vor den Trümmern in seinem Geburtsort Pazarcik: Cafer Kasisari.

Die Flut hat 2021 Cafer Kasisaris Restaurant in Gemünd schwer getroffen. Nun hilft er nach dem Erdbeben in der Türkei in der Region, in der er aufgewachsen ist.

Cafer Kasisari hat eine lange Reise hinter sich. Der Gemünder sitzt in einem ehemaligen Friseursalon in Gaziantep, im Hintergrund sind spielende Kinder zu hören. Am Donnerstagmorgen ist Kasisari ins Flugzeug nach Antalya gestiegen, von dort aus mit dem Auto weitergefahren. In seine Heimat. Nach Gaziantep. Mitten im Katastrophengebiet. Schon wieder. Die Flut 2021 hat auch sein Restaurant in Gemünd, das er und seine Familie seit mehr als 20 Jahren betreiben, hart getroffen. Trotz der Zerstörungen haben er und sein Team gekocht, geholfen, angepackt. Sie haben den Wiederaufbau gestemmt und das Restaurant im vergangenen März wiedereröffnet.

Nun die nächste Katastrophe. 13 bis 14 Stunden hat die Fahrt gedauert. „Du kannst nicht schnell fahren, weil du nicht siehst, ob die Straße gut ist“, sagt Kasisari. In vielen Straßen seien Risse, viele Brücken nicht sicher. Auf seiner Reise habe er oft angehalten. „Ich war in den schlimmen Gebieten, ich war auf den Dörfern, ich war überall“, sagt er. Er habe sterbende Menschen gesehen, Verletzte, Verzweifelte.

Gemünder kauft im Katastrophengebiet Lebensmittel

Die Situation sei sehr schlimm. Die Bilder im Fernsehen zu sehen sei etwas völlig anderes als nun selbst vor Ort zu sein. Er seufzt. Nach wie vor mangele es an allem. An Wasser, an Essen, an Hilfe. Es gebe zerstörte Häuser, zu denen professionell ausgerüstete Helfer noch nicht gekommen seien. Selbst vier Tage nach der Katastrophe noch nicht. Dort noch Überlebende zu finden, sei wahrscheinlich aussichtslos, berichtet Kasisari. Er seufzt wieder.

Ein Mann steht vor einem durch das Erdbeben in der Türkei zerstörten Haus.

Sehr schlimm sei die Situation vor Ort, sagt Cafer Kasisari. Knapp eine Woche will er in Gaziantep bleiben.

Viele seiner Freunde, Bekannten und seine Familie hat er bereits getroffen. Mit seinen gesammelten Spenden kaufen sie Lebensmittel und Getränke, verteilen es an alle. Auf einem Video ist zu sehen, wie sie auf einem Parkplatz Fladenbrot an die Umstehenden geben.

Eifeler hilft, 1000 bis 1500 Menschen satt zu bekommen

Abends wird gekocht. Draußen. An diesem Tag gibt’s Bohnensuppe, berichtet Kasisari. Die werde in großen Metallschüsseln über dem Lagerfeuer zubereitet. Die Lebensmittel hat Kasisari mit seinen Leuten besorgt. Kistenweise Tomaten, Säcke voller Kartoffeln und Zwiebeln. 1000 bis 1500 Menschen wollen er und sein Team damit satt bekommen. Viele Gesichter kennt Kasisari. Er ist in Gaziantep aufgewachsen. Eines ist ihm wichtig zu sagen: „Auch wenn wir die Menschen nicht kennen, helfen wir!“

Die Leute sammeln sich aktuell an bestimmten Orten. Tagsüber wagen sie sich in die eingeschossigen Gebäude, die noch stehen. In Läden wie den Friseursalon beispielsweise. Dort sei es wärmer, die Menschen finden ein wenig Schutz vor Wind und Wetter. Vor allem Kinder halten sich dort auf. Per Videotelefonat zeigt Kasisari einen Stapel Decken an einer Wand. Damit gehe es am Abend wieder nach draußen. Nachts bleibe keiner drinnen. Die Menschen schlafen in Autos und Zelten. Auch er habe eine Decke im Auto. Zwar seien nicht alle Gebäude eingestürzt, aber in vielen seien Risse – die Menschen fühlen sich sicherer im Freien. Auch wenn es Winter ist und kalt.

Cafer Kasisari will auch weiterhin in der Türkei helfen

„Wir kaufen auch Holz für die Leute“, berichtet Kasisari weiter. Damit können sie draußen Feuer machen, sich daran aufwärmen und kochen. Von gut organisierter Hilfe habe er bisher noch nichts sehen können: „Es gibt viele Lkw, aber keine Organisation.“ Niemand schaue, wer was brauche. Und Helfer fehlten nach wie vor.

Knapp eine Woche will Kasisari in Gaziantep bleiben. Am Donnerstag fliegt er zurück nach Deutschland. Die Zeit wolle er nutzen und helfen, wo er könne. Vor allem mit Essen. Auch nach seiner Abreise will er eingehende   Spenden weiterleiten. Bekannte und Freunde sollen damit weiterhelfen. Denn: Kasisari ist überzeugt, dass die schwierigste Zeit erst noch kommt. Dann, wenn die ersten Hilfs- und Rettungsmaßnahmen abgeschlossen sind. Wenn die Hilfstrupps wieder gehen: „Danach fängt das Schlimme an. Dann bleiben die Betroffenen zurück.“

Die Menschen, die die Katastrophe überlebt haben, stehen vor dem Nichts. Häuser, Arbeitsplätze, Infrastruktur – alles ist zerstört. Niemand wisse, wie es weitergehen solle, sagt Kasisari. Die Türkei sei kein Sozialstaat. Die Arbeitsstätte seines Schwagers beispielsweise sei komplett zerstört. Dieser frage sich nun, wie er weiterleben soll, womit er Geld verdienen und seine Familie ernähren soll, sagt Kasisari. Er seufzt wieder. Wie in Gemünd und all den anderen Orten nach der Flut werde es auch in Erdbeben-Region Jahre dauern, bis wieder alles aufgebaut sei.


Mehr als 7500 Euro gespendet

Helfen wollen auch viele Menschen im Kreis Euskirchen. Allein auf dem Paypal-Spendenkonto der Familie Kasisari sind bislang mehr als 7500 Euro eingegangen. Mehr als 200 Menschen haben sich beteiligt. „Ich hoffe, dass es wenigstens etwas hilft und danke euch für eure Initiative“, schreibt eine Frau zu ihrer Spende. „Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie wichtig die Hilfsbereitschaft ist (auch wenn die Flut nicht im Ansatz mit dieser schrecklichen Tragödie zu vergleichen ist). Wir wünschen viel Erfolg“, schreibt ein anderer.

Über so viel Unterstützung freut sich die Familie Kasisari. Jeder Cent helfe, sagt Cafer Kasisari. Via Facebook hält Cafer Kasisari die Menschen über seine Hilfe auf dem Laufenden. Auch dort schreiben ihm viele liebe Worte, wünschen ihm Kraft. (jre)