Sie fordern den raschen Wiederaufbau der Steinbachtalsperre in Euskirchen-Kirchheim – und bitten Minister Oliver Krischer (Grüne) zum Gespräch.
Demonstration800 Teilnehmer bei Lichterzug für die Steinbachtalsperre in Euskirchen
Rund 800 Teilnehmer waren am Samstagabend zum von der Bürgerinitiative „Pro Steinbachtalsperre“ veranstalteten Lichterzug rund um die Steinbachtalsperre gekommen. Es war die zweite Veranstaltung dieser Art nach der Premiere vor zwei Jahren.
Mit ihrer Demonstration fordern sie einen schnellen Wiederaufbau der bei der Flutkatastrophe massiv beschädigten und seitdem leeren Stauanlage. Groß ist das Unverständnis, warum sich die Arbeiten seit gut zweieinhalb Jahren derart verzögern.
Aus diesem Grund wird NRW-Umweltminister Oliver Krischer in den kommenden Tagen Post erhalten: Er wird zur Diskussion mit den Bürgern aus den Orten rund um die Steinbachtalsperre oberhalb von Kirchheim eingeladen. „Wir wollen, dass er einmal mitbekommt, was die Menschen hier vor Ort – und nicht die Politiker – zu den Wiederaufbauverzögerungen an der Steinbachtalsperre sagen“, so Alexander Rheindorf von der Bürgerinitiative.
Bürger möchten Diskussion mit Umweltminister Oliver Krischer
Mit der Gesprächseinladung erhoffen sich die Mitglieder der Initiative, vor allem aber auch mehrere hundert Anwohner aus den unterhalb der Talsperre liegenden Orten – etwa aus dem hart von der Flut getroffenen Schweinheim –, Klarheit darüber, wie es wann weitergeht.
„Ich kann Ihnen sagen, wie es den Schweinheimern geht“, so Rheindorf: „Die Schweinheimer haben Angst. Sie haben gerade alles wiederaufgebaut.“ Teils haben sie sich dafür verschuldet. „Und jetzt sehen sie: Die Staumauer über ihnen hat ein riesiges Loch", fügte der Demo-Organisator hinzu.
Er steht am kleinen Platz vor der Staumauer. Beim Lichterzug war es der Umkehrpunkt zweier vier und sieben Kilometer langer Rundwege für die Teilnehmer, von denen viele LED-Ketten trugen. Was Rheindorf meint, wird allgemein nur „die Scharte“ genannt. Und die sorgte auch an diesem Abend für viel Gesprächsstoff. „Warum war die Scharte, die jetzt die Talsperrenmauer teilt, in so kurzer Zeit fertig. Und warum dauert der Wiederaufbau der Talsperre selbst so lange?“
Das fragte sich zum Beispiel Jörg Schmitz aus Kuchenheim, der mit Ehefrau Nicole zum Lichterzug gekommen war. „Das ist seit den 1980er Jahren das erste Mal, dass die Steinbach trocken ist. Damals wurde das Wasser abgelassen, weil die erste Bitumenschicht an der Staumauer aufgebracht wurde“, erinnert sich Nicole Schmitz.
Wiederaufbau der Talsperre dauert den Demo-Teilnehmern viel zu lange
Persönliche Erinnerungen und Ängste, das einte viele der Teilnehmer. Bei Landwirt Tobias Schlaeger aus Kirchheim überwiegt derzeit der Frust. Er betreibt Gemüseanbau und hält Pferde auf dem Hof und den umliegenden Feldern. Für beides braucht er Wasser. Viel Wasser, das er normalerweise aus der Steinbach nimmt.
Doch in den vergangenen beiden Jahren, eines davon ein ausgesprochenes Dürrejahr, ging das nicht: „Wir mussten Wasser teuer von der Madbachtalsperre bei Queckenberg kaufen, oder sogar das noch teurere Trinkwasser anzapfen.
Er und seine acht Kollegen aus den umliegenden Orten waren mit Traktoren gekommen. Sie leuchteten die Staumauerkrone und den kleinen Platz davor aus. Ein Landwirt fuhr mit seinem Bulldog hinab bis auf den matschig-sumpfigen Talsperrengrund, um eine surreale Szene über ihm direkt auf der Sohle der Scharte auszuleuchten.
Herbert Sodies und sein Sohn Christoph waren, als Quietscheentchen verkleidet, zur Scharte geklettert und entzündeten dort oben jede Menge rote Friedhofskerzen. Herbert Sodies schwenkte wie ein Aktivist alter Schule eine große Fahne.
Das Entchen-Thema vom Karneval auch für die Demo genutzt
„Die Entchen sollen wieder in der Steinbach schwimmen“ skandierte er immer wieder in Richtung der neugierigen Zuschauer am Geländer der Staumauerkrone. Von ungefähr komme das Kostüm in der Fastenzeit nicht, so Bettina Sodies. Man sei so als Fußgruppe aus Anliegern der Kirchheimer Kleiststraße im Rosenmontagszug mitgegangen. Außerdem sei ihr Wohnhaus sozusagen die Keimzelle der Bürgerinitiative.
Bei dieser Demo dabei zu sein war vielen Euskirchenern ein Herzensanliegen. Seit der Schließung des Freibads in den Erftauen in Euskirchen war das Waldfreibad an der Steinbach über Jahrzehnte das einzige Freibad im Euskirchener Stadtgebiet. Doch es kamen auch einige Teilnehmer aus den Nachbarkreisen.
Nicht nur die Menschen, auch ein Schimmel trug LED-Lichterketten. Sein Besitzer führte den Hengst tief in das leere Talsperrenbecken, wo er aus bei abnehmendem Tageslicht gerade noch zu sehen war. Das sei der „Amtsschimmel“ meinten da einige.
Harry Morgenstern, sein Westernhut LED-beleuchtet, ist zwar erst vor kurzem aus Braunschweig nach Kirchheim gezogen. Er kann die Betroffenheit der Anwohner auch gut nachvollziehen, meinte aber: „Es wird ja jetzt sogar ein Erdbebengutachten gefordert, was den Wiederaufbau weiter verzögert. Da will man auf 300-prozentige Sicherheit gehen. Wenn was geschieht, ist sonst das Geschrei groß.“
Andere, Jörg Schmitz aus Kuchenheim etwa, sehen das anders: „Da wird nur die Verantwortung vom einen auf den anderen geschoben. Die Anlage steht seit Jahrzehnten. Jetzt soll sie auf einmal auf Erdbebensicherheit untersucht werden. Warum?“
Lichterzug-Teilnehmer vermissen ihr Naherholungsgebiet bei Euskirchen
Viele vermissen die Steinbach als Naherholungsgebiet. Moni und Susi aus Euskirchen und Iversheim etwa. Ihnen fehlen das Freibad und die schöne Terrasse des Restaurants mit Seeblick. Könne man da nicht eine Zwischenlösung schaffen und die Gastronomie vorzeitig wieder öffnen?
Ein paar Meter weiter sah das eine Clique aus der Siedlung Eulenhecke ähnlich. „Wir wohnen ja am nächsten an der Talsperre und haben das Drama am 14. Juli 2021 und seitdem jeden Tag mitbekommen“, so Daniela. Dennoch gehe man weiterhin mit dem Hund die Runde um die Talsperre – die wegen der Scharte nur eine halbe ist – oder man jogge, oder spaziere einfach los.
„Wir würden einen Obolus dazutun, wenn man endlich einen Steg oder eine Behelfsbrücke über das Loch in der Staumauer bauen würde“, versprach Birgit. Derweil wurde Maxi kurz melancholisch – auch wenn das auch damals vermutlich schon verboten war: „Ich bin damals mit meinem ersten Freund auf der zugefrorenen Steinbach Schlittschuh gelaufen ...“