Kohle-Konsens-Front gegen Grüne: Keine Dörfer-Rettung
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Düsseldorf – Die Grünen haben die nordrhein-westfälische Landesregierung aufgefordert, sowohl für den Erhalt des Hambacher Forsts als auch der Dörfer am Tagebau Garzweiler zu sorgen. Im Düsseldorfer Landtag warf die Klimaschutz-Expertin der Grünen-Fraktion, Wibke Brems, der Regierung vor, in ihrer Braunkohlepolitik Geschäftsinteressen des Energiekonzerns RWE vor die Interessen Betroffener zu stellen.
Laut einer Studie für die Umweltschutzorganisation Greenpeace müssten keine weiteren Dörfer dem Tagebau weichen, wenn aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler nur noch so viel Braunkohle verstromt würde, dass die deutschen Klimaschutzziele eingehalten werden.
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) machte in der Aktuellen Stunde zur Braunkohlepolitik jedoch keinerlei Hoffnung auf eine mögliche Rettung der von Umsiedlungen bedrohten Dörfer: Der vor einem Jahr von der Kohlekommission empfohlene Ausstiegspfad aus der Braunkohleverstromung sei ein breiter gesellschaftlicher Konsens, den die Landesregierung nicht verlassen werde, betonte er.
Demnach soll Deutschland bis 2038 schrittweise aus der klimaschädlichen Kohleverstromung aussteigen. Bis zur Sommerpause des Bundestags Anfang Juli sollen ein Kohleausstiegsgesetz und ein Strukturstärkungsgesetz verabschiedet werden, die Details regeln.
Die Landesregierung will die Leitentscheidung für das Rheinische Revier bis zum Jahresende an die neuen Kohlebeschlüsse anpassen. Bis zum Sommer soll ein Entwurf vorliegen.
Die von den Grünen ins Feld geführte Studie fuße auf falschen Annahmen, sagte Pinkwart. Sie rechne auf Grundlage von Klimaschutzzielen, die über das hinausgingen, was verbindlich verabredet worden sei. Zudem werde ein nationales CO2-Budget vorausgesetzt und auf einzelne Kraftwerke und Tagebaue heruntergerechnet - auch dafür gebe es keinerlei verbindliche Grundlage.
Sowohl die Regierungsfraktionen von CDU und FDP als auch die beiden übrigen Oppositionsfraktionen, SPD und AfD, nahmen die Grünen in die Zange und warfen ihnen unredliches Taktieren auf dem Rücken der Tagebau-Anrainer vor. „Alles, was bislang im Rheinischen Revier durch RWE stattfindet, findet auf Basis der Leitentscheidung aus dem Jahr 2016 statt, der ihre Partei hier im Landtag in Kenntnis des Pariser Abkommens zugestimmt hat”, stellte Pinkwart fest.
CDU, SPD und FDP warfen den Grünen vor, den Kohlekonsens aufzukündigen, dem sie vor einem Jahr noch zugestimmt hätten. Ohne die vollständige Inanspruchnahme der gemeinsam vereinbarten Kohleverstromungsmengen sei der Stilllegungsprozess nicht umsetzbar, betonte der SPD-Abgeordnete Stefan Kämmerling. Alle vier Parteien warfen den Grünen Unzuverlässigkeit vor.
Der CDU-Abgeordnete Thomas Schnelle sagte: „Der Prozess ist in vollem Gange, ein Stopp wäre viel zu spät.” Während in den fünf Umsiedlungsorten Ende 2016 noch 1566 Menschen gelebt hätten, sei es jetzt nur knapp die Hälfte. Für 80 Prozent der Anwesen gebe es bereits Einigungen mit RWE. Die weit überwiegende Mehrheit mache sich also auf den Weg oder wohne schon in neuen Orten.
Für die Zukunft der Kohleregionen sei es wichtig, die Empfehlungen nun zügig umzusetzen, unterstrich der FDP-Abgeordnete Dietmar Brockes. An zwei Stellen müsse allerdings nachgebessert werden: bei Steinkohlekraftwerken, die nach bisherigem Plan ab 2027 entschädigungslos abgeschaltet werden sollen, und bei Anreizen für Anlagen, die erneuerbare Energien mit Kraft-Wärme-Kopplung nutzen.
Die AfD ist gegen den Ausstieg aus der Kohle. Der Abgeordnete Christian Loose warf vor allem den Grünen vor, sich einseitig auf Klimaschutz zu konzentrieren und die Versorgungssicherheit außer Acht zu lassen.
Auch Pinkwart räumte ein: „Die Versorgungssicherheit ist bei weitem noch nicht sichergestellt.” Der dafür nötige Ausbau der Energienetze und Speicher und auch der avisierte Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor um rund 60 Prozent bis 2030 seien „längst noch nicht geschafft”. (dpa/lnw)