Lernen aus CoronaWie das Reisen in der Region unser Herz erobern könnte
- Vielleicht werden die Deutschen in diesem Jahr gezwungen sein, den Sommerurlaub im eigenen Land zu machen – vielleicht möchten viele auch freiwillig nicht weit verreisen und bevorzugen den Urlaub vor der eigenen Haustür.
- Ist das die Chance, dass uns Deutschen bewusst wird, wie schön das Reisen in der eigenen Region sein kann? Umweltfreundlicher wäre das schließlich auch.
- Eine neue Folge: Lernen aus Corona.
Köln – Viele Tourismusregionen in NRW hoffen, sich in diesem Jahr als attraktive Ferienregion beweisen zu können. „In der Entdeckung der eigenen Region liegt oft ein ganz besonderer Charme“, sagt Eva Stannigel von Münsterland e.V.
Das Reisen dort verbinde Bekanntes mit Unbekanntem und könne genauso überraschen wie ein exotischer Urlaubsort. Wer erwartet zum Beispiel im Münsterland Flamingos? Oder wer kennt den Wasserfall im Sauerland?
„Wir haben jetzt die Chance, in diesem Sommer ein Publikum zu erreichen, das uns bislang nicht im Blick hatte“, sagt Rouven Soyka von Sauerland Tourismus. „Wer die Region dann einmal ins Herz geschlossen hat, der kommt auch schneller wieder zurück.“
Umweltfreundliches Reisen in NRW
Nordrhein-Westfalen hat viele touristische Anlaufpunkte zu bieten. Es gibt gleich fünf Weltkulturerbe-Stätten der UNESCO sowie unzählige Museen, Bühnen und Orchester. Mit 78 Talsperren, 200 Seen und 1500 Flusskilometern gibt es Erholungsgebiete am Wasser. Tierparks und Zoos eigenen sich als Ausflugsziele. NRW hat aber auch rund 14 000 Kilometer Radwege und über 50 000 Kilometer Wanderwege.
„Gerade durch die Isolation sehnen sich viele nach der Natur und der frischen Luft. Auf einem breit aufgestellten Wanderwegenetz wie im Sauerland kommt man sich auch nicht so schnell zu nahe“, sagt Soyka. Das Reisen in NRW habe auch den Vorteil, dass einem die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben bekannt sind. Man könne spontan reisen, sei aber auch schnell wieder zu Hause und müsse keine Angst haben, das Grenzen geschlossen werden.
Neustart für NRW-Ferienregionen
Am 11. Mai öffnen die Campingplätze, Ferienhäuser und Ferienwohnungen.
Touristen dürfen wider Erwarten landesweit schon ab dem 18. Mai und damit früher als geplant in Hotels übernachten, wie NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart am Donnerstag mitteilte. Geplant war vorher, dass die Hotels an Christi Himmelfahrt (21. Mai) wieder öffnen dürfen. Die Betriebe sollen sich mit dem vorgezogenen Start auf das lange Feiertagswochenende vorbereiten können. Auch gastronomische Angebote solle es dann wieder in Hotels geben.
Ab dem 30. Mai sind laut Pinkwart auch wieder touristische Führungen sowie kleine Gruppen- und Busreisen möglich. Für alles gelten laut Pinkwart strenge Hygiene-Konzepte. (dpa)
Die Nähe bringt noch einen anderen positiven Effekt: „Es sind kurze Wege, man ist schnell am Ziel. Da ist der CO2 -Ausstoß wesentlich geringer als für einen Kurztrip nach Malle“, sagt Renate Carstens von der AG Urlaub auf dem Bauernhof. Zum umweltbewussten Urlaub gehöre zudem, dass Kinder den Umgang mit Natur und Tier kennenlernen. Familien aus den Ballungszentren gehören zu ihrer Hauptzielgruppe.
Doch auch junge Leute machten beispielsweise Radurlaube und sind von Hof zu Hof unterwegs. „Man lernt nicht nur seine eigene Heimat kennen, man stärkt das Land auch.“ Es würden in der eigenen Region Arbeitsplätze geschaffen, was den ländlichen Raum lebenswert erhalte. „All das gehört für mich zum nachhaltigen Reisen“, sagt Carstens. Manche würden nun vielleicht gezwungen werden, in NRW zu bleiben. Doch so könne man es kennen- und liebenlernen. „Vielleicht merkt der eine oder andere, dass er in Zukunft für Erholung gar nicht in die Ferne fahren muss.“
Die Verluste im Tourismus sind groß
Dennoch, es komme auch zu einem extremen Nachfrageeinbruch, so Tonia Haag von NRW Tourismus. Etwa jeder fünfte Übernachtungsgast in NRW sei in den letzten Jahren aus dem Ausland gewesen. „Diese Gäste fallen weg. Das zu kompensieren, wird kaum möglich sein“, sagt Haag. Dies betreffe insbesondere die Stadtregionen wie Köln und Düsseldorf.
Bislang sei die Tourismusbranche in NRW divers. „Wir fürchten, dass das Angebot nach der Krise nicht mehr so ausschauen wird, wie vorher, wenn nicht gegengesteuert wird.“ Die Umsatzeinbußen und Insolvenzängste seien groß.
Das könnte Sie auch interessieren:
Sebastian Hartmann, Landesvorsitzender der NRW-SPD, warnt ebenfalls davor, dass kleinen Pensionen und Übernachtungsbetrieben die Reserven ausgehen und sie schließen müssen. Vergünstigungen wie die Mehrwertsteuersenkung lehnt Hartmann ab. „Wir brauchen stattdessen Betriebskostenzuschüsse und gezielte Unterstützung der Beschäftigten im Gastronomiegewerbe.“
In der Tourismuswirtschaft besteht zudem die Ungewissheit über das Reiseverhalten der Deutschen. Nicht jeder werde nach den Lockerungen die Möglichkeit zu reisen gleich nutzen oder nutzen können, so Soyka. Viele werden ihre Urlaubstage schon für Kinderbetreuung verbraucht, andere aufgrund von Kurzarbeit finanzielle Schwierigkeiten haben.
Der SPD-Vorsitzende spricht sich für gezielte Hilfen in Form von kleinen finanziellen Zuschüssen von Bund oder Land für Familien aus, die sich aufgrund der Situation den geplanten Urlaub nicht mehr leisten können. „Nach all den geschlossenen Kitas, Homeschooling und Kurzarbeit wäre das vielleicht fast ein bisschen Familienkur und stützt die Nachfrage in den Bereichen Hotel und Gaststätten.“
NRW für zu Hause
Um die Menschen noch zu Hause zu halten, hat NRW Tourismus virtuelle Erlebnisse entwickelt. Mit Hilfe von 360°-Aufnahmen kann beispielsweise ein Blick in den Aachener Dom oder ins Schloss Corvey geworfen oder Museen in virtuellen Rundgängen besucht werden. „Wir wollen so eine kleine Freude ins Wohnzimmer bringen und vielleicht schaffen wir es dadurch auch auf die Bucket-List für die Zeit nach Corona“, sagt Haag.