Köln – Nordrhein-Westfalen im Jahr 2071: Die mittlere Jahrestemperatur ist um 3,8 Grad Celsius im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 angestiegen. Schnee fällt im Winter selbst in der Eifel und im Sauerland nur noch selten – und wenn, bleibt er kaum länger als einen Tag liegen. Dafür regnet es viel. Im Winter, im Frühling und im Herbst – die Niederschlagsmenge ist bis zu einem Fünftel höher als sieben Jahrzehnte zuvor. Nur im Sommer nicht: Da ist es trockener als heute.
Ein extremes Szenario
Zugegeben ein extremes Szenario für den Klimawandel. Aber eine von vielen möglichen Klimaprojektionen, die das Landesamt für Natur und Umweltschutz in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst ausgehend von Annahmen des Weltklimarates IPCC für möglich hält.
Temperatur stieg um 1,5 Grad
Wir können nicht sicher sagen, wie das Klima in NRW in gut 50 Jahren sein wird. Das ist für die Gegenwart anders. Stand 2017 können wir festhalten: Es ist in Nordrhein-Westfalen deutlich wärmer und deutlich feuchter geworden als zu Beginn der Aufzeichnung meteorologischer Daten im Jahr 1881 und erst recht im Vergleich zum Jahr 1951. In den vergangenen 68 Jahren ist die Jahresmitteltemperatur in unserem Bundesland um 1,5 Grad Celsius gestiegen. Die Wissenschaftler nehmen allerdings nicht Grad Celsius, sondern Kelvin (K) als Maßeinheit.
Und was für NRW gilt, gilt natürlich auch im niederrheinischen Tiefland, zu dem auch der Köln/Bonner Raum gehört. Das Bundesumwelministerium hat anlässlich der Weltklimakonferenz COP 23 in Bonn, die am Freitag zu Ende ging, Daten zum Klimawandel in dieser Region veröffentlicht. Hier stieg die Temperatur zwischen 1981 und 2010 im Mittel um 0,6 Kelvin.
Mehr Regen, weniger Schnee
Seit 1881, dem Beginn der Aufzeichnung von Wetterdaten, hat die jährliche Niederschlagsmenge in ganz NRW um 110 Millimeter auf 918 Millimeter zugenommen. Allerdings ist beim Niederschlag die Entwicklung nicht so einheitlich wie bei den Temperaturen. Die 1970er Jahre waren in NRW auffällig niederschlagsarm. Die Zahl der Schneetage ging in den vergangenen Jahrzehnten dagegen deutlich zurück.
Bislang fremde Tierarten eingewandert
Mensch und Natur reagieren auf den Klimawandel. In der Natur verbreiten sich früher hier unbekannte Tierarten, andere gehen in ihrer Zahl zurück, Ähnliches gilt für Pflanzen.
Allerdings ist die Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten von vielen Faktoren abhängig, nicht allein vom Klimawandel. In NRW, so das Landesamt für Umwelt und Naturschutz, hat in der Regel die Landnutzung einen größeren Einfluss auf Flora und Fauna als der Klimawandel. Die Bedeutung des Temperaturanstiegs für den Wandel in der Natur in NRW lässt sich dennoch klar nachweisen. Dazu einige Beispiele:
Nutria – Aus Südamerika importiert
Nutrias oder auch Biberratten stammen ursprünglich aus Südamerika. Die Nager wurden in Europa zunächst auf Pelztierfarmen gehalten und gelangten entweder zufällig in die Wildbahn oder wurden gezielt ausgesetzt. Die erste Pelztierfarm mit Nutrias gab es in Deutschland 1926. Viele Jahre lang wurden verwilderte Nutrias wegen ihrer Pelze stark bejahrt.
Das abflauende Interesse an Nutria-Pelz und die milden Winter führten dazu, dass sich der Bestand der frostempfindlichen Tiere stark vergrößert. In ganz Deutschland hat er sich von 2006 bis 2016 verdoppelt. In NRW sind sie insbesondere am Niederrhein weit verbreitet und haben als Pflanzenfresser große Röhrichtbestände vernichtet.
Höckerflohkrebs – Vom Schwarzen Meer in den Rhein
Ähnlich wie bei den Körbchenmuscheln ist auch beim Großen Höckerflohkrebs der Klimawandel ein, aber nicht der alleinige Grund für seine Ansiedlung auch in NRW. Der bis zu zwei Zentimeter lange Krebs ist in den Unterläufen der Flüsse der Schwarzmeer-Region beheimatet und verbreitete seinen Lebensraum lange Zeit nicht weiter flussaufwärts.
Mit dem Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals (Eröffnung 1992) gelangte der Krebs aber über das Flusssystem nach Mitteleuropa. Der Wanderung leistete auch die in den vergangenen Jahrzehnten um 1,5 Grad gestiegene Temperatur des Rheins Vorschub. Der Große Höckerflohkrebs trägt als aggressiver Fressfeind zur Verminderung der Artenvielfalt im Rhein und seinen Nebenflüssen bei.
Körbchenmuschel – Einwanderer aus Asien
Die Asiatischen Körbchenmuscheln waren ursprünglich in Südostasien beziehungsweise Vorder- und Zentralasien verbreitet. Die beiden heute in ganz NRW vorkommenden Arten wurden möglicherweise über das Ballastwasser von Seeschiffen nach Europa eingeschleppt.
Ende der 1980er Jahre wurden sie im niederländischen Rhein, Anfang der 1990er Jahre auf dem deutschen Rheinabschnitt nachgewiesen. Möglich wurde ihre auch rasante Verbreitung auch, weil die Wassertemperatur des Rheins seit Mitte der 1970er Jahre um 1,5 Grad angestiegen ist.
Tausendblatt – Unerwünschte Spezies
Der Große Wassernabel wie auch das Brasilianische Tausendblatt kamen viele Jahrzehnte lang in Deutschland nur als Zierpflanzen in Aquarien vor. Beide Wasserpflanzen kommen aber inzwischen verwildert in Seen und Flüssen in NRW vor. Das Brasilianische Tausendblatt steht auf der Liste der unerwünschten Spezies der Europäischen Union. Es breitet sich rasant aus und bedeckt innerhalb weniger Wochen große Gewässerteile zum Beispiel am Niederrhein. Die Folgen sind Sauerstoffschwund im Wasser und Faulschlammbildung, die kleinere Seen umkippen lassen können.
Grünspecht – Vermehrt auch im Bergischen
Der Grünspecht gehört zu den Standvögeln, er bleibt also ganzjährig in ein- und demselben Gebiet. Zugleich ist er relativ kälteempfindlich, weil er sich vornehmlich von Erdameisen ernährt. Liegt in seinem Lebensraum über längere Zeit Schnee, bedroht das den Bestand des Vogels stark.
Das Ausbleiben strenger Winter in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren führte in NRW dazu, dass die Zahl der Grünspechte in NRW deutlich stieg. Zudem konnte der Sprecht sein Areal deutlich ausweiten. Anfang der 2000er Jahre war der Grünspecht vor allem auf die wärmeren Regionen in NRW, Rheinland und Ruhrgebiet, konzentriert. 2015 wurde er dagegen in größerer Zahl auch in unteren und mittleren Mittelgebirgslagen bis in Höhe von etwa 600 Metern nachgewiesen, so zum Beispiel im Rhein-Sieg-Kreis oder im Oberbergischen Kreis.
Halsbandsittich – Tausende heimisch in Bonn, Köln und Düsseldorf
Der Halsbandsittich ist ein besonders auffälliger Fall einer eingeschleppten Art. 1969 brütete in Köln das erste in Freiheit lebende Sittich-Paar. Mittlerweile wird die Zahl der Vögel, die in Afrika südlich der Sahara, in Pakistan und Indien beheimatet sind, im Rheinland auf 4200 geschätzt. Hinzu kommen 200 bis 300 große Alexandersittiche, die dem Halsbandsittich sehr ähneln.