Erste HilfeDeutsch-ukrainische Wiederbelebung in Schleidener Fahrschule
Schleiden – Autos mit ukrainischen Nummernschildern gehören seit Ausbruch des Krieges zum Alltag im bundesdeutschen Straßenverkehr. Viele Menschen, die vor den russischen Angriffen flüchten mussten, machten sich im eigenen Auto auf den Weg.
Doch allmählich zeichnet sich ab, dass der Aufenthalt in Deutschland für viele kein kurzer sein wird, sondern sich zu einer längerfristigen Angelegenheit entwickelt. Von Verhandlungen der Kriegspartner geschweige denn der Aussicht auf Frieden ist man leider weit entfernt.
Umschreibung in ein EU-Zertifikat
Und so richten sich die Geflüchteten, so gut es eben geht, in der neuen Umgebung ein. Dazu gehört für viele Ukrainer auch, dass sie weiterhin mobil bleiben – doch nach sechs Monaten in Deutschland muss der Führerschein in ein EU-Zertifikat umgeschrieben werden, das jedoch bestandene Prüfungen in Praxis und Theorie voraussetzt. „Die Ukrainer sind nicht verpflichtet, am Theorie-Unterricht teilzunehmen, viele tun es aber trotzdem und mit großem Interesse“, erzählt Frank Wäbs, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule in Schleiden.
Russisch sprechenden Fahrlehrer im Team
„Zufällig haben wir einen Russisch sprechenden Fahrlehrer im Team“, sagt Wäbs, der diese Ressource als großes Glück bezeichnet. Jeden Freitagvormittag bietet die Fahrschule nun Theorie-Stunden auf Deutsch und Russisch an, was sich in der ukrainischen Community schnell herumgesprochen hat. „Wir gehen davon aus, dass wir zurzeit die Einzigen sind, die das in der Region anbieten“, so der Fahrschulinhaber.
Genauso innovativ und am Nabel der Ereignisse zeigen sich Wäbs und die Herhahner Firma ResQTrain in Sachen Erste-Hilfe-Kurse, die bei der Umschreibung in einen EU-Führerschein Bedingung sind: Am Samstag fand ein erster Kursus statt, bei dem die lebensrettenden Sofortmaßnahmen in Deutsch und Russisch gelernt und praktisch geübt werden konnten.
Theoretische und praktische Prüfung
Ukrainischer Führerschein
Nach Auskunft des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr dürfen Bürgerinnen und Bürger aus der Ukraine, die einen ukrainischen oder einen Internationalen Führerschein besitzen in Deutschland Kraftfahrzeuge der Klassen führen, für die ihr Führerschein ausgestellt wurde.
Gültigkeit erlischt
Doch nach sechs Monaten ununterbrochenen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland verliert die ausländische Fahrerlaubnis ihre Gültigkeit. Geflüchtete, die länger hier leben und ein Kraftfahrzeug fahren wollen, müssen einen entsprechenden EU-Führerschein vorweisen können.
Erste-Hilfe-Kurs ist Pflicht
Da mit der Ukraine kein Anerkennungsabkommen geschlossen wurde, müssen Geflüchtete für die Umschreibung der Führerscheine die hiesige theoretische und praktische Prüfung beim TÜV ablegen. Auch müssen sie den Nachweis über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs erbringen, von denen es aber bislang wenige in ukrainischer oder russischer Sprache gibt. Die Fahrlehrerverbände haben ein Heft mit wichtigen Vokabeln zusammengestellt, die bei den Prüfungen hilfreich sind.
Dozent Andreas C. Pawlak, Geschäftsführer von ResQTrain, zeigte sich begeistert angesichts der Wissbegierde und Lernfreude vor allem der ukrainischen Teilnehmer. „Der heutige Kurs macht echt Spaß, es gibt viel Interaktion“, sagte er am Rande der Veranstaltung.
Zweisprachige Erste-Hilfe-Kurse stark nachgefragt
„Die Resonanz auf das Angebot, das wir über Social Media beworben haben, war riesig“, erzählte Marketing-Manager Alexander Heine. Vor allem die Anfrage einer Ukrainerin, die sieben Stunden Anfahrt in Kauf nehmen wollte, würde den Bedarf solcher zweisprachiger Erste-Hilfe-Kurse verdeutlichen.
Und dann ging es an die praktische Umsetzung des Gelernten: Auf dem Boden zwei Torso-Puppen, an denen Pawlak die Herzdruckmassage erläutert. Die Hände übereinander und mit den Handballen nach unten auf die Mitte des Brustkorbs drücken – Irina Dudnik und Dmytro Borzov machen es nach, während Roman Foos die Anleitung Pawlaks ins Russische übersetzt.
Kursinhalt gibt neue Sicherheit für den Notfall
Die 39-Jährige und der 42-Jährige aus der Ukraine sind hocherfreut. Was sie hier lernen, sei neu für sie und ungemein beruhigend. Erste Hilfe, sagt Dmytro Borzov, sei in ihrer Heimat nur bei Menschen in medizinischen Berufen oder der Feuerwehr Teil der Ausbildung.
Und was mache man, wenn ein Unfall geschehe? Dann helfe man natürlich, so gut man eben könne, versicherte Irina Dudnik, aber der Kurs gebe ihr nun viel mehr Sicherheit, was in einem solchen Falle zu tun wäre.
Gutes Zeugnis für deutsche Verkehrsteilnehmer
Und in einem weiteren Punkt zeigten sich die beiden Kursteilnehmer ebenfalls einig: Auf deutschen Straßen, so Irina Dudnik und Dmytro Borzov, fühlten sie sich sehr wohl. „Hier hält man sich an die Verkehrsregeln, damit kommt man prima zurecht“, so der 39-jährige Ukrainer.
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Weitere Informationen zu den Angeboten für ukrainische Geflüchtete gibt es auf der Facebook-Seite der Firma ResQTrain oder in der Fahrschule Wäbs, Tel. 0 24 45/84 29.