Dany Kemmler ist im Leben selten den geraden Weg gegangen. Jetzt hat die Euskirchenerin eine Einladung als Speakerin nach New York.
Ungewöhnlicher LebenswegDany Kemmler aus Euskirchen hat viele Talente

Dany Kemmler liebt die Herausforderungen, ob bei der Ausbildung zur Höhenretterin oder beim Speaker-Slam.
Copyright: Dany Kemmler
Dany Kemmler will hoch hinaus, sei es auf die Bühne oder auf den Übungsturm der Höhenretter. Gut möglich, dass die gebürtige Euskirchenerin im August als Rednerin bei einem internationalen Symposium in New York spricht. Sie ist eine, die sich durchbeißt, auch oder gerade wenn die Herausforderungen des Lebens ihr selbst eine Nummer zu groß vorkommen. „Ein bisschen gerader hätte mein Weg gern sein können“, sagt die 59-Jährige.
Dabei fing alles ganz bürgerlich an. Vielen Menschen im Kreis dürfte ihr Vater Wolfgang Müller, der vor wenigen Tagen gestorben ist, ein Begriff sein: als eine der treibenden Kräfte für den Erhalt der Bördebahn beispielsweise. Er sei es auch gewesen, der die Technik im ehemaligen Ausweichsitz der Landesregierung in Kall-Urft einst wieder flott gemacht und damit die Voraussetzungen für die Eifeler Radiotage geschaffen habe, erzählt die Tochter. „Er war mein Held“, sagt sie. Und doch ließ sie ihre behütete Kindheit früh hinter sich.

Beim Speaker-Slam überzeugte Dany Kemmler trotz ihres Lampenfiebers.
Copyright: Justin Bockey
Mit 18 Jahren, da hatte sie gerade ihr Abitur an der Marienschule gemacht, zog sie aus, um eine Ausbildung zum EDV-Kaufmann zu machen und wenig später in Karlsruhe ein Informatik-Studium zu beginnen. Ein an sich harmloser Sportunfall warf alles über den Haufen. Das verletzte Knie heilte nicht, wurde nach einem Jahr operiert. Mit dem Ergebnis, dass sie nicht mehr an Krücken ging wie im ersten Jahr nach dem Unfall, sondern im Rollstuhl saß. Mit der vagen Aussicht, vielleicht irgendwann wieder gehen zu können. Aufgeben? Für Dany Kemmler keine Option.
Sie kämpfte sich im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine. Mit zwei Jahren Reha, parallel zum Studium, das sie sich mit einem Halbtagsjob finanzierte. „Ich konnte nicht nur wieder laufen, ich habe auch Turniertanz gemacht und Tennis gespielt“, erzählt die 59-Jährige. Aber das Leben fuhr weiter Achterbahn. Auf die körperliche Krise folgte die seelische. Kemmler bekam Panikattacken.
Die eigenen Bedürfnisse kamen bei Dany Kemmler zu kurz
„Ich hatte immer meine virtuelle Klappcouch dabei, auf der die Platz nahmen, um bei mir ihre Probleme abzuladen“, formuliert sie. Ihre eigenen Bedürfnisse seien dabei zu kurz gekommen. Doch mittlerweile habe sie gelernt, ihr Ding zu machen und trotzdem auf andere zu hören. Während sie in Tübingen an ihrem Informatik-Diplom saß, begann sie, Vorlesungen in Geologie zu hören. Und ist mittlerweile promovierte Geowissenschaftlerin.
Der Arbeitsmarkt für Geologen ist allerdings nicht üppig bestückt. Da musste sie wieder an ihren Vater denken, der angesichts ihrer Studienpläne gefragt hatte: „Willst du studieren oder willst du später einen Job?“ Gefunden hat sie schließlich doch einen, bei der BGE, der Bundesgesellschaft für Endlagerung, in der Schachtanlage Asse. Dort lagert radioaktiver Abfall, allerdings gilt das alte Bergwerk als nicht sicher, der Atommüll muss herausgeholt werden.
Wenn man etwas wirklich will und es probiert, klappt es auch.
Doch ein Job ist der wissensdurstigen Frau nicht genug. Mittlerweile sammelt sie Titel wie andere Leute Briefmarken. Sie ist Hypnosecoach, Zumba-Trainerin, psychologische Ersthelferin. Für die Ausbildung zur Yoga-Trainerin habe sie sich angemeldet, ohne vorher jemals Yoga gemacht zu haben, erzählt Dany Kemmler. „Wenn man etwas wirklich will und es probiert, klappt es auch“, ist sie überzeugt.
Dany Kemmler auf dem Weg zum Speaker-Slam in New York
Ihr Wunsch, Mitglied der Grubenwehr in der Asse zu werden, ging allerdings bisher nicht in Erfüllung. Obwohl sie dafür sogar die Ausbildung zur Höhenretterin gemacht hat. Als einzige Frau unter jungen Männern. Und trotz heftigen Herzklopfens beim Abseilen aus großer Höhe. Dann eben die New Yorker Bühne statt des niedersächsischen Schachts. Irgendwann entdeckte Kemmler ihr Interesse an der Speaker-Szene.
Sie machte einen Kursus bei Hermann Scherer, einem Star der Szene, der mit dem Reden reich geworden ist. Und jetzt noch reicher wird, indem er anderen sagt, wie sie ebenfalls durch das Reden reich werden. Vier Tage dauerte das Seminar, das sie auf vier Minuten vorbereitete. Denn genau so lange hatte sie Zeit, auf der Bühne ihr Publikum zu überzeugen beim Speaker-Slam. Vor dem Auftritt sei sie schrecklich nervös geworden, erinnert sie sich. Und habe sich wieder einmal gefragt, warum sie solche Herausforderungen suche.
Doch dann ging alles ganz leicht. Sie sprach über ihren Unfall und ihren Weg aus dem Tief. Darüber, dass ihr Freund sie damals verlassen hat, weil er nicht „sein Leben mit einem Krüppel verbringen“ wollte. Davon, was man schaffen kann, wenn man an sich glaubt. Und sie war offenbar so gut, dass Scherer ihr den Auftritt in New York anbot. Ihr Erfolgsrezept fasst sie ganz einfach zusammen: „Ich bin einfach nur ich. Ich spiele keine Rolle.“