Die Stiftung Marien-Hospital Euskirchen soll um 6,6 Millionen Euro betrogen worden sein. Anonyme Hinweise führten zu einem Gerichtsprozess.
ProzessKripo-Beamter beschreibt Ermittlungen zu mutmaßlichem Millionenbetrug in Euskirchen
Es waren anonyme Hinweise, die die Sache ins Rollen gebracht haben sollen. Sie haben letztendlich dazu geführt, dass sich der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung Marien-Hospital, der seit mehr als zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt, sowie der ehemalige technische Leiter der Stiftung und ein Bauunternehmer seit vergangener Woche vor dem Landgericht Bonn verantworten müssen. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, als Bande die Stiftung um rund 6,6 Millionen Euro geschädigt zu haben – per Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue beziehungsweise der Beihilfe dazu.
Mögliche Steuerunregelmäßigkeiten brachten das Verfahren ins Rollen
Nachdem der ehemalige technische Leiter ein Teilgeständnis abgelegt, der Anwalt des Bauunternehmers Fehler seines Mandanten eingeräumt – jedoch nicht in dem Maße, wie es in der Anklage steht – und der ehemalige Geschäftsführer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch seinen Anwalt bestritten hatte, ging es in der Verhandlung am Montag in die Zeugenbefragung.
Begonnen wurde diese mit dem ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei Bonn, damit er, wie es der Vorsitzende Richter Thomas Poell formulierte, dem Gericht „einen Blick aus der Vogelperspektive“ gibt. Im März 2023 habe er die Akte von der Staatsanwaltschaft erhalten, so der Kripomann.
Er gab vor Gericht an, dass seiner Tätigkeit in dem Fall Hinweise auf mögliche Steuervergehen des damaligen Geschäftsführers vorausgegangen waren. Zudem habe es anonyme Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben, die das Geschäftsverhältnis des früheren Geschäftsführers der Stiftung und ein weiteres Unternehmen betreffen. Gegen dessen Leitung werde gesondert ermittelt, eine Anklage ist bislang nicht erhoben. Wie der Kripobeamte aussagte, ging es in diesen Hinweisen darum, dass der Geschäftsführer auf die Nutzung des Patientenfahrdienstes dieser Firma im Hause intensiv hingewirkt habe.
Drei Männer als Angeklagte vor dem Bonner Landgericht
Zudem soll er, so die damaligen Hinweise, die Mitarbeiter der Stiftung mit Nachdruck aufgefordert haben, ihre für die Arbeit notwendigen Corona-Tests in einem bestimmten Testzentrum vornehmen zu lassen. Zudem gab der Polizist an, dass den anonymen Hinweisen zufolge diese Leistungen überhöht abgerechnet worden seien.
Ob das alles stimmt, müssen weitere Ermittlungen und gegebenenfalls Prozesse ergeben. Im Laufe dieser Ermittlungen, in deren Rahmen im Sommer 2023 auch Telefonate abgehört wurden, seien die Beamten unter anderem auf die Namen der beiden weiteren Angeklagten gestoßen, berichtete der Polizist.
Die Ermittlungsergebnisse hätten dann zu einer „umfangreichen Durchsuchungsaktion“ am 17. Oktober 2023 geführt – unter anderem in der Stiftung, im Büro des technischen Leiters, in der Firma des angeklagten Bauunternehmers und in der Privatwohnung des Mannes, der bis Juni 2023 Geschäftsführer der Stiftung war.
Kripo-Beamter: Stiftung Marien-Hospital hatte eigenen Ermittler engagiert
Bei der Durchsuchung in der Stiftung, so der Kripobeamte, sei auch ein Privat-Ermittler zugegen gewesen, den die Stiftung Marien-Hospital beauftragt habe, um mögliche Unregelmäßigkeiten in der Vergangenheit zu klären. Der sei in der Folge viermal von der Kripo vernommen worden, so der Polizist weiter. Bereits am Tag nach der Durchsuchung habe der Privat-Ermittler Ergebnisse per Power-Point der Polizei präsentiert. Das interessierte die Verteidigung sehr.
Denn bereits am ersten Verhandlungstag hatte Dr. Alexander Paradissis, der Verteidiger des ehemaligen Geschäftsführers, die Staatsanwaltschaft heftig kritisiert: Die Anklage fuße in weiten Teilen auf den Ergebnissen dieses Ermittlers – also auf Ermittlungen, die das mutmaßliche Opfer, die Stiftung, in Auftrag gegeben habe. „Die Vorwürfe in der Anklage“, so Paradissis, „stammen im Großteil jedenfalls nicht von einer staatlichen Ermittlungsbehörde.“
Verteidiger kritisieren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Der Kripobeamte erklärte auf Nachfragen der Verteidigung des Ex-Geschäftsführers, dass die Polizei die Ergebnisse des privaten Ermittlers erhalten, diese überprüft und eigene Ermittlungen vorgenommen habe. Von einer „Zusammenarbeit“ könne keine Rede sein. Schließlich habe die Kripo zudem die beschlagnahmten Unterlagen ausgewertet, weitere Zeugen und Gutachter gehört.
Eine weitere Frage hatte Dr. Johannes Zimmermann, der Rechtsanwalt des Bauunternehmers, an den Polizisten: Hätte sein Mandant bei der Durchsuchung seiner Firma am 17. Oktober 2023 nicht schon als Beschuldigter gelten müssen? Und wenn ja, warum sei er dann nicht rechtlich darüber belehrt worden, dass alles, was er sage, gegen ihn verwendet werden könne? Zimmermann beantragte am Montag, drei weitere Kripobeamte als Zeugen zu laden, damit geklärt werde, warum sein Mandant nicht als Beschuldigter belehrt worden sei.
Der Prozess soll am 22. November fortgesetzt werden.