Schleiden – Wir brauchen Geld – und zwar schnell. Wir müssen den Müll wegbekommen – und zwar schnell. Die großen Themen treiben die von der Hochwasserkatastrophe im Kreis Euskirchen betroffenen Menschen um. Und mit diesen Themen wurde Ministerpräsident Armin Laschet am Montag bei seinem Besuch in der Stadt Schleiden konfrontiert.
Den Wahlkampf ließ er dabei betont außen vor. Derartige Fragen beantwortete er bewusst nicht: Der Respekt vor den Menschen, die teils alles verloren haben, verbiete es, an diesem Ort etwas zum Wahlkampf zu sagen. Stattdessen machte er Zusagen: „Die Kosten für die Müllentsorgung werden übernommen – vollumfänglich.“ Und neben den Soforthilfen, die bereits gezahlt wurden und werden, strebt er – etwa wie nach dem Oder-Hochwasser – einen per Bundesgesetz verankerten Wiederaufbaufonds an, für dessen Installation er auch einen Zeitplan vorgab.
Laschet alleine zu Besuch
Nachdem der Ministerpräsident bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Katastrophengebiet in Bad Münstereifel und mit Bundesinnenminister Horst Seehofer an der Steinbachtalsperre gewesen war, hieß es nun: Solo für Laschet. Zum Auftakt stand der Besuch bei Pappen Nierfeld auf dem Plan – es ist einer der Betriebe in und um Gemünd, die von der Katastrophe hart getroffen sind. Geschäftsführer Martin Uhlmann ging es im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten in erster Linie gar nicht um sich und seinen Betrieb, der immerhin seit 1875 besteht: „Es ist das menschliche Leid, das so ans Herz geht“, betonte er zur Begrüßung.
Für seinen eigenen Betrieb hoffe er, in zwei bis drei Wochen „die weiße Fahne heraushängen“ und wieder produzieren zu können – wenn denn alles mit den Ersatzteillieferungen so klappt wie geplant. Doch das ist nicht sein Hauptanliegen, sondern: „Wir brauchen großzügige Hilfen von Land und Bund. Und es muss schnell gehen.“ Wenn die Betriebe nicht die Chance haben, so schnell wie möglich wieder an den Start zu gehen, seien Hunderte Arbeitsplätze alleine im Schleidener Tal in Gefahr. Und das könne eine eher strukturschwache Region wie die Eifel kaum verkraften.
Begegnug mit Betroffenen
Bei der nächsten Station in Malsbenden war nicht nur der Besuch des zerstörten Kindergartens Im Wingertchen auf dem Programm, wo die Leiterin Sabine Moitzheim eindringlich schilderte, wie sie und ihr Team versucht hatten, die Kita zu retten, als das Wasser kam. Wie aussichtslos das war, wurde auch klar, als der Tross Laschets ins Innere der Einrichtung wollte. Auf den Öl- und Modergeruch hatte Moitzheim aufmerksam gemacht – da blieb man sicherheitshalber lieber draußen, als der durch die Tür drang.
Begegnungen mit den Betroffenen der Katastrophe fanden nur sehr dosiert statt – zu knapp der Zeitplan, zu schlecht das Wetter: In Malsbenden, wo eigentlich ein Rundgang geplant war, ging ein kräftiger Regenguss nieder. Den hielt einzig Anwohner Heinz Schorn nicht davon ab, das Gespräch mit Laschet zu suchen, ihm zu schildern, wie die Katastrophe den Ort heimgesucht hat, wie man geackert hat, die gröbsten Spuren zu zu beseitigen. Als Laschet ihm zum Abschied mit staatstragender Miene „trotz allem viel Glück“ wünschte, konterte Schorn: „Wie brauchen Geld.“ Gute Worte würden nun gar nichts helfen.
Thema Entsorgung im Fokus
Dass nach der Ankunft in Vogelsang nicht nur die abschließende Pressekonferenz stattfinden sollte, sondern vor allem durch den Eindruck des gigantischen Müllbergs, der sich alleine dort auftürmt, auch das Thema Entsorgung, im Fokus stehen würde, war logisch. Den deren Kosten brennen Landrat Markus Ramers und Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings sowie dessen Amtskollegen so sehr unter den Nägeln. Dass die Kosten „vollumfänglich“ aus dem Wiederaufbaufonds bezahlt werden, sagte Laschet zu. Abgerechnet könne über einen sogenannten vorgezogenen Maßnahmenbeginn bereits im Vorfeld.
Ob das nur für die gigantischen Sperrmüllberge gilt, die nicht nur in Vogelsang, sondern auch an der Strempter Deponie und so vielen Orten im Kreis lagern? Oder auch den Bauschutt, der nun ebenfalls in enormen Mengen anfällt? Dazu sagte Laschet nichts.Das interessiere sie auch, sagten Ramers und Pfennings im Anschluss, als Laschets Konvoi längst wieder Richtung Düsseldorf abgedüst war. So schnell wie möglich versuchen sie nun eine Klärung herbeizuführen. Wobei sie den Ministerpräsidenten gerne auf das „vollumfänglich“ festnageln möchten. Das sei dann auch der Bauschutt, sagte Pfennings. Doch auch dann ist eine logistische Meisterleistung vonnöten, den Müll zunächst zur Deponie zu bringen und dann zur Entsorgung. Ramers machte das anhand von Zahlen deutlich: 35000 Tonnen Müll lagern bereits auf der Deponie, gerade mal 3700 seien in Müllverbrennungsanlagen gebracht worden.
Viel Bürokratie im Spiel
Und schon kommt wieder die Bürokratie ins Spiel: Aus dem Ausland habe der Kreis Angebote erhalten, dass Anlagen Teile des Mülls übernehmen. Aber, so Ramers: Da sind dann auch wieder Zertifikate und Genehmigungen nötig – also alles nicht so einfach. Das Gleiche wird für den Bauschutt gelten, der nicht einfach deponiert oder verbrannt werden darf, um den sich Fachfirmen kümmern. Derer gibt es zwar, etwa in Kall und Mechernich, doch derartige Mengen können die auch nicht bewältigen.
Es sind so viele ganz praktische Baustellen, die die Verantwortlichen zu bearbeiten haben. Doch eine sieht man nicht – und die liegt ihnen ebenso am Herzen. Wie traumatisiert die Menschen und gerade auch viele Kinder sind, haben sie in den vergangenen Tagen erfahren. „Die Kinder haben Angst vor Regen, vor Sirenen, vorm Martinshorn“, berichtete etwa Pfennings. Um an dieser Stelle auch speziell Kindern helfen zu können, stehe er, so Ramers, bereits in Kontakt mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Auch über den LVR könne es Möglichkeiten geben.
Das Stelldichein der Polit-Prominenz in den Katastrophenregionen des Kreises ist mit dem Besuch Laschets noch nicht beendet: Am heutigen Dienstagnachmittag hat sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz angekündigt – der Mann, der nicht nur wie Laschet Bundeskanzler werden will, sondern dessen Ministerium die Schatulle für den Wiederaufbau sehr weit öffnen muss.