Zülpich-Sinzenich – Nach den einschneidenden Erlebnissen der Flutnacht ist das Thema Hochwasserschutz präsenter denn je. In Sinzenich eigentlich ein alter Hut. Schon nach dem Unwetter 2016, das den Ort schwer getroffen hatte, hatte es von Dr. Christian Gattke vom Erftverband geheißen, man habe kein Jahrhundert- sondern ein Jahrtausendhochwasser erlebt, wie bereits berichtet. Die Dimension des Unwetters im Juli haben das vielerorts noch einmal übertroffen, wie der Erftverband auch in einer Zusammenfassung der Geschehnisse in der Zülpicher Ratssitzung resümierte.
Auch dass Sinzenich durch seine besondere Lage unter Rot- und auf gleicher Höhe des Marienbachs besonders gefährdet für eine Überschwemmung ist, ist bekannt. Unter anderem aus diesem Grund plant der Erftverband die Renaturierung und Verlegung der Bäche für diesen Herbst. Der Rotbach soll einen mäandernden Verlauf erhalten und der Marienbach hinter einen Wall verlegt werden, der die beiden Gewässer von der Ortschaft trennt. „Zusätzlich soll eine Mauer am Friedhof gebaut werden“, berichtet Ortsvorsteher Josef Heinrichs.
EIne Höhe von lediglich 35 Zentimeter
Die habe der Erftverband ursprünglich mit einem Meter Höhe eingeplant. Jetzt sollen es nur 35 Zentimeter werden. Warum das so ist, erklärt Gattke wie folgt: „Hier gab es zwei Probleme, aufgrund derer wir das Vorhaben nicht mit einer so hohen Mauer umsetzen können: Zum einen wäre durch die Umleitung des Fließbereichs bei einem Hochwasser etwa zehn Prozent an natürlicher Retentionsfläche im Nordosten Sinzenichs weg gefallen, was den Nachbarort Lövenich benachteiligt hätte.“ Hätte man auf die Höhe bestanden, hätte sich das Verfahren weiter in die Länge gezogen, sagt Gattke: „Aus Sinzenich kam aber der Wunsch, dass wir so schnell wie möglich etwas unternehmen.“
In Absprache mit dem Kreis habe man sich dann auf eine 35 Zentimeter hohe Mauer geeinigt, die in Kombination mit den verlegten Bächen und dem um zehn Zentimeter abgeflachten Wall vor einem 80-jährigen Hochwasser schützen soll. Ein weiterer Knackpunkt sei die Benachteiligung einiger Anwohner durch den Bau gewesen, sagt Gattke. „Manche Anwohner hätten zusätzlich noch selbst Maßnahmen auf eigene Kosten ergreifen müssen, um das Schutzniveau der restlichen Sinzenicher zu erhalten.“
Geänderte Belastung der Anwohnenden
Denn wie aus einem Besprechungsprotokoll hervorgeht, das der Zeitung vorliegt, hätte der Erftverband den geplanten Wall zwischen den Bächen und Sinzenich an einer Stelle öffnen müssen, um weitere Absickerfläche bei einer Überschwemmung zu schaffen. Das hätte wiederum zu einer geänderten Belastung der dortigen Anwohner geführt. „Damit sind wir nicht überall auf Zuspruch gestoßen.
Einige Mitarbeiter des Erftverbands wurden bei einem Ortstermin sogar beschimpft“, äußert sich Gattke zu den Geschehnissen. „Als wir dann wussten, dass das Verfahren ohnehin sehr kompliziert aufgrund der Benachteiligung des Nachbarorts wird, haben wir die Verhandlungen abgebrochen“, sagt er.
Vorwürfe gegenüber der Menschen zurückgewiesen
Heinrichs weist den Vorwurf gegenüber den Sinzenicher Anwohnern zurück: „Ich kann mir nicht erklären, wie Herr Gattke darauf kommt. Ganz im Gegenteil: Die Anwohner wollten den Schutz, haben teils sogar selbst Angebote eingeholt, um Hochwasserschutzmaßnahmen auf ihren Grundstücken zu errichten.“ Gescheitert sei das Vorhaben des Erftverbands ihm zufolge an den wegfallenden Retentionsflächen und nicht an Einzelpersonen. Er habe die Betroffenen auch darauf angesprochen.
„Die sind wirklich sprachlos“, sagt er: „Der Erftverband hätte sich einfach vorsichtiger ausdrücken sollen. Erst hieß es, wir bekommen die Schutzmaßnahmen für das hundertjährige Hochwasser, dann wurde wieder zurückgerudert. Das jetzt den Anwohnern anzulasten, finde ich wirklich unangebracht.“ Davon abgesehen betont Heinrichs aber, dass man in Sinzenich froh über die Zusammenarbeit mit dem Erftverband sei: „Dass jetzt die Maßnahmen starten, um den Ort vor einem 80-jährigen Hochwasser zu schützen, begrüße ich natürlich.“
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Eine Frage bleibt dennoch: Warum der Erftverband die Hochwassermauer am Friedhof nicht trotz der gescheiterten Verhandlungen für weitere Maßnahmen höher bauen kann. Gattke begründet das auf Nachfrage so: „Alle Anwohner müssen gleich behandelt werden. Würden wir die Mauer nun trotzdem einen Meter hochziehen, wären wiederum unter Umständen andere Anlieger benachteiligt. Die Anwohner direkt hinter der Mauer könnten dann besser geschützt sein als der Rest des Dorfs“. Ein ähnliches Problem also wie bei der ursprünglichen Lösung. Deswegen bleibe es jetzt bei den 35 Zentimetern. Diesen Monat sollen die ersten Baumaßnahmen beginnen.