Bis zum 28. April erwartet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Freigabe zum schnelleren Ausbau von 66 Autobahnprojekten in NRW - darunter auch für die das Leverkusener Kreuz und Kölner Autobahnabschnitte. Doch im Land regt sich Widerstand gegen die Pläne des FDP-Verkehrsministers.
Wissings Autobahnpläne für NRWAusbau des Leverkusener Kreuzes und der A1-Megastelze soll schneller gehen
Von einem Ultimatum will NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer nicht reden, doch der Brief, der den Grünen -Politiker und alle anderen Verkehrsminister und Ministerinnen am Dienstag aus Berlin erreicht hat, birgt politischen Sprengstoff. Der Absender, Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), verlangt von den Ländern, ihm bis Freitag kommender Woche einen Freifahrtschein zum beschleunigten Ausbau von 145 Autobahnprojekten in Deutschland auszustellen, die sich als Stauschwerpunkte und Engpässe erwiesen haben.
Autobahnausbau in NRW: 380 Kilometer Fahrbahn sollen hinzukommen
Mit Abstand die meisten - 66 an der Zahl, mit einer Länge von 380 Kilometern - liegen in Nordrhein-Westfalen. Darunter auch die höchst umstrittene Verbreiterung der sogenannten Megastelze auf der A1 in Leverkusen auf acht Spuren, der Ausbau des Leverkusener Kreuzes in der großen Variante und der achtstreifige Ausbau der A3 zwischen Köln-Mülheim und dem Kreuz Oberhausen in allen Abschnitten, in denen das noch nicht geschehen ist.
Das Projekt hat Krischer schon vor Monaten als nicht mehr zeitgemäß bezeichnet. Auch der Leverkusener Stadtrat läuft seit mehr als einem Jahr dagegen Sturm. Gegen die geplante Verbreiterung der A3 zwischen Leverkusen und Hilden auf acht Spuren wehren sich Bürgerinitiativen seit Jahren. Sie wird wegen der langen Bauzeit selbst von den Industrie- und Handelskammern Düsseldorf und Wuppertal äußerst kritisch gesehen. Beide halten den Ausbau des Standstreifens als vierte Fahrspur für ausreichend. So sieht das auch der NRW-Verkehrsminister. Grundsätzlich müsse der Erhalt der Infrastruktur vor dem Ausbau stehen.
Noch in dieser Woche, kündigt Wissing in dem Brief, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, dem „sehr geehrten Kollegen“ Krischer an, solle in Bonn ein „begleitendes Fachgespräch“ stattfinden, „um Ihnen die Hintergründe zu erläutern und etwaige Fragen zu klären“.
Eine Woche Zeit für Zustimmung oder Ablehnung
Nach dem Gespräch, das für Donnerstag terminiert ist, haben nach Vorstellung des Bundes die Länder noch eine Woche Zeit, ihr Einverständnis zu geben, ob die Projekte in das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz aufgenommen werden. Der Gesetzentwurf werde dann in die Länderanhörung gehen und „soll zügig im Kabinett behandelt werden“, schreibt der Bundesverkehrsminister.
Das neue Gesetz sieht vor, für eine begrenzte Zahl von besonders wichtigen Projekten zur Engpassbeseitigung ein überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben. So könnten sich die Planungszeiten für Verkehrswege halbieren. Ende März hatten sich die Regierungsparteien von SPD, Grünen und FDP in Berlin im Koalitionsausschuss darauf verständigt.
Die dürren Zeilen aus Berlin sorgen im Düsseldorfer Verkehrsministerium für Kopfschütteln. Wissings Pläne seien nicht einmal auf der Verkehrsministerkonferenz im März in Aachen vorgestellt worden, sagt Krischer. NRW hat im Januar den Vorsitz dieser Runde übernommen.
„Und dann sollen innerhalb von acht Tagen alle deutschen Landesregierungen mal eben einer Liste zustimmen, die sich Herr Wissing mal eben ausgedacht hat“, so der NRW-Verkehrsminister weiter. „Auf der Basis lässt sich keine seriöse Entscheidung treffen. Daher werden wir jetzt erst einmal das Fachgespräch abwarten und dann auch sicherlich erfahren, ob der Bundesverkehrsminister überhaupt ausreichend personelle Kapazitäten zur Verfügung hat, um alle Autobahnprojekte auf der Liste und die Brückensanierungen überhaupt in Angriff zu nehmen, oder ob es nicht doch eher wieder nur Planungsfriedhöfe handelt“, so Krischer.
Rund um Köln sind viele Autobahnprojekte von Wissings Plänen betroffen
Sieht man einmal von Neubauprojekten wie der Rheinspange als neuer Rheinquerung im Kölner Süden oder dem Lückenschluss der A 1 in der Eifel ab, stehen nahezu alle Ausbauvorhaben im bevölkerungsreichsten Bundesland auf der Wissing-Liste. Sie betreffen Abschnitte auf der A1, A2, A3, A4, A30, A40, A42, A45, A52, A57 und A59.
In Köln sind das neben den Projekten in Leverkusen auch die Verbreiterung der A4 vom Kreuz Köln-Ost bis Moitzfeld auf sechs Streifen, die A1 zwischen dem Dreieck Erfttal und dem Kreuz Köln-West, die A3 zwischen Königsforst und dem Dreieck Heumar, der Ausbau des Köln-Süd (A4), die A559 zwischen dem Dreieck Porz und Gremberg und die Erweiterung der A57 auf sechs Fahrstreifen zwischen Köln-Chorweiler und Dormagen. In Bonn geht es um die A59 zwischen dem Kreuz Bonn-Ost, dem Dreieck Nordost, St. Augustin und dem Dreieck Porz.
„Statt sich monatelang mit 145 Ausbauprojekten zu beschäftigen, hätte ich mal gerne eine Antwort auf die viel relevantere Frage, wie Minister Wissing 873 Autobahnbrücken allein in NRW in den nächsten zehn Jahren sanieren will“, sagt Krischer. Nach der Rahmedetalbrücke im Sauerland „haben wir mit der Haarbachbrücke in Aachen jetzt die nächste Langzeitsperrung mit katastrophalen Folgen.“ Er habe kein Verständnis für diese Prioritätensetzung. „Uns bröseln gerade die Autobahnbrücken unter den Reifen weg“, so Krischer. „Was nützt eine zehnspurige Autobahn, wenn sie vor einer Brücke endet, die wegen Baufälligkeit gesperrt ist?“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in NRW erwartet von Krischer, dass er bei seiner ablehnenden Haltung bleibt, die Zustimmung zur Aufnahme der 66 Projekte in das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz verweigert und damit auch einen Koalitionskrach in der Landesregierung riskiert. „Wir gehen davon aus, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst dazu tendiert, den beschleunigten Ausbau zu befürworten“, sagt BUND-Geschäftsführer Dirk Jansen. „Dazu braucht Wüst die Grünen. Die spannende Frage wird sein, ob sie umfallen oder standhaft bleiben. Das erwarten wir jetzt von Minister Krischer.“
Naturschutz-Bund kritisiert das Beschleunigungsgesetz
Der Bau aller 145 Projekte in Deutschland würde mehr als 80 Naturschutzgebiete zerstören. Aus Sicht des BUND sei ein Beschleunigungsgesetz gar nicht erforderlich, wenn die Planfeststellungsverfahren besser vorbereitet seien und am Ende nicht gegen jeden einzelnen Bescheid geklagt werden könne. „Das gilt auch für die Rahmedetalbrücke“, sagt Jansen.
Wie der Konflikt zwischen NRW und dem Bund ausgeht, lässt sich nur schwer abschätzen. In Düsseldorf befürchtet man, dass der schnellere Ausbau zulasten der Sanierungsprojekte wie der Brücken auf der Sauerlandlinie gehen könne. Überdies sei völlig unklar, wie der Planungsstand der Projekte ist, die auf der Wissing-Liste auftauchen. Teilweise werde dort schon gebaut, bei anderen gebe es noch gar keine Planung. Im Detail weiß bis heute im NRW-Verkehrsministerium niemand, wie die Wissing-Liste zustande gekommen ist.
Klar scheint: Eine Blanko-Vollmacht an den Bund für den schnelleren Ausbau wird es von NRW nicht geben.