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KünstlerWie der Zülpicher Musiker Wolfgang Mirbach mit zwei Schicksalsschlägen umgeht

Lesezeit 6 Minuten

Vom alten Glanz des Musikerhofs ist nicht viel übrig – es regiert das Chaos. Wolfgang Mirbach konnte sein Anwesen zuletzt nicht mehr in Schuss halten.

Zülpich – Die vergangenen Monate haben Spuren bei Wolfgang Mirbach hinterlassen. Zunächst war es die Schockdiagnose Hirntumor, die das Leben des 62-Jährigen veränderte. Die Operation sei gut verlaufen, der Tumor erfolgreich entfernt, sagt der Zülpicher Musiker, der schon mit Jack Bruce im Tonstudio zusammenarbeitete. Bruce sei der berühmteste Musiker, mit dem er zusammengearbeitet habe. Er gehörte neben Eric Clapton und Ginger Baker seinerzeit zur legendären Rockband „Cream“.

Die Musik spielt in Mirbachs Leben immer noch eine große Rolle. Daran hat auch der erfolgreich operierte Hirntumor nichts geändert. Auch wenn die Krankheit das Leben des Künstlers verändert hat. Mirbach ist seitdem auf einen Rollator angewiesen, kann sich nicht bücken und mit der linken Hand nicht richtig greifen.

Gerade die Sache mit der Hand macht ihm zu schaffen. „Ich bin Musiker. Ich würde so gerne wieder auf meinem Keyboard oder Flügel spielen“, sagt Mirbach, der seit Mai in einer kleinen Wohnung in Zülpich lebt. Seinen „Musikerhof“ – so nennt der Komponist den alten Bauernhof in Mülheim-Wichterich, den er seit 1985 besitzt – konnte er nach der Operation nicht mehr pflegen und in Schuss halten.

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Wohngemeinschaft mit sechs Künstlern

Dabei war das Anwesen lange Zeit eine Wohngemeinschaft, in der sich bis zu sechs Kreative gegenseitig beflügelten. Die vergangenen Jahre ist es still geworden um den Musiker. Auf dem ehemaligen Bauernhof hat er allein gelebt. Der 62-Jährige hat drei Geschwister, aber keine Kinder. „Die hätten zu meinem Leben nicht gepasst.“

Vor wenigen Wochen gab es den nächsten Schock für ihn: Unbekannte drangen in den Musikerhof ein. „Mir wurden unterschiedliche Dinge gestohlen“, sagt Mirbach und beginnt mit einer Aufzählung: 3000 CDs, Elektrowerkzeug, ein orientalisches Gefäß in Kannenform sowie mindestens acht Schlagzeugbecken, ein Computer, alte Gemälde und jede Menge Kleinteile – alles weg.

Der Einbruch fiel zunächst nicht auf, da der 2500 Quadratmeter große Hof derzeit nicht bewohnt ist. „Ich habe den Diebstahl erst bemerkt, als ich mich mit einem Kaufinteressenten zu einer Besichtigung getroffen habe“, erzählt Mirbach: „Da viele Sachen fehlen, müssen die Täter mindesten zwei Stunden und mit einem großen Transporter hier gewesen sein.“

Den Diebstahl hat er bei der Polizei angezeigt. „Ich glaube nicht, dass ich noch was vom Diebesgut wiederbekomme“, so der 62-Jährige. Mirbach, der in Köln und Graz Musik studiert hat, holt einen großen Eisenschlüssel aus seiner grau-braun-beigefarbenen Jacke und öffnet damit die Holztür zum Wohnhaus des Anwesens. Ihm sei der Einbruch sofort aufgefallen.

Wildes Durcheinander hinterlassen

Die Täter, so erzählt er, hätten alles durchsucht und ein wildes Durcheinander hinterlassen. In der Tat herrscht in dem Wohnhaus das blanke Chaos. Der schmale Flur wird durch ein Regal, auf dem neben Brockhaus-Bänden vom Tapezierpinsel über Klebeband bis zu einer Lampenfassung ohne Glühbirne alles zu finden ist, noch schmaler.

Auf der anderen Flurseite hatte Mirbach schon vor seiner Krankheit zahlreiche Bananenkisten gestapelt. Darin befinden sich Bücher. „Insgesamt habe ich etwa 1700 Bananenkisten voll mit Büchern. Ich schätze, dass es 35 Tonnen Bücher sind“, sagt er. Zeitweise habe er mehr als 17.000 Bücher bei einem Online-Portal angeboten.

Am Anfang habe er sie noch nach Themen und Titeln sortiert. Mit der Zeit habe er das aber drangegeben. „Es sind hochinteressante Titel dabei. Ich habe zum Beispiel etwas über den Beruf des Kartoffeltrockners erfahren. Den Beruf gibt es ja gar nicht mehr“, erzählt Mirbach.

Elektrogeräte schon lange abgeschaltet

Durch den Flur geht es in die Küche – zumindest in das, was von ihr übriggeblieben ist. Die Elektrogeräte habe er schon lange abgeschaltet. An einer Wand hängen vier Pfannen, an der Decke zahlreiche Spinnweben. Mirbach muss sich setzen. „Das ist eine Folge der Operation. Ich kann noch nicht lange stehen“, erklärt er. Das war alles mal anders. Er habe vor Kreativität und Lebensenergie gesprüht.

Sein Leben habe er aber immer der Musik gewidmet. Mirbach gründete in seiner kreativen Hochzeit gleich mehrere Bands: „Sandarak“, „Elgur“ und die Bigband „Winterwochen-Syndikat“. „Sandarak“ habe es mehr als zehn Jahre gegeben. „Später kam noch die Band «Cassandra» dazu, mit der ich auch eine CD eingespielt habe, die bis heute nicht veröffentlicht ist“, sagt Mirbach, der Ende der 1980er-Jahre in die Londoner Musikszene geriet. In dieser Zeit knüpfte er Kontakt zu Jack Bruce und anderen Musikern, mit denen er in der britischen Hauptstadt CDs aufnahm und unter seinem eigenen Label „Musikerhof“ veröffentlichte.

Das ist lange her. Jetzt nimmt der 62-Jährige auf einer vollgestellten Bank in der Küche Platz. Eine andere Sitzgelegenheit gibt es nicht. Vor ihm auf dem Tisch liegen alte Bücher und zahlreiche Münzen. „Warum die Einbrecher das Geld nicht mitgenommen haben, verstehe ich nicht“, sagt er ratlos.

Er zuckt mit den Achseln und berichtet von seinem „Heiligtum“. Das ist ein alter Flügel, der im ehemaligen Proberaum steht. „Wir haben das Zimmer damals extra im alten Kuhstall eingerichtet – mit viel Aufwand“, berichtet er. Man habe sogar schwimmenden Estrich verwendet, damit die Schallwellen möglichst gedämmt werden. Vom alten Glanz des Raumes, in dem Jack Bruce schon musizierte, ist nicht mehr viel übrig. Auch hier steht alles voller Kisten. An den alten Glanz des Proberaums erinnert nichts mehr und der Flügel ist reif für den Sperrmüll, doch Mirbach will ihn behalten.

Interessenten für Hof in Zülpich

Das sei eine Herzensangelegenheit. Von allem anderen – abgesehen von einigen Büchern – will er sich trennen. „Der Hof steht zum Verkauf und ich habe schon einen Interessenten. 73.000 Euro hat er mir geboten“, so der Komponist, der in seiner Heimatstadt Bonn einige Zeit als Musikpädagoge gearbeitet hat. Sämtliche Verdienste flossen damals in die Produktion neuer CDs.

Wer auch immer den Hof kauft, erhält auch einen alten Lastwagen der Marke Opel dazu. Mit dem ist Mirbach 20 Jahre lang fast täglich gefahren. Jetzt fristet das Gefährt ein trauriges Dasein im Innenhof, die Windschutzscheibe ist von einer dicken Moosschicht bedeckt.

Nachwirkungen des Hirntumors

Ein Messie – also jemand, der Probleme hat, seine Wohnung in Ordnung zu halten – sei er nicht, versichert Mirbach. „Ich habe immer nur Bücher gesammelt.“ Der Zustand des Haus und Hofes resultiere aus den Nachwirkungen seines Hirntumors, erklärt er. Er wolle schon bald neue CDs herausbringen. Und noch zwei Ziele hat er: Er will wieder Musik machen und den Einbruch vergessen. „Selbst wenn es hier vorher schon chaotisch war, ist es ein seltsames Gefühl, wenn jemand Fremdes in deiner Privatsphäre herumgewühlt hat“, sagt Mirbach mit belegter Stimme.