Frau Frier, sind die „Fake News“ von heute nicht die halb wahren oder häufig ganz falschen Klatsch- und Tratschgeschichten, mit denen Prominente wie Sie seit jeher leben müssen?
Stimmt, das lässt sich absolut vergleichen. Selbst jemand wie ich, die für die Revolverblätter längst nicht so interessant ist wie ein Boris Becker oder die britischen Royals, erlebt haarsträubende Geschichten. Als ich zum Beispiel 2014 mit meiner TV-Rolle als Rechtsanwältin Danni Lowinski aufhörte, stand irgendwo zu lesen: „Serienende, um Ehe zu retten“. Da war von Überlastung die Rede und von Beziehungsstress, in allen Details aufgedröselt, großformatig präsentiert. Mein Mann und ich saßen fassungslos vor dieser Doppelseite, die mir jemand vom Friseur mitgebracht hatte, und wir fragten uns, wo der ganze Blödsinn wohl hergekommen sein mochte. Quelle des Artikels? „Ein Insider verrät…“
Wie haben Sie reagiert?
Wir haben herzhaft gelacht und versucht, das Ganze mit Humor zu nehmen. Zum Glück sind „Fake News“ im Bereich des Entertainments nicht immer von wirklich zerstörerischer Qualität. Nach meiner Erfahrung gibt es nämlich keine effektive Verteidigung. Sobald man mit juristischen Mitteln dagegen vorzugehen versucht, spielt man ja das Spiel mit, bei dem dann häufig Aussage gegen Aussage steht und am Ende immer etwas hängen bleibt. Statt den Rattenschwanz abzuschneiden, wird er länger und länger.
Das Problem des Laufenlassens: Das Internet vergisst nicht.
Deshalb sollte man dem Kommunikationsraum Internet generell misstrauen. Ich warte darauf, dass endlich ein Internet-Knigge für das Verhalten im Netz herauskommt. Grundregel Nummer eins müsste lauten: Anonym gibt’s nicht. Wer im Internet etwas behauptet oder seine Meinung kundtut, muss sich outen und seine Quellen nennen. Wir haben aber für das Internet noch keine verbindlichen Regeln entwickelt, gelernt und eingeübt. Deshalb ist ist die Netzwelt unser Llano Estacado, ein Wildwest-Territorium für Desperados aller Art.
Die klassischen Medien dürfen demgegenüber als gesichertes Refugium gelten: präzise vermessen, gut beschildert und reglementiert durch eine Straßenverkehrsordnung der Kommunikation?
Auf alle Fälle. Natürlich kommen Fehler und Fehlleistungen auch in klassischen Medien vor. Das finde ich aber nicht so schlimm, solange es Redaktionskonferenzen gibt, das journalistische Arbeiten im Team mit Selbstreflexion und kritischer Diskussion. Redaktionen sind für mich Instanzen der Selbstkontrolle, Frühwarnsysteme, ein Gefüge von „Checks and Balances“. Das ist, wenn man so will, die Anwendung des Demokratie-Prinzips auf den Arbeitsalltag der Medien. Es kann sich dann eben nicht einer autokratisch hinstellen und seine persönlichen Ansichten als allein gültige Wahrheit in die Welt posaunen. Genau so entsteht übrigens, glaube ich, ein großer Teil der Fake News: durch das einsame Agieren irgendwelcher überspannter Typen oder natürlich aus unkontrollierter krimineller Energie staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Zeitung?
Das hat für mich etwas sehr Rituelles. Wenn ich meine Kinder morgens zur Schule geschickt habe, freue ich mich auf meinen Kaffee und meinen „Stadt-Anzeiger“ Ich genieße es, dazusitzen und zu lesen – am liebsten immer noch auf Papier. Ich hantiere ungern mit den Zeitungs-Apps auf dem Smartphone oder dem Tablet, sondern blättere lieber um, Seite für Seite. Wie das wohl gesamtgesellschaftlich in 20 Jahren sein wird? Ich bin gespannt. Aber ich glaube, die Beharrungs- und Durchsetzungskraft solcher Rituale ist größer, als wir es auf unserem Trip ständiger Veränderung wahrnehmen und uns selbst zugestehen.
Als Schauspielerin sind Sie selbst „Berichtsgegenstand“ und werden von Journalisten kritisch beurteilt. Hat das Ihre Einstellung verändert?
Früher habe ich mir darüber wesentlich mehr einen Kopf gemacht. Aber je besser ich auch die andere Seite kennengelernt habe, konkret durch viele Gespräche mit Journalisten, bin ich in die Haltung hineingewachsen, dass schlimmstenfalls ein anderer Mensch eben anderer Meinung ist als ich. Ich halte meinen neuen Film für gelungen, der Rezensent findet ihn daneben. Na und? So ist das im Leben. Und das Lustige ist: Es gilt auch für den Kritiker. Jeder Journalist freut sich, wenn er gesagt bekommt, „Also, Ihr jüngster Artikel war wirklich ganz toll“. Natürlich sind wir Schauspieler dem Urteil des Publikums anders ausgesetzt als der Verfasser eines Zeitungsartikels. Aber am Ende sind wir in der gleichen Situation. Diese Einsicht hat mich viel lockerer gemacht im Umgang mit der Kritik in den Medien.
Was macht für Sie guten Journalismus aus?
Überparteilichkeit. Sobald ich rieche, dass mir jemand seine Weltsicht aufschwatzen oder unterjubeln will, reagiere ich allergisch. Und ich finde die Zeitspanne sehr wichtig, die zwischen einem Geschehnis und dem Erscheinen der Zeitung liegt. Ich weiß, auch Zeitungsredaktionen müssen online „in Echtzeit“ reagieren. Auf so manchem Newsletter ist – bildlich gesprochen – die Tinte noch nicht trocken, bevor er die Leser erreicht. Aber gerade deshalb bin ich heilfroh darüber, dass es für die Zeitung noch eine Art zweite Zeitzone gibt, in der die Journalisten Fakten checken, Hintergründe recherchieren und die Geschehnisse abwägen.
Das Gespräch führte Joachim Frank