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A1 Köln-LeverkusenFalsche Fax-Nummer führt zu Chaos bei Brückenbau

Lesezeit 4 Minuten

An der Brücken-Baustelle soll in wenigen Wochen weitergearbeitet werden.

Düsseldorf/Leverkusen – Der Landesbetrieb Straßen NRW hätte den Zuschlag für den Weiterbau der Leverkusener Rheinbrücke im Dezember 2020 nicht erteilen dürfen, weil die Vergabekammer die Nachprüfungen nicht abgeschlossen hatte.

Ein entsprechendes Fax der Vergabekammer ist nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber wohl „auf dem falschen Schreibtisch gelandet“. Offenbar hat die Kammer das Papier nach Köln gefaxt, während bei Straßen NRW in Gummersbach eigens ein Mitarbeiter angewiesen war, auf das Dokument zu warten, das dort dann aber nie ankam. Bei Straßen NRW ist man sicher, die richtige Nummer angegeben zu haben. Warum die Vergabekammer noch Prüfungsbedarf hatte, ist unklar.

Zuschlag ohne Wirkung

Deshalb hat der Landesbetrieb den Zuschlag an die Bietergemeinschaft um den Hannoveraner Stahlbauer SEH Engineering per Fax am 1. Dezember 2020 vergeben und musste 24 Stunden später einräumen, dass dieser wirkungslos sei. Die Bietergemeinschaft hatte mit 176,4 Millionen Euro das günstige Angebot abgegeben. Der einzige Konkurrent war rund 51 Millionen Euro teurer.

Das Bundesverkehrsministerium hatte die Angebote beider Bieter vorab geprüft und Straßen NRW dazu aufgefordert, den Zuschlag an den billigsten Anbieter zu erteilen. Jetzt sind die beiden Konkurrenten aufgefordert, bis Ende Januar neue Angebote abzugeben und dabei nicht mehr an ihre ursprünglichen Preise gebunden. Die Preisbindungsfrist ist am 18. Dezember abgelaufen.

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Experten gehen davon aus, dass der komplette Bauauftrag letztlich neu ausgeschrieben werden muss. „Hier sind schon so viele und ungewöhnliche Fehler passiert, dass das die einzige vernünftige Lösung ist“, sagt der Bausachverständige Helmut Hesse, der im Auftrag Leverkusener Bürgerinitiativen die Kombilösung mit kleiner Brücke und dem langen Tunnel unter dem Rhein geplant hatte. Zuvor müssten die Ausschreibungsunterlagen überarbeitet werden.

„Wer bei so einfachen Vorgängen so viele Fehler hinterlässt, bei dem ist zu vermuten, dass auch noch andere Fehler in der Ausschreibung stecken, die noch nicht entdeckt worden sind“, sagt Hesse. Eine Neuausschreibung würde den Weiterbau der Brücke nach seiner Einschätzung um weitere sechs bis acht Monate verzögern. Sie war nötig geworden, weil Straßen NRW dem ursprünglichen Generalunternehmer Porr AG im April 2020 wegen mangelhafter und irreparabler Stahlbauteile aus China gekündigt hatte. Bisher ist geplant, dass der erste Brückenteil im November 2023 eröffnet werden kann. Dieser Zeitplan wäre dann nicht zu halten.

IHK fordert: Keine Lkw-Maut rund um Köln

Angesichts des desolaten Zustands der Rheinbrücken fordert die IHK Rheinland eine Aussetzung der Lkw-Maut in einem Radius von 50 Kilometern rund um Köln. Allein durch Umwege und Staus entstünden den Unternehmen im Durchschnitt Verluste von 1500 Euro pro Arbeitstag. „Das sind 330.000 Euro im Jahr. Die müssen erstmal erwirtschaftet werden“, sagte Ulrich Soénius, Geschäftsführer der IHK Köln, am Mittwoch in Düsseldorf.

Die Handelskammern im Rheinland haben eine Studie über den Zustand der Rheinbrücken erstellt. Darin wird der Zustand der Brücken im Durchschnitt als „nicht ausreichend“ bewertet. Die insgesamt 28 Straßen- und Eisenbahnbrücken über den Rhein in NRW seien im Schnitt 60 Jahre alt. Im Nachbarland Niederlande hätten die Brücken dagegen durchschnittlich 50 Jahre auf dem Buckel. Besonders alte seien die kommunalen Rheinbrücken mit durchschnittlich 63 Jahren.

Lange Liste von Sorgenkindern

Die Wirtschaft im Rheinland fordert eine schnellere und besser aufeinander abgestimmte Sanierung der maroden Brücken über den Rhein. „Die Liste der Sorgenkinder ist 2020 länger geworden“, sagte der Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer, Burkhard Landers. Nach der A1-Brücke bei Leverkusen und der A 40-Brücke in Duisburg drohe jetzt auch die A 46-Brücke in Düsseldorf „in die Knie zu gehen“.

Skeptisch sieht die Wirtschaft, dass seit Jahresbeginn mit der Autobahngesellschaft des Bundes eine weitere Behörde für die Rheinbrücken zuständig ist. Um Planung und Sanierung zu beschleunigen, fordern die IHKs unter anderem, alle Rheinbrücken in ein Sondervermögen des Bundes zu überführen, das von einer Gesellschaft verwaltet wird. Sie müsse mit ausreichend Geld ausgestattet werden, um Instandhaltung, Grundsanierung und Kapazitätserweiterungen dauerhaft finanzieren zu können. Überdies müsse es einen NRW-Projektbeirat bei der neuen Autobahn GmbH geben, der regelmäßig tage und über die Fortschritte bei den Bauprojekten informiert werden.

Italien als Vorbild nehmen

„Wir müssen deutlich schneller werden“, sagte Landers. Planungs- und Bauzeiten für Brücken seien in den vergangenen Jahren nicht kürzer, sondern länger geworden. Deutschland solle sich ein Vorbild an Italien nehmen. Dort sei nach dem Brückeneinsturz in Genua der Neubau nach nur zwei Jahren fertig gewesen. „Das muss auch unser Anspruch sein.“

Auch die Verkehrslenkung bei Brückensperrungen müsse verbessert werden, verlangte Landers. Für jede Rheinbrücke sei „eine Art Stresstest“ notwendig. „Nur wenn man weiß, was man im Notfall machen muss, kann man schnell reagieren.“. Der Reaktion auf den Brand eines Lastwagens unter einer Brücke über die A 40 in Mülheim zeige, dass NRW an diesem Punkt Fortschritte gemacht habe. (mit dpa)