AboAbonnieren

1000 Meter lang, 30.000 Tonnen schwerSo wird die Lennetalbrücke verschoben

Lesezeit 4 Minuten
Lennetalbrücke

Der neugebaute Teil (rechts) der Lennetalbrücke steht neben dem befahrenen Stück der A 45.

Hagen – Das ist ein kleiner Meilenstein des Ingenieurbaus. Am Freitag, 5. März, wird an der Sauerlandlinie (A 45) in Hagen zum ersten Mal in Deutschland eine neue Brücke eingeschoben, die fast 1000 Meter lang und mit 30.000 Tonnen dreimal so schwer ist wie der Eiffelturm. Um 20 Meter wird sich das Neubauteil der Lennetalbrücke an den Brückenzwilling heranschieben, über den derzeit der gesamte Verkehr läuft. Mit 0,003 Kilometer pro Stunde.

Knapp vier Jahre lang wurde das Bauwerk, das auf Hilfspfeilern errichtet wurde, bereits täglich von 90.000 Autos zwischen Dortmund und Hagen genutzt, während parallel die aus einem Teil bestehende alte Brücke abgebrochen und eine neue Hälfte gebaut wurde.

Anheben ist Millimeter-Arbeit

Jetzt wird zusammengeschoben, was zusammengehört. In den vergangenen Wochen ist die Brücke Stück für Stück angehoben und auf Schlitten gesetzt worden. Eine Millimeter-Arbeit, damit der Überbau nicht beschädigt wird. Das Anheben muss bei jedem Pfeiler synchron geschehen. Die Abweichung darf zwei Millimeter nicht überschreiten.

Mit einer Geschwindigkeit von 0,003 Kilometer pro Stunde wird sich der Überbau der Fahrtrichtung Frankfurt in Bewegung setzen.

„Eine Weinbergschnecke würde das Rennen gewinnen. Sie ist 0,001 Kilometer schneller“, sagt Michael Neumann, Bauleiter der Autobahn GmbH Westfalen. 15 Hydraulik-Aggregaten, die auf Verschub-Achsen montiert sind, setzen das Bauwerk unter dem Einsatz dünner Stahlseile in Bewegung. Es wird dabei auf Teflonplatten gleiten und nicht, wie in anderen Fällen schon praktiziert, auf einem Film aus Spülmittel, sondern auf einem Spezialfett, dessen Konsistenz in mehreren Versuchen ermittelt wurde.

Das Wetter muss mitspielen

Zusätzlichen Anschub könnte am 5. März auch der Wind geben, weil die Brückenhälfte mit ihrem stählernen Hohlkasten und den bereits montierten Lärmschutzwänden eine große Angriffsfläche bietet. „Damit wir da gegensteuern können, gibt es sechs Hydraulikaggregate, die einen Gegenzug aufbauen. Auf wenn wir immer von Verschub sprechen. Die Brücke wird eigentlich gezogen“, sagt Neumann.

Wenn die Brücke an Ort und Stelle steht, müsse man die Hilfspfeiler und die Verschub-Bahnen nur noch zurück bauen. Davon werden die Autofahrer aber nichts mehr mitbekommen. Der Termin könnte nur aus Wettergründen platzen. Bei starkem Wind oder Frost wäre das Risiko zu groß.

Kein Vorbild für Leverkusen

Federführend für dieses Bauprojekt ist das Essener Bauunternehmen Hochtief, das als Teil einer Bietergemeinschaft im Januar die Ausschreibung zum Weiterbau der Leverkusener Rheinbrücke gewonnen hat.

„Die alte Lennetalbrücke hatte nur einen Pfeiler für beide Fahrtrichtungen. Es war einfach nicht möglich, unter laufendem Verkehr eine Seite abzuschneiden“, sagt Hochtief-Projektleiter Jan Flegendreher. „Beim Verschub müssen wir extrem behutsam vorgehen, damit der Beton nicht reißt.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit der gleichen Bautechnik in Leverkusen den zweiten Brückenteil am Rhein zu errichten und nachträglich einzuschieben, wäre bei der Autobahn 1 an dieser Stelle allein schon aus Platzgründen aber auch wegen der Flussüberquerung nicht möglich, sagt ein Sprecher der Autobahn GmbH Rheinland auf Anfrage. In Leverkusen werden die Brückenteile nacheinander auf konventionelle Art entstehen. Der ersten Teil bis Ende 2023, der zweite dann nach dem Abbruch des alten Bauwerks. Entlang der 257 Kilometer langen Sauerlandlinie hingegen wird die Verschubtechnik in den kommenden Jahren noch mehrfach zum Einsatz kommen.

70 Brücken müssen erneuert werden

Dort müssen zwischen dem Kreuz Dortmund-Nordwest und dem Gambacher Kreuz insgesamt 70 Brücken ausgetauscht werden, 60 davon in NRW. Bei der Talbrücke Rinsdorf in der Nähe von Siegen werden die Ingenieure noch einen Schritt weiter gehen. Dort soll der zweite Neubauteil samt Pfeilern und Fundamenten verschoben werden.

„Das spart noch einmal Zeit und vor allem Geld, weil die Hilfskonstruktion nicht entfernen müssen“, sagt Neumann. „Die Brücke ist schon fertig und steht schon auf ihrer Verschub-Bahn.“ Das Bauwerk in Rinsdorf wiegt 100 000 Tonnen. „Wie der Kölner Dom ohne Fundamente. Das ist dann wieder ein ganz neue Herausforderung“, sagt Neumann. 179 Millionen Euro kostet die gesamte Sanierung der Lennetalbrücke, der Verschub allein schlägt mit zehn Millionen zu Buche. Im Sommer soll sie in Betrieb gehen.