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„Stark für Kinder“Euskirchener Verein sammelt 35 000 Euro in drei Wochen

Lesezeit 4 Minuten

Mit einem Teil der Spendengelder sind bereits zahlreiche Spielsachen gekauft worden.

Kreis Euskirchen – Michael Schlögel ist ein Kraftpaket. Wenn der Weltrekord-Inhaber im einstündigen Schrägbankdrücken aber an die elfjährige Samatha denkt, kommen ihm die Tränen. Dann werden nicht nur die Muskeln des Mannes weich, der auch schon mal innerhalb von 180 Minuten ein Gesamtgewicht von 100 000 Kilo drückt, sondern auch das Herz.

Der Grund für die Tränen bei Schlögel: Die Elfjährige ist vor einiger Zeit an einem Krebsleiden gestorben. „Die Erkrankung hat die Familie derart finanziell ruiniert, dass sie sich eine würdevolle Beerdigung für ihre Tochter nicht leisten konnte“, erzählt der 44-Jährige. Der Kontakt zur Familie sei nach dem Tod nie abgebrochen. Daher sei es selbstverständlich, dass Samathas Schwester in diesem Jahr wieder einen Wunschzettel schreiben durfte.

35 000 Euro in drei Wochen

Denn Schlögels Engagement für bedürftige Kinder ist nach dem Schicksalsschlag nicht abgeebbt. Im Gegenteil: Allein in den vergangenen drei Wochen hat er für seinen Verein „Stark für Kinder“ mehr als 35 000 Euro an Spenden gesammelt – und dafür 14 000 Schoko-Nikoläuse als Dank an die Spender zurückgegeben. „Wer mindestens zwei Euro gespendet hat, hat dafür ein süßes Dankeschön erhalten“, sagt Schlögel, der den Verein „Stark für Kinder“ vor drei Jahren gegründet hat.

Die Wunschzettel werden an die Geschenke geheftet.

Der 44-Jährige leitet hauptberuflich ein Fitnessstudio in Euskirchen und kümmert sich den Rest des Tages um die kleineren und größeren Wünsche der Kinder, die in der Vereinsdatenbank erfasst sind. Ziemlich genau vier Wochen vor Heiligabend dreht sich fast alles um die zahlreichen Weihnachtswünsche, die eingegangen sind.

Hilfe nicht nur an Weihnachten

Das Christkind für mehr als 40 Kinder aus dem Kreis heißt seit drei Jahren Carolin Thiel und der Weihnachtsmann Michael Schlögel. „Natürlich geben wir das gesammelte Geld nicht komplett für Weihnachtsgeschenke aus. Das wäre völlig deplatziert. Das Geld soll den Familien das ganze Jahr über zugute kommen“, sagt Schlögels Partnerin Thiel: „Den Familien fehlt oft das Geld, um mit ihren Kindern im Sommer ein Eis zu essen. Auch dann helfen wir gerne.“ Das Duo habe sich in jedem einzelnen Fall von der Bedürftigkeit der Familien überzeugt.

Villa Kunterbunt

In fünf Jahren möchte Michael Schlögel in Euskirchen eine Art Villa Kunterbunt eröffnen – einen Rückzugsort für Kinder und Jugendliche, der rund um die Uhr geöffnet hat. Das Klientel soll pädagogisch betreut werden, vor allem aber einfach Kind sein dürfen. „Das Ganze soll völlig unbürokratisch und ohne große Hemmschwelle sein“, erklärt der Vorsitzende des Vereins „Stark für Kinder“: „Wer mich kennt, weiß, dass das verrückt klingt, aber ich alles dafür tun werde.“ (tom)

Oft komme der Erstkontakt durch die Caritas, die Diakonie, den LVR oder auch die Hilfsgruppe Eifel zustande. „Wir lassen uns die Bedürftigkeit auch bescheinigen. Allein schon, damit die Familien rechtlich auf der sicheren Seite sind“, so Schlögel: „Was bringt es, wenn wir den Kindern etwas kaufen, und das dann von den Ämtern als Wertgegenstand eingestuft wird und sie dies von Harz IV abgezogen bekommen.“

Weniger Spenden wegen Corona

Zuletzt habe man im Auftrag des Vereins acht Kinderbetten gekauft, weil die Kinder teilweise auf durchgelegenen Matratzen geschlafen hätten. Der Kraftsportler wird nicht müde, die Spender zu loben. In den vergangenen beiden Jahren, so Schlögel, habe man auch gerne im Fitnessstudio ein paar Euro in die Sammeldose geworfen. Das sei in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie kaum möglich gewesen. „Die Motivation zu helfen, ist unheimlich hoch. Die Menschen kommen ja ganz bewusst zu uns, um die Spenden abzugeben“, berichtet der Weltrekordler stolz. Die Bindung sei, genau wie die mit den Kindern und Familien, mittlerweile sehr eng. Und alle Zeit, die er mit seinem Team in den Verein investiere, sei es wert.

Viel bürokratischer Aufwand: Carolin Thiel und Michael Schlögel sind die Köpfe hinter dem Verein „Stark für Kinder“.

Thiel hat ihren Beruf als Erzieherin aufgegeben und arbeitet, wenn sie nicht gerade als Weihnachtsengel unterwegs ist, als Fitnesstrainerin. Da das Fitnessstudio am Euskirchener Narzissenweg aktuell wegen der Corona-Pandemie nicht geöffnet hat, liegen die zahlreichen Spendenquittungen, Einkaufs- und Wunschzettel in einem geordneten Chaos auf dem großen Holztisch mitten im Studio. Und das Chaos dürfte in den kommenden Wochen noch größer werden: Es müssen nämlich die vielen Hundert Geschenke eingepackt werden.

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„Da den Überblick zu behalten, ist nicht immer einfach“, sagt Thiel schmunzelnd. Sie habe Ostern sogar einmal ihren Schlüssel aus Versehen in ein Geschenk verpackt. „Ich hatte schon den Auftrag erteilt, alle Schlösser auszuwechseln. Dann haben wir von dem Kind eine SMS erhalten, dass der Osterhase einen Schlüssel gebracht habe“, so Thiel.

Ursprünglich sei geplant gewesen, mit allen Kindern die Weihnachtstage auf einer Almhütte im Schnee zu verbringen. Corona spielte da aber nicht mit. Doch Schlögel wäre nicht Schlögel, wenn er sich sofort eine Alternative gefunden hätte. Jetzt findet die Bescherung im Fitnessstudio statt – mit Nikolaus, Engeln und Schneekanone. „Jede Familie wird ein Zeitfenster bekommen, damit kein Kontakt stattfindet und wir die Corona-Schutzverordnung einhalten“, so Schlögel, während er Spendenquittungen in den Aktenordnern abheftet.