Ein 50-jähriger Großvater aus Euskirchen muss sich vor dem Landgericht Bonn wegen versuchten Totschlags verantworten.
Prozess in BonnEuskirchener soll Polizisten verletzt und mit Barhocker attackiert haben
![Der Angeklagte wird von einem Justizbediensteten in den Sitzungssaal des Bonner Landgerichts gebracht. Er verbirgt sein Gesicht hinter einem silberfarbenen schmalen Koffer, neben ihm sitzt sein Anwalt in schwarzer Robe.](https://static.ksta.de/__images/2025/02/04/d5c349ed-57fe-45f9-bcb6-55a8303d89b2.jpeg?q=75&q=70&rect=0,397,3561,2003&w=2000&h=1348&fm=jpeg&s=86673d025d1ea744c6f03220ee03ab66)
Auch in der Hauptverhandlung vor dem Bonner Landgericht zeigte sich der Angeklagte recht renitent.
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Am Morgen des 11. Juli 2024 fuhr eine Mitarbeiterin der Ambulanten Hilfe des Kreisjugendamtes Euskirchen zu einem Einfamilienhaus im Stadtgebiet Euskirchen, in dem eine Großfamilie lebte. Die Frau wollte zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit nach einem neun Monate alten Jungen sehen, von dem die Behörde nicht wusste, ob es ihm gut geht. Das Familienoberhaupt, ein heute 50 Jahre alter Sozialhilfeempfänger, ließ aber gar nicht mit sich reden, sondern setzte die Mitarbeiterin des Kreises vor die Tür.
In der Folge eskalierten die Ereignisse, die Polizei wurde gerufen, zwei Beamte und auch der randalierende Großvater wurden verletzt. Jetzt muss er sich wegen versuchten Totschlags, zweier gefährlicher Körperverletzungen und schweren Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor einem Schwurgericht des Bonner Landgerichts verantworten.
Der Euskirchener hat bereits zahlreiche Vorstrafen
Der Mann hat einschlägige Erfahrungen mit der Justiz und sich gegenüber ihren Vertretern, ob dem Richter oder auch seinem Verteidiger, eine kräftige Portion Renitenz bewahrt. So blieb er sitzen, als der Saal sich beim Eintreten der Kammer erhob. Als der Vorsitzende Richter Michael Nehring die Personalien des Angeklagten – „geboren am 28. Oktober 1974 in Wanne-Eickel“ – verlas und fragte, ob das stimme, antwortete er hinter vorgehaltener Hand: „Keine Angaben.“ Wenig später kommentierte er brummend eine Feststellung des Richters mit dem Satz „Macht doch, wat ihr wollt!“, um dann kurz vor der Pause eine wüste Schimpftirade gegen jedwede Polizisten loszulassen.
Der Euskirchener hat massive Vorstrafen eingesammelt: Das Bundeszentralregister listet 34 Eintragungen auf, die erste wegen Diebstahls im Jahr 1991, da war er 17. Es folgen unter anderem Fahren ohne Führerschein, Fischhehlerei – er hatte ohne Angelschein gefangene Fische verkauft –, Raub, Drogenhandel, Urkundenfälschung, Verstoß gegen die Versicherungspflicht von Kraftfahrzeugen, vollgepumpt mit Drogen auf dem Mofa, Beleidigung und Widerstand gegen Polizisten.
Es gab kaum ein Jahr, in dem er nicht auf einer Anklagebank der Amtsgerichte von Euskirchen oder Rheinbach saß, immer wieder Bewährungsstrafen kassierte, die erst verlängert, dann widerrufen wurden, weil er wieder straffällig geworden war, so dass er doch ins Gefängnis kam.
Mitarbeiterinnen des Jugendamts baten um Polizeischutz
Da er zum Prozessauftakt weder zur Sache noch zur Person Auskunft geben wollte, ist die Kammer auf Akten angewiesen, die verlesen wurden. Danach hat er eine Sonderschule besucht, keine Berufsausbildung gemacht, die gesamte Familie ist auf Stütze angewiesen. Seit 25 Jahren lebt er mit einer Frau zusammen. Sie haben mehrere gemeinsame Kinder, darunter zwei Töchter. Eine davon ist die Mutter des Säuglings. Alle wohnen unter einem Dach.
Am Tattag, dem 11. Juli, das ergaben erste Zeugenaussagen, informierte die Mitarbeiterin der Ambulanten Hilfe nach ihrem Rauswurf zwei Kolleginnen des Jugendamtes darüber, dass in der Familie eine Kindeswohlgefährdung vorliege. Die beiden Sozialpädagoginnen wollten das Baby abholen und in eine Pflegestelle bringen, baten aber wegen des renitenten Großvaters um Polizeischutz.
Der Angeklagte soll mehrere Polizisten verletzt haben
Zusammen mit vier Polizisten des Bezirksdienstes fuhren die beiden Frauen gegen 13.30 Uhr zu der Adresse, wo der 50-Jährige gerade im Garten arbeitete. Er empfing den Besuch wütend, schrie einen Polizisten an, „Dich kenne ich, du willst mich provozieren“, und warf einen Gegenstand in Richtung der sechs Leute, traf aber niemanden.
Laut Anklage schlug er dann zwei Beamte mit der Faust ins Gesicht und auf den Kopf, so dass einer hinfiel. Der Angeklagte soll daraufhin einen Barhocker aus Holz und Metall gegriffen und versucht haben, ihn auf den am Boden liegenden 60-Jährigen zu schmettern. Der Stuhl verfehlte nur knapp seinen Kopf.
Die Staatsanwältin geht davon aus, dass der Mann den Tod des Polizisten „billigend in Kauf genommen“ hat. Schließlich gelang es den Beamten, den rasenden Großvater zu Fall zu bringen. Er konnte sich jedoch aus den Handschellen befreien und mit der Fessel den dritten Polizisten am Hinterkopf verletzen. Die Mitarbeiterin des Jugendamts erzählte als Zeugin, alle an der Schlägerei beteiligten Männer hätten geblutet. Inzwischen war Verstärkung eingetroffen, die den 50-Jährigen überwältigte.
Der Säugling wurde noch am gleichen Tag in eine Pflegefamilie gebracht, in der er einen Monat lang blieb. Inzwischen befindet er sich wieder in der Obhut seiner Mutter, die beim Großvater ausgezogen ist und vom Jugendamt betreut wird.