Zülpich – Die Natur hat die Wandfliesen förmlich gesprengt. Ein Zentimeter dicker Riss zieht sich über mehrere Meter horizontal durch die Kellerwand an der Giesebrechtstraße 24. Sogar eine Wasserleitung sei durch die Setzungsschäden geborsten, berichtet Hausherr Rolf Meuser. Dass der Vorgarten abgesackt ist, ist nicht zu übersehen.
Einerseits, weil die Schäden nur provisorisch ausgebessert worden sind, anderseits, weil die Grasnarbe fast 15 Zentimeter unterhalb ihres Ursprungs liegt. Zu erkennen ist das am Putz, der ursprünglich mal bis zur Grasnarbe reichte, nun aber „in der Luft hängt“. Direkt vor dem Haus Nummer 24 verläuft ein Riss quer über die Fahrbahn. Dieser wurde bereits ausgebessert. Mittlerweile ist das Provisorium aber wieder gerissen.
Mutmaßlich Spätfolgen des Bergbaus rund um Zülpich
„Es gibt eigentlich kein Haus in dem Wohnquartier, das keinen Setzungsschaden hat“, sagt Meuser, der den Zülpicher Bergbau für die Schäden an seinem Haus verantwortlich macht. Durch den Bergbau in den Jahren 1953 bis 1969 rund um Zülpich sei das Grundwasser dem Boden so stark entzogen worden, dass die Auswirkungen auch viele Jahre nach dem Ende des Braunkohleabbaus noch spürbar seien.
Er habe zahlreiche Gutachten in Auftrag gegeben, berichtet der Zülpicher. Unter anderem wurde eine Feuchtigkeitsmessung durchgeführt. Das Geologische Amt in Essen wurde bemüht und einige Ingenieure haben die Schäden begutachtet. Anschließend nahm Meuser Kontakt zur Schlichtungsstelle Braunkohle NRW auf und reichte dort eine Schadensmeldung ein. „Viele Fragen sind seit dem unbeantwortet geblieben“, sagt Meuser.
Mittlerweile habe er drei Aktenordner voller Schriftverkehr und Gutachten im Schrank stehen. „Das Haus hat keinen Wert mehr“, klagt er. In den Rechtsstreit habe er mehrere 10.000 Euro investiert. Es gehe ihm ums Prinzip so Meuser. Die investierte Summe sei es ihm wert.
„Der Grundwasserspiegel ist extrem gesunken. Zülpich steht auf Schichten von Ton, Kies und Sand. Wenn man denen Wasser entzieht, ist es logisch, dass sie schrumpfen“, erklärt Meuser.
Professor Horst Düllmann vom gleichnamigen geotechnischen Büro erklärt, dass Schrumpfprozesse charakteristisch für feinkörnige Böden seien. Je feinkörniger und wasserhaltiger ein Material sei, desto höher sei das Ausmaß möglicher Schrumpfungen infolge von Wasserentzug.
Schlichtungsstelle will einen Termin anberaumen
Robert Deller ist Vorsitzender der Schlichtungsstelle und kennt den Antrag von Rolf Meuser. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagt Deller, dass er „solche Schäden wie an der Giesebrechtstraße 24 in dieser Form noch nicht gesehen hat“. Der Oberstaatsanwalt a. D. wolle wegen des laufenden Verfahrens nicht ins Detail gehen.
Die Schlichtungsstelle Braunkohle
Nach eigenen Angaben gingen in der zwischen 2010 und 2020 in der Schlichtungsstelle Braunkohle NRW 234 Einträge ein. 88 davon wurden positiv abgeschlossen, 73 negativ.
53 Anträge wurden laut Geschäftsbericht zurückgezogen, 20 Verfahren sind noch offen. In den vergangenen beiden Jahren wurde kein Verfahren mehr positiv abgeschlossen. (tom)
Er könne aber sagen, dass das Grundstück von Rolf Meuser mit einer geologischen Besonderheit aufwarte. Die zu erörternde Frage sei, ob es in diesem Bereich ein oberes Grundwasserstockwerk gibt, das durch die Sümpfungsmaßnahmen von RWE betroffen sein könnte.
„Nach unseren bisherigen Erkenntnissen gibt es in diesem Grundstücksbereich eine größere Tonschicht“. Die Spezialisten sagen, so Deller, dass es nicht auszuschließen sei, dass sich die Schicht mit Oberflächenwasser fülle, dann wieder austrockne und es zu Spannungen komme. Das seien aber derzeit alles noch Hypothesen. Sobald es die Corona-Schutzverordnung ermögliche, werde es einen Schlichtungstermin geben, versichert Deller.
Der Zülpicher Meuser bringt im Zuge seiner Schäden am Haus auch die Papierfabrik Smurfit Kappa ins Spiel. Die benötigte ja schließlich auch viel Wasser. „Wir können kategorisch ausschließen, dass es durch den Betrieb der Papierfabrik zu Bodenabsenkungen kommt“, sagt Christian Ludwig, Geschäftsführer von Smurfit Kappa in Zülpich.
Man arbeite eng mit dem Erftverband zusammen. Die Papierfabrik decke ihren Wasserbedarf zu drei Viertel durch Entnahme aus dem Neffelbach. Lediglich 25 Prozent wird aus dem Grundwasser entnommen – aus einer Tiefe von mehr als 100 Metern. „Wir gehören zu den Papierfabriken mit dem geringsten Wasserverbrauch weltweit“, so Ludwig.
Für Meuser ist die Tiefe der Entnahmestelle ein Hinweis. Ohne den Bergbau sei der Grundwasserspiegel nämlich viel höher. Das Areal rund um die Giesebrechtstraße sei früher sogar mal ein Sumpfgebiet gewesen.