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Flut-SchädenScholz sagt in Schleiden schnelle und unbürokratische Hilfe zu

Lesezeit 6 Minuten

Die Schäden sehen, die Geschichten hören, den Wiederaufbau planen: Olaf Scholz (v.l.) und Ina Scharrenbach sind in Gemünd, hier vor dem massiv getroffenen Hotel Friedrichs, zu Gast, wo Markus Ramers, Ingo Pfennings und Detlef Seif die Katastrophe schildern.

Schleiden/Gemünd – Natürlich geht es um Geld, wenn der Bundesfinanzminister kommt, um Millionen, um Hunderte Millionen, um Milliarden. Doch das steht beim Besuch von Olaf Scholz am Dienstag in der Stadt Schleiden nicht im Mittelpunkt. Er geht auf die Menschen zu, hört ihre Geschichten aus der Flutnacht, aus den Tagen und Wochen danach.

Er spricht mit den Einsatzkräften, nimmt ihre Ohnmacht auf, als sie vor der zerstörerischen Wut des Wassers kapitulieren mussten und nicht das tun konnten, was ihrem Selbstverständnis entspricht: Menschen retten, Menschen helfen. Er schlägt fassungslos die Hände vor den Mund, als ihm etwa Helmut Peters berichtet, wie er die Flut auf einem hohen Regal in seinem Geschäft in Gemünd knapp überlebt hat.

Station beim Technischen Hilfswerk

Mit Scholz ist auch NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach in der Stadt. Beim Technischen Hilfswerk (THW) in Oberhausen startet diesmal die Reise der Polit-Prominenz. Die Hausherren vom THW um Daniel Schwarzer sind da, die Feuerwehrleute und Kreisbrandmeister Peter Jonas, Soldaten der Bundeswehr, Einsatzkräfte des DRK und dessen Geschäftsführer Rolf Klöcker – all die, die seit der verheerenden Nacht nahezu pausenlos im Einsatz sind.

Alles zum Thema Ina Scharrenbach

Von Überleben und Neuanfang berichtet Helmut Peters.

„Es war wie ein amerikanischer Katastrophenfilm“, fasst es Schwarzer zusammen, nachdem er davon berichtet hat, wie das THW-Team gemeinsam mit Feuerwehrleuten und weiteren Helfern Sandsäcke gefüllt haben, bis sie selbst abgesoffen sind und sich auf eine Betonerhöhung retten mussten, wo sie die Nacht verbracht haben. Trotz der Schrecken kann er auch von einem Happy End berichten: Eine Frau haben die Helfer mit einem Frontlader aus den Fluten retten können, sie haben mit ihr um ihr neunjähriges Kind gebangt, von dem sie getrennt worden war – und das Kind um 4 Uhr am Morgen vom Nachbarhaus, wo es in Sicherheit gewesen ist , über den Zaun hieven können.

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Einen Eindruck von den Schrecken der Nacht vermittelt auch Feuerwehrmann Patrick Schöneborn: Seine eigene Wohnung ist zerstört, das Haus seiner Großmutter massiv beschädigt. Und seine Eltern glaubte er verloren zu haben, als er sah, dass das Wasser in ihrem Haus bis fast zum Speicher gestanden hat. Doch genau dorthin hatten sie sich flüchten können und haben überlebt.

Ingo Pfennings: Krisenstab im Kerzenschein

Die Arbeit in der Nacht, als irgendwie versucht wurde, der Lage Herr zu werden, beschreibt Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings: Im Schein flackernder Teelichter hat der städtische Krisenstab gearbeitet – über eine Notstromversorgung hat lediglich die Koordinierungsstelle der Feuerwehr verfügt. Und Rolf Klöcker schildert, wie hilflos man auch in der DRK-Zentrale in Euskirchen gewesen sei, als man zwar eine Notstromversorgung, aber eine Woche weder Telefon noch Internet hatte.

Die Ohnmacht der Helfer schildert Daniel Schwarzer.

Es sind die Geschichten, die sich wohl auch Scholz und Scharrenbach, die bereits am Freitag nach der Flut die Region besucht hatte, ins Gedächtnis brennen. Sie sind eindrücklicher als der Blick in die hart getroffene Astrid-Lindgren-Schule in Schleiden.

Beschleunigung im Bau- und Vergaberecht

Sie beinhalten so viel mehr Leben, Angst und Schmerz, als es die Zahlen, die die Katastrophe umreißen, je könnten. Und die klar machen, dass auch die Herausforderung angegangen werden muss, das Land für derartige Krisen zu rüsten. Von einem „großen Wurf“, der bei dem Thema nötig ist, spricht Bundestagsabgeordneter Detlef Seif – und dass man Gas geben müsse.

Den Wasserstand zeigt Thomas Steffen an der Metzgerei.

Gas geben ist auch beim Wiederaufbau erforderlich – Scholz und Scharrenbach sagen Lösungen zu, die oft langwierigen und bürokratischen Vorgaben etwa im Bau- oder Vergaberecht zu beschleunigen. „Wir müssen schnell machen“, das sagt Scholz häufig an diesem Nachmittag. Und: „Es soll am Geld nicht scheitern.“

Gemünd: Geschichten der Hoffnung

Schnell machen ist für viele Gemünder angesagt: Unglaublich viel ist in den vergangenen drei Wochen bereits getan worden – und so unglaublich viel ist noch zu tun. Bei einer Frau entlädt sich die ohnmächtige Wut: „Wo ist der Herr Laschet? Wer übernimmt die Verantwortung für all die Toten?“, schreit sie. Doch insgesamt ist die Stimmung ruhig, gefasst – und an einigen Stellen optimistisch. Bei Cafer Kasisari etwa, der vor mehr als 20 Jahren den Istanbul Döner eröffnet hat.

Ja, er habe auch Schäden in seinem Lokal, manch ein Stuhl auf der Terrasse sei etwas schief. Doch der Duft von Pizza und Döner strömt heraus, er bringt den Besuchern einen Kaffee nach draußen. Zuerst einmal will er kochen – sanieren könne er, wenn die anderen ihre Läden hergerichtet haben und wieder da sind. „Es ist nicht einfach. Aber wir schaffen es, das wieder aufzubauen“, sagt er.

Von der zerstörten Redaktion berichtet Ramona Hammes.

Trotz all der Schäden und der gigantischen Aufgabe, vor der die Region steht, gibt es in Gemünd bereits deutliche Zeichen der Hoffnung und des Optimismus. Helmut Peters sendet eines aus: Seine Aussage unmittelbar nach der Katastrophe, sein Geschäft nicht wieder öffnen zu wollen, revidiert er. Er werde wieder starten – allerdings nebenan in einem kleineren Ladenlokal.

Hotel Friedrichs: Hauptgebäude kann vielleicht stehen bleiben

Ein weiteres kommt von Manfred Pesch, dem Besitzer des so traditionsreichen Hotel Friedrichs direkt am Zusammenfluss von Urft und Olef, dessen weggerissene Terrasse die Wunde, die das Wasser geschlagen hat, noch so deutlich zeigt: Ja, der Anbau sei wohl nicht mehr zu retten. Doch es bestehe Hoffnung, dass das Hauptgebäude stehen bleiben könnte.

Und dann sind da Thomas und Frank Steffen: Die beiden Metzger stehen vor ihrem Geschäft, das schon sauber und einladend aussieht, die Schinken hängen bereits wieder an den Haken. „Wir machen morgen (am Mittwoch, 4. August, d.Red.) wieder auf!“ Applaus brandet auf – er zeigt die Freude über derartige Zeichen. Den Geist, der so viele in der Region in diesen Tagen und Wochen antreibt, fassen die Brüder treffend zusammen: „Aufgeben ist keine Option.“

Bund und Länder: Milliarden für den Wiederaufbau

400 Millionen Euro Soforthilfe und sechs Milliarden Euro für den Wiederaufbau haben Bund und Länder in die Bewältigung der Folgen des Oder-Hochwassers gesteckt. Das wird nach der Hochwasserkatastrophe, die Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor drei Wochen heimgesucht hat, bei Weitem nicht ausreichen. Das machte Bundesfinanzminister Olaf Scholz deutlich bei seinem Besuch deutlich.

Das Paket für den Wiederaufbau mit einer gesetzlichen Grundlage soll in den kommenden Wochen geschnürt werden. Scholz sagte bereits zu, dass überall, wo der Bund tätig war oder wo Schäden sind – etwa durch den Einsatz von THW oder Bundeswehr – „keine Rechnung geschrieben wird“ und diese Kosten nicht vor Ort geschultert werden müssen.

Über welche Summen gesprochen wird, machte Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings deutlich: Alleine am öffentlichen Gemeinwesen summieren sich die Schäden in seiner Stadt auf 250 Millionen Euro. (rha)

Kostenübernahme Müllentsorgung

„Vollumfänglich“ werden die Kosten für die Müllentsorgung übernommen, hatte Ministerpräsident Armin Laschet am Montag verkündet – eine positive Nachricht für Kreis und Kommunen. Das Rätselraten, ob das denn auch für den nun ebenfalls in großen Mengen anfallenden Bauschutt gilt, ist am Dienstag im Rahmen des Besuchs von Olaf Scholz und Ina Scharrenbach beendet worden: Ja, das gilt auch für den Bauschutt. Nun gilt es für Kreis und Kommunen, ein Konzept für die Entsorgung zu erstellen und die aufwendige Logistik zu planen. (rha)