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Nur Whirlpool bleibt ein WunschDie Jugendvilla ist ein Treffpunkt der Euskirchener Jugend

Lesezeit 6 Minuten
Erwachsene Spielen mit Kindern Karten an einem Tisch.

Täglich sind zahlreiche Jugendliche in der Jugendvilla Euskirchen zu Gast und spielen beispielsweise Karten

Von der ersten Liebe bis zu schwierigen Themen des Erwachsenwerdens bietet die Jugendvilla Euskirchen seit 2011 Ansprechpersonen.

Die Jugendvilla der Caritas in Euskirchen ist der Schmelztiegel der jungen Generation. Dort hat sich eine ukrainische Jugendliche, die vor Krieg und Gräueltaten flüchten musste, in einen Jungen aus Syrien verliebt. Auch er musste vor den Bomben flüchten. Die Liebe überwindet (kulturelle) Grenzen. Das geteilte Schicksal vereint, lässt Wolken rosarot erscheinen.

Die Jugendvilla in der Alten Gerberstraße ist aber auch Zufluchtsort, wenn es in der eigenen Familie nicht rundläuft. „Zu Hause ist es gerade nicht immer gut. Deshalb bin ich gerne hier“, sagt der zwölfjährige Julian.

Er ist einer von etwa 70 Jugendlichen, die täglich das Angebot der Jugendvilla annehmen – sei es um Musik zu hören, Playstation zu zocken, zu kochen oder Sport zu machen.

Jugendvilla in Euskirchen ist der Schmelztiegel der jungen Generation

Seit 2011 gibt es die Jugendvilla in der jetzigen Form in der Alten Gerberstraße, früher stand dort eine Schützenhalle. Gebaut hat sie die Eugebau, mit Leben gefüllt, wird sie von der Caritas. Es sind Einrichtungskoordinator Pascal Steinberger und die Caritas-Mitarbeiter Dominik Rang sowie Alexander Zimmer – und vor allem die jungen Gäste, die die Jugendvilla in ein überdimensionales Kinderzimmer verwandeln.

Ein Backsteingebäude trägt ein Schild mit der Aufschrift „Jugendvilla“.

Dort, wo nun bis zu 100 Kinder und Jugendliche täglich ein- und ausgehen, stand zuvor eine Schützenhalle.

Ein Kinderzimmer, das fast alles hat, was junge Herzen begehrt. „Den einzigen Wunsch, den wir nicht umgesetzt haben, ist ein Whirlpool“, sagt Cilly von Sturm, Bereichsleiterin Kinder, Jugend, Familie und Senioren bei der Caritas. Man habe bei der Konzeption vor mehr als zehn Jahren die Wünsche der Kinder und Jugendliche abgefragt und umgesetzt – zumindest eben größtenteils, sagt von Sturm.

Von den Flutschäden, die das Hochwasser am 14. Juli 2021 in und an dem Gebäude verursacht hat, ist nichts mehr zu sehen. Nur wenige Monate nach der Katastrophe hatte die Jugendvilla wieder geöffnet – auch um den Jugendlichen ein Stück heile Welt vermitteln zu können.

Betreuer kümmern sich auch um das Einhalten der Hausregeln

Wie vielerorts hat die Caritas in Rücksprache mit der Eugebau die Jugendvilla im Zuge des Wiederaufbaus ein bisschen umgestaltet. So ist aus dem Computerraum ein Werkraum geworden. Was allerdings auch mehr als drei Jahre nach der Flut noch fehlt, ist der Whirlpool.

Rang, Steinberger und Co. sind aber nicht nur eine Art ältere Brüder, sie können auch durchgreifen und schon mal ein Hausverbot aussprechen, wenn sich jemand nicht an die Jugendvilla-Regeln hält. Dazu gehört beispielsweise, dass auf dem gesamten Gelände ein Alkohol- und Rauchverbot gilt. Auch Gewalt und sexuelle Übergriffe haben ein Hausverbot zur Folge. Dass dies umgesetzt werden muss, „kommt schon mal vor“, erklärt Rang.

Ein Zettel, der an eine Wand geklebt wurde, ist mit einem Verbot des Verzehrs von Sonnenblumenkernen beschriftet.

Leere Sonnenblumenkerne führen häufig zu Ärger.

Ein Ärgernis, das aus Sicht der Caritas überhandgenommen hat, sind die leeren Sonnenblumenkerne auf dem Gelände der Jugendvilla. Entsprechend haben die Mitarbeiter Zettel aufgehängt, die den Verzehr von Sonnenblumenkernen untersagen. „Seitdem läuft es ein bisschen besser“, so Steinberger.

Unterschiedliche Kulturen kommen gut miteinander aus

Und wie klappt das Miteinander der unterschiedlichen Kulturen in der Jugendvilla? „Gut“, lautet das einhellige Fazit der Caritas-Mitarbeitenden. Natürlich gebe es schon mal negative Ausreißer, aber das gehöre in dem Alter einfach dazu. Aber es gebe auch einen sehr positiven Ausreißer.

So habe sich in der Jugendvilla die erste große Liebe zwischen einem ukrainischen Mädchen und einem syrischen Jungen entwickelt. Und das, obwohl es laut den Caritas-Mitarbeitern kaum Berührungspunkte zwischen den beiden Gruppen im Jugendvilla-Alltag gebe. „Die jungen Syrer und Afghanen suchen den Kontakt zu uns, sind gewillt, die Sprache zu lernen. Die ukrainischen Jugendlichen sind eher unter sich und suchen nicht den Kontakt zu uns oder den anderen. Wahrscheinlich, weil sie perspektivisch hier nicht ihren Lebensmittelpunkt sehen“, sagt Steinberger.

Smartphones werden zur Übersetzungshilfe

Die Kommunikation untereinander und mit den Betreuern läuft zu Beginn oft mithilfe des Smartphones und eines digitalen Übersetzungsprogramm ab. Die moderne Technik lasse Sprachbarrieren überspringen. Allerdings, so Steinberger, würden die Jugendlichen angehalten, aktiv Deutsch zu sprechen und beispielsweise „Ich muss auf die Toilette“ nicht vom Smartphone vorgelesen werden soll.

In einem Raum mit Sofas, Tischkicker und Billardtisch ist eine Wand mit Grafiti besprüht.

Einige Räume der Jugendvilla sind mit bunten Graffiti verziert.

So praktisch das Smartphone mitunter sei und so sehr es zum Alltag der Jugendlichen gehöre, so berge es auch manche Gefahr. „Wir führen immer wieder Gespräche mit den Jugendlichen und erinnern sie daran, dass das Smartphone nicht ungefährlich ist“, sagt Dominik Rang: „Da gehört auch Aufklärungsarbeit dazu – beispielsweise, wenn es darum geht, dass ein Bild auf dem Handy zwar gelöscht, im Internet aber noch zu finden ist.“

Fall von Cybermobbing rief in Euskirchen die Polizei auf den Plan

In den Gesprächen gehe es um TikTok, um Social-Media-Challenges (beispielsweise extrem scharfe Chips zu essen) oder um Cybermobbing. „All das ist natürlich ein Thema. Wir sind nicht so blauäugig und denken, dass das Thema mit Betreten der Jugendvilla endet“, sagt Bereichsleiterin Cilly von Sturm. Sie könne sich an einen Fall von Cybermobbing erinnern, bei dem sogar die Polizei eingeschaltet werden musste, berichtet sie.

„Wenn man an Grenzen stößt, gibt es immer Ansprechpartner, an die wir uns wenden können“, sagt Steinberger. Auch auf das interne Caritas-Netzwerk sei Verlass – beispielsweise, wenn das Thema Schwangerschaft unter den Jugendlichen aufploppe, ergänzt von Sturm. Dann sei es überhaupt kein Problem, die Schwangerschaftsberatung der Caritas in die Jugendvilla einzuladen. Nicht selten dabei: lebensechte Puppen, die in Pflege- und Zeitaufwand den Bedürfnissen eines Säuglings entsprechen und so verdeutlichen, was es bedeutet, ein Kind zu haben.

Die Jugendvilla in Euskirchen ist auch ein Ort für Spiele aller Art

Doch es geht in den Räumen mit den vielen bunten Graffiti, den gemütlichen Sofas und Sitzsäcken nicht nur um die schweren, die ernsten Themen in der Welt der Jugendlichen. Manchmal geht es auch einfach nur darum, eine Partie Tischtennis zu spielen oder das Caritas-Team in einer Runde „Durak“ abzuzocken. Das russische Kartenspiel ist gerade in der Jugendvilla der letzte Schrei – oder wie die Jugendlichen es formulieren. „Es vermittelt einen gemütlichen Vibe.“

Die Arbeit der Caritas beschränkt sich mit den Kindern und Jugendlichen – die Einrichtung steht der Altersgruppe 6 bis 21 offen, die Kernzielgruppe ist aber 12 bis 18 – nicht nur auf die Jugendvilla selbst. Auch außerhalb des Hauses wird viel unternommen – etwa eine Fahrt ins Phantasialand unternommen. Oder der eigene kleine Garten gepflegt. Ein echtes Highlight sei aber immer das „Spätaufsteher-Frühstück“. Dafür kaufen die Jugendliche selbst ein und decken den Tisch. Was dabei nie zu kurz kommt: der Vibe.


Öffnungszeiten

Die Jugendvilla der Caritas in Euskirchen hat folgende Öffnungszeiten: Montag, Dienstag 13 bis 20 Uhr. Mittwoch, Donnerstag 14 bis 20 Uhr. Freitag 13 bis 21 Uhr. Samstag 13 bis 22 Uhr. Das Jugendzentrum befindet sich in der Alten Gerberstraße 22 in Euskirchen. Sie können sich hiervon auf der Webseite der Jugendvilla ein genaueres Bild machen.