AboAbonnieren

Resonanz überwältigendHochwasserschutz in Füssenich hielt größtenteils

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Eine Sachspendenaktion ins Leben gerufen haben Desiree Schnittker (M.) und ihre Familie in Bürvenich auf dem Innenhof von KFZ Winkler.

Zülpich – Eine Krise bringt auch immer Helden hervor. Eine von ihnen ist mit Sicherheit Desiree Schnittker aus Bürvenich, die zusammen mit ihren Geschwistern und ihrem Vater eine Sachspendenaktion ins Leben gerufen hat. Nachdem die 21-Jährige ihr eigenes Hab und Gut gerettet hatte, kam sie auf die Idee, einen Spendenaufruf über Facebook zu starten.

Die Folgen sind auch Tage später auf dem Hof von KFZ Winkler unübersehbar. Kleidungsstücke, Decken, Hygieneartikel sowie Konserven, Tiernahrung und Spielsachen türmen sich dort auf, die Spendenbereitschaft der Bevölkerung nimmt einfach nicht ab. „Ich habe sogar ein Paket mit Konserven aus Berlin erhalten“, so die Bürvenicherin, die, wie ihr Vater sagt, „eine soziale Ader hat“.

Schon vor dem Hochwasser ehrenamtlich aktiv

Schon vor dem Hochwasser waren die Schnittkers ehrenamtlich aktiv, etwa bei der Euskirchener Tafel. Beim aktuellen Projekt setzen sie auf Teamarbeit. „Mein Bruder und ich wechseln uns nachts ab und schlafen im Hof, damit es keine Plünderungen gibt“, so die Mitarbeiterin einer Tankstelle, die auch dort weiterhin im Schichtdienst arbeitet.

3,5 Tonnen Sachspenden

Die Familie hat sich bestens organisiert und liefert die benötigten Artikel bis in die Unterkünfte der betroffenen Familien. Vater Andreas Schnittker führt genau Protokoll und sagt: „Wir haben seit Samstag 3,5 Tonnen Sachspenden ausgeliefert und freuen uns helfen zu können.“ Geldspenden nimmt Desiree Schnittker keine an: „Das möchten wir nicht verantworten.“

Sie berichtet indes von vielen emotionalen Momenten und Begegnungen mit den Menschen, die Hilfsgüter bringen, aber auch benötigen. „Ich freue mich über die Spendenbereitschaft von vor Ort, aber auch aus Viersen und Siegen“, sagt sie. Sie freue sich aber auch, wenn eine Familie kommt, der sie helfen kann.

Füssenich ist größtenteils mit einem blauen Auge davongekommen. Dank eines ausgeklügelten Überlaufsystems am Neffelbach ist der große Wassereinbruch im Dorf ausgeblieben. Der Bach ist im Ruhezustand zwar nur maximal zwei Meter breit, schwoll aber aufgrund der starken Regenfälle am Mittwoch vor einer Woche so massiv an, dass auch er über das Ufer trat.

Das Glück der Füssenicher: Vor mehr als 20 Jahren hatte der Erftverband Vorkehrungen zum Hochwasserschutz getroffen. Der ehemalige Braunkohle-Tagebau Zülpich-Mitte wurde nach dessen Aufgabe 1967 rekultiviert. Anstelle des geplanten Badesees entstand der Neffelsee, der naturgerecht angelegt wurde und heute den Zülpichern als Rückhaltebecken dient. „Wir hatten großes Glück, dass der Überlauf funktioniert hat“, so eine Anwohnerin.

Auch wenn die Regenmengen groß waren und einige Häuser sowie auch mindestens ein Firmengelände unter Wasser standen, hat sich gezeigt, dass die seinerzeit getroffene Vorkehrung gehalten hat. Ein einfaches Schleusensystem hält beim Ansteigen des Baches das Wasser zurück und zwingt es bereits weit vor Füssenich dazu, kontrolliert über die Ufer zu treten und gezielt in den Neffelbach abzulaufen. Die Kraft des Wassers hat das kleine Bauwerk zwar etwas beschädigt und größere Steine sind abgesackt, die ganz großen Wassermassen hat es aber abgehalten.

Weniger Glück hatte die Sinzenicher Bevölkerung. Auch eine Woche nach dem Unwetter sind die Folgen in dem 1250-Seelen-Dorf noch deutlich zu sehen. Der Sperrmüll türmt sich in den Straßen, und die Aufräumarbeiten in den Häusern laufen auf Hochbetrieb. In ein paar Straßenzügen ist der Boden aufgespült und Steine haben sich gelöst, aber große Zerstörungen sind augenscheinlich nicht zu sehen.

Unheil war nicht abwendbar

Hätte man das Unheil abwenden können? „Nein“, sagt ein Erftverbandsmitarbeiter, der sich Tage später ein Bild der Lage vor Ort macht. „Die Regenmassen waren zu stark, und die umliegenden Felder haben dazu beigetragen, dass der Ort vollläuft.“ Sinzenich liegt in einem Hochwasserschutzgebiet und tiefer als der Rotbach. Dieser liegt auch tiefer als der Marienbach. Daher sei es zwangsläufig, dass, wenn dieser vollgelaufen ist, er auch das Wasser an die tiefer gelegenen Stellen abgibt.

Entlang der Bäche hängen Informationstafeln, die darauf hinweisen,dass eine Verlegung des Rotbachs sowie die Errichtung eines 1200 Meter langen Hochschutzwalls seitens des Erftverbands schon länger geplant sind. Vom Friedhof bis zum Kindergarten sollen eine Spundwand und im weiteren Verlauf bis zum Sportplatz ein Erdwall errichtet werden, die Wasser der übergelaufenen Bäche vom Dorf fernhalten sollen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Baumaßnahme hat Anfang 2021 mit Vermessungen und Kleinrammbohrungen begonnen. Doch die Bauphase wird sich wegen Begutachtungen der Hochwasserschäden nun verzögern.