AboAbonnieren

Günther glaubt Auftraggeber für Säureangriff zu kennen

Lesezeit 3 Minuten

Wuppertal – Spitzenmanager Bernhard Günther vermutet als Auftraggeber des Säureanschlags auf sich eine bestimmte Person aus seinem beruflichen Umfeld. Er sagte am Montag als Zeuge im Prozess um den Säureangriff am Wuppertaler Landgericht: „Es ist kein Zufall, wenn jemand zwei Mal am Sonntagmorgen in Haan beim Joggen überfallen wird.”

Er sei bereits sechs Jahre vor dem Säureattentat 2018 von zwei Männern überfallen worden. Damals habe er Fleischwunden und einen Beinbruch erlitten. Beide Überfälle hätten sich zudem in beruflichen Umbruchzeiten ereignet.

Es gebe nur eine Person, die sowohl 2012 als auch 2018 davon profitiert hätte, wenn er berufsunfähig geworden wäre. Er habe je eine Liste für beide Anschläge angefertigt. „Die Schnittmenge ist genau eine Person”, betonte Günther.

Alles zum Thema RWE

2012 sei der erste Anschlag erfolgt, kurz bevor er sein Amt als neuer RWE-Vorstand angetreten habe. Der zweite Anschlag sei nach der Gewinnwarnung von Innogy und dem Rauswurf des damaligen Vorstandsvorsitzenden erfolgt. Eine Woche später sei die geplante Übernahme von Innogy durch Eon bekanntgegeben worden.

Der 55-Jährige war am 4. März 2018 in der Nähe seines Hauses in Haan bei Wuppertal angegriffen und schwer verätzt worden. Die Täter hatten ihn mit hochkonzentrierter Schwefelsäure übergossen.

Nach dem ersten Anschlag habe er sich aus Sicherheitsgründen einer Laufgruppe angeschlossen. Zudem sei er wegen einer Verletzung das erste Mal seit längerer Zeit wieder joggen gewesen.

Beide Täter hätten sich im Gebüsch versteckt und ihn auf genau den 300 Metern abgepasst, die er alleine unterwegs gewesen sei. „Einer kam von hinten und hat mich geschubst, da bin ich dem anderen, der von vorne kam, in die Arme gestolpert.”

Er sei überrascht gewesen, wie professionell, ja sanft, er damals zu Boden gebracht und fixiert worden sei, sagte Günther. „Da wusste jemand, was er tat”, sagte Günther. Dann habe ihn ein Schwall Säure getroffen.

Angeklagt ist ein 42-jähriger Belgier, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Der Mann bestreitet allerdings vehement, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Er behauptete, Handschuhe mit seiner DNA seien ihm gestohlen und dann am Tatort als falsche Fährte platziert worden.

Er erkenne den Angeklagten nicht wieder, sagte Günther, habe sein Gesicht am Tatort aber im Gegensatz zum zweiten Attentäter auch nicht gesehen. Dem anderen Mann habe er bei dem Attentat dagegen direkt ins Gesicht geschaut und ihn später auf Fotos wiedererkannt. „Da hat es Klick gemacht”, sagte Günther.

Der zweite Verdächtige, ein Hobbyringer, war mangels ausreichender Beweise wieder freigelassen worden. Die Ermittlungen gegen ihn sind inzwischen eingestellt.

Das Attentat habe an seinem Körper zahlreiche Spuren hinterlassen, sagte Günther. Er habe ein halbes Dutzend Operationen über sich ergehen lassen müssen und noch ein halbes Dutzend Operationen vor sich.

Seine Augenlider und Teile seiner Gesichtshaut hätten transplantiert werden müssen. „Für die Transplantation der Augenlider mussten meine Augen für eine Woche zugenäht werden”, berichtete er über seinen Leidensweg. Er verlasse sein Haus nur selten ungeschminkt.

Die offiziellen Ermittlungen zu dem Fall waren zunächst ohne Ergebnis verlaufen und eingestellt worden. Dann hatte sein damaliger Arbeitgeber Innogy 100 000 Euro Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls ausgesetzt. Günther beauftragte zudem Privatermittler.

Ein anonymer Tippgeber habe endlich einen vielversprechenden Hinweis gegeben, sagte Günther. Jahrelang hätten er und seine Familie in Angst gelebt, weil ein dritter Anschlag nicht ausgeschlossen werden konnte. Dem Angeklagten drohen im Fall einer Verurteilung zwischen 3 und 15 Jahren Haft wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung. Der Prozess wird am 11. August fortgesetzt.

© dpa-infocom, dpa:220807-99-307418/5 (dpa)