Der Leitende Pfarrer aus Euskirchen hat mehr Follower auf Instagram als das Erzbistum. Auch hat er ganz irdische Probleme zu lösen.
Reisen und KarnevalEuskirchener Pfarrer will auf Instagram zeigen, „wie die Kirche ist“
1594 Follower hat Tobias Hopmann aktuell auf Instagram. Auf den ersten Blick ist das eine überschaubare Anzahl an „Schäfchen“. Auf den zweiten Blick folgen dem Euskirchener Pfarrer auf dem Sozialen Netzwerk aber mehr Menschen als dem Erzbistum Köln.
Während beim Erzbistum das Instagram-Profil von Profis betreut werden dürfte, managt Euskirchens Leitender Pfarrer seinen Auftritt ganz alleine. Und er macht das, was die meisten Nutzer auf Instagram machen: Er lässt – wohl größtenteils fremde Menschen – an seinem Leben teilhaben.
Euskirchen: Pfarrer will die menschliche Seite der Kirche zeigen
Den Großteil der Katholiken in Euskirchen erreiche er nun mal nicht mithilfe von Gottesdiensten. „Das ist nur ein Prozentsatz, der regelmäßig kommt“, so Hopmann. Und die anderen erreiche er erst gar nicht persönlich. „Und alle bekommen einen Eindruck von Kirche nur über mediale Berichterstattung. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen erleben, wie die Kirche vor Ort ist. Das ist das, was für die Leute wichtig ist“, sagt Hopmann im Gespräch mit dieser Zeitung.
Für ihn sei Instagram ein Medium, um mehr Leute zu erreichen. Als Influencer für die katholische Kirche sehe er sich aber nicht – das wolle er auch gar nicht sein. Er will viel lieber das sein, was aus seiner Sicht einen guten Pfarrer ausmacht: Mensch sein. Entsprechend menschlich ist auch sein Instagram-Profil gestaltet.
Ein Foto von einer Reise nach New York hier, ein Foto als Regimentspfarrer der Euskirchener Prinzengarde da. „Es bringt nichts, wenn ich jeden Tag ein frommes Bibelzitat bringe und eine theologische Auslegung dazu. Das ist too much“, sagt der Leitende Pfarrer, der seit gut zwei Jahren in Euskirchen tätig ist. Die Menschen wollen ihm zufolge „einfach mitgenommen werden“.
Er habe schon oft mitbekommen, dass die Bürger ein Bild von Kirche und Priestern hätten, das mit der Realität relativ wenig zu tun habe. „Manche Menschen sind sogar überrascht, dass ich einkaufen gehe. Ich stehe aber doch nicht in der Küche, schnipse und das Essen steht auf dem Tisch“, so Hopmann.
Und weil er nicht nur Pfarrer, sondern eben auch Mensch sei, nehme er die Menschen mit durch seinen Alltag. Auf dem Instagram-Profil mit dem Namen „pfarrer.eu“ gibt es beispielsweise ein Foto zu entdecken, das Hopmann mit der sogenannten Landsknechtstrommel bei der Sessionseröffnung auf dem Alten Markt in Euskirchen zeigt. Neben ihm stehen Landrat Markus Ramers (Becken) und Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt (Decke Trumm).
„Bei der Prinzengarde waren ein paar Musiker ausgefallen. Da ist es doch selbstverständlich, dass ich aushelfe. Ich bin ja schließlich auch Regimentspfarrer der PG“, so Hopmann. Karneval und Kirche schließen sich nicht aus – im Gegenteil. Und weil bekanntlich doppelt besser hält, ist er nicht nur im Euskirchener Fastelovend aktiv, sondern auch in Köln.
Dort ist Hopmann im Traditionskorps Jan von Werth ebenfalls Regimentspfarrer, der bei den Grün-Weißen allerdings Feldkaplan heißt. „Das macht ebenfalls viel Spaß und ist ein netter Ausgleich zu meinem Alltag“, sagt er. Und da das zu seinem Leben dazugehöre, sei es eben auch Teil seines Instagram-Profils.
Doch wie findet man die richtige Ansprache, welches Bild wählt man aus? „Es muss authentisch sein. Ich finde es immer störend – ein paar solcher Fälle habe ich erlebt –, wenn ein Priester aus der Sakristei herauskommt und ein völlig anderer Mensch ist“, so Hopmann: „Es geht nicht darum, ein frommes Schauspiel aufzuführen.“ Das gelte für Instagram, aber auch für die Messe.
Hopmann: „Die Liturgiefeier muss zu dem Menschen passen. Dazu gehören auch kleine Gesten. Es muss stimmig sein. Natürlich ist man in einer Rolle, aber auch immer noch Mensch. Glauben und Leben gehören zusammen. Das trennt man nicht.“
Die Katholische Kirche in Euskirchen wird neu strukturiert
Dass sich die Kirche auf Instagram präsentiert, und das von ihrer menschlichen Seite, war vor einigen Jahren noch undenkbar – allein schon aus technischen Gesichtspunkten. Kirche habe sich aber auch in anderen, analogen Bereichen gewandelt, so der Pfarrer. Auch in Euskirchen.
So sind aus den Pfarreien zunächst Seelsorgebereiche und nun Pastorale Einheiten geworden. Und die führe man ganz anders als eine Pfarrei, sagt Hopmann: „Wir können vor der Gegenwart nicht die Augen verschließen und so weiter machen wie 1980. Wir können das nicht einfach aussitzen. Der sinnvollste Weg ist, jetzt die Weichen zu stellen, sonst werden wir der Nachfolgegeneration nicht gerecht.“
Fürs neue Jahr werde die große Frage in der Pastoralen Einheit sein: Wie ist die rechtliche Struktur? „Wir haben eine rechtliche Grundlage, die zur aktuellen Situation nicht passt“, erklärt Hopmann. Als er nach Euskirchen kam, habe es Caritaskassen für jede Pfarrei gegeben. Wenn am Pfarrbüro jemand geschellt habe, weil er Hilfe benötigte, habe Hopmann erst mal schauen müssen, in welcher Straße derjenige wohne. „Das geht doch nicht, wenn wir eine Einheit sind“, so der Pfarrer.
Das Problem sei mittlerweile gelöst. „Wir bestehen aus 16 Pfarreien und drei Kirchengemeindeverbänden. Das heißt, intern müssen wir uns anders aufstellen“, sagt er. Allein Kaffee kaufen verursache einen enormen Verwaltungsaufwand. Hopmann: „Wir müssen die Verwaltungsarbeit verschlanken, damit wir nicht so viel Zeit in Dinge investieren müssen, die den Menschen vor Ort nicht interessieren.“
Die Zusammenlegung der drei Seelsorgebereiche Stadtpfarrei St. Martin, Bleibach-Hardt und Erftmühlenbach zur Pastoralen Einheit habe eine weitere Herausforderung und Umstellung mit sich gebracht, berichtet Hopmann: „Deshalb haben wir den Satz ,Das haben wir doch schon immer so gemacht' aus unseren Köpfen gestrichen.“ So habe man eine neue Gottesdienstordnung für alle 22 Kirchen und Kapellen entwickeln müssen, erklärt Hopmann. Und die Umstrukturierungen seien noch lange nicht abgeschlossen. Es werde sie auch bei Taufen, Firmungen und der Erstkommunion geben.
Erstkommunion in Euskirchen wird neu gestaltet
Gerade mit Blick auf die Erstkommunion sei es nicht möglich, die Reform übers Knie zu brechen, sagt Hopmann. Es sei vielmehr ein Prozess, der Zeit benötige und wahrscheinlich selbst nach intensiven Überlegungen nicht abgeschlossen sei. Daher habe er sich entschlossen, die Erstkommunionvorbereitung fürs Jahr 2024 zu verändern. „Falls jemand den Wunsch hat, dass sein Kind mit zur Kommunion geht, ist das kein Problem. Wir bieten den Familien eine verkürzte Vorbereitungsphase an, die inhaltlich allerdings nicht abgespeckt sein wird“, versichert der Leitende Pfarrer, der aus einer überwundenen, schweren Krankheit viel Kraft schöpft.
„Vor vier Jahren hatte ich eine Krebserkrankung, die ich mit sehr guter Fügung überlebt habe. Wäre nicht so viel Fügung dabei gewesen, wäre ich vor allerspätestens zwei Jahren beerdigt worden. Seitdem kann ich mit vielen Belastungen besser umgehen, denn alles, was seit zwei Jahren hinzukommt, ist so oder so Zugabe.“
Und was wünscht sich Hopmann für das gerade begonnene Jahr? „Dass wir im Prozess des Zusammenwachsens vorankommen – in einem guten Miteinander, mit einer respektvollen Offenheit uns zu fragen, was uns für die Zukunft hier in Euskirchen wichtig ist. Dabei geht es nicht darum, den Glauben zu konservieren, sondern darum, wie wir ihn weitertragen und lebendig machen können.“
Und wer Hopmann kennt, weiß, dass dieser Prozess auf seinem Instagram-Account nachzuverfolgen sein wird. Vielleicht sogar auf TikTok? „Das muss man dann mal überlegen. Auch, weil es viel Kritik gibt, beispielsweise beim Datenschutz“, so der Katholik.