Leverkusen – Eine Staubwolke liegt am Samstag über der Schusterinsel, wer über den oberen Eingang kommt, kann sie in der tiefstehenden Abendsonne gut sehen. Einmal angekommen in glückseligen Festgetümmel fällt diese aber weniger auf, als der Bier- und Bratwurstdunst in der Menschenmenge. Es ist voll, aber nicht gedrängt. Schnell wird klar: Auch wenn es deutlich weniger Stände sind als vor Corona und anstelle des Zirkuszeltes eine Bühne steht, das ist die echte Opladener Bierbörse. Die erste seit drei Jahren.
Urlaubsstimmung kommt auf
Mehr als 100 verschiedene Bierspezialitäten fließen in diversen Biergärten auf der Schusterinsel aus den Zapfhähnen und warten darauf, entdeckt zu werden. Darunter besondere und exotische Bierkreationen. So kann schon mal Urlaubsstimmung aufkommen. Daniel Djuritschin und Maik Geh sind Bierbörsenstammgäste aus Leidenschaft und das wohl schon seit 2010. „San Miguel Bier hat ein richtiges Urlaubsfeeling“, sind die beiden sich einig, „aber das beste hier sind die Standbetreibenden: herzlich, freundlich und zuvorkommend. Das macht einfach Spaß.“
Betreiberin Sandra Grabbe verrät das Geheimnis hinter der Stimmung: „Das milde Lagerbier ist natürlich Ballermann pur!“ Auch Denis Akkas und sein Bruder Can begeben sich mit den Freunden Luca Bruni und Julian Haas auf einen geschmacklichen Flug in den Urlaub: „So schmeckt Amazonien!“ Für die 18-Jährigen ist es die erste Bierbörse, sie planen sich heute durchzuprobieren. „Die Hitze fördert eher die Bierbörse“, vermutet Haas. Und sie fordert das ohnehin mühsam zusammengesuchte Personal. „Für alle Mitarbeitenden ist das sehr anstrengend, wir haben hier eine Farbe bekommen wie auf Mallorca, dabei sind wir nur auf der Bierbörse“, sagt Veranstalter Werner Nolden.
Sandra Ahless hat eine genaue Vorstellung von einem perfekten Bier: „Kalt muss es sein, prickelnd aber mild mit einer zarten Schaumkrone.“ Bei der riesigen Auswahl dürfte auf jeden Fall für jeden Geschmack das passende Gebräu dabei sein.
Neben der drückenden Sonne sind auch die Preise hier für viele bedrückend. „Hier trifft man heute keinen Besoffenen! 3,50 Euro für ein kleines normales Bier ist ja eine Frechheit“, beschwert sich ein Herr. Auch für Nadine Bembennek, Ann-Christin Schnieders und Jenny Palumbo ist das ein Thema: „5,50 Euro für 0,25 Liter Belgisches Kirschbier – da sind wir fast umgefallen.“ Das Thema beschäftigt auch Nolden. „Im Vergleich zu 2019 sind die Produktionspreise beim Bier um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Und das ist ja noch nicht mal das Ende der Fahnenstange. Alle Brauereien produzieren mit Gas, da wird im Winter noch etwas auf uns zukommen“ Was das für künftige Bierbörsen bedeuten könnte, mag er sich noch nicht ausmalen. „Heute bin ich einfach nur überglücklich, dass das Fest wieder stattfindet und so gut angenommen wird." Am Freitag seien nach Schätzung der Polizei in der Spitze zwischen 5000 und 6000 Besucher gleichzeitig auf der Schusterinsel gewesen, am Samstag seien es über den Tag verteilt rund 20.000 gewesen, meint Nolden.
Von den gestiegen Preisen lassen sich die Frauen aber nicht die Stimmung vermiesen. „Wir feiern und trinken wie jedes Jahr“, sagt Nadine Bembennek. Sie sei sogar froh über das Wetter: „Sonst haben wir hier Matsche.“ Die Wiesen sind hier auf noch deutlich grüner als anderswo. „Wir mussten die unterirdischen Wasserleitungen ohnehin durchspülen, da haben wir ordentlich gewässert“, erklärt Nolden. Die Wege werden bei der Hitze und Beanspruchung dennoch sofort wieder staubig.
Die Mönche Bruder Hartmut und Bruder Dieter erklären, was das Besondere an dem Bier aus der Region südwestlich von Brüssel sei: „Da liegt Hefe in der Luft, so dass bei den Früchten eine Spontangärung stattfindet – das gibt’s sonst nirgendwo.“ Es dauere zwei Jahre bis die Grimbergen Fruchtbiere ihren vollendeten Geschmack entfalten. Neben Erdbeerbier empfiehlt eine Stammgästin Kirschbier: „Malzig, süffig, herb und kalt – einfach köstlich.“
Schlange am Schinkenhaus
Die erste lange Schlange bildete sich am Freitagabend tatsächlich gar nicht für ein Bier, sondern am Schinkenhaus. Dass es erstmal keine Live-Musik gibt, lassen sich die Irlandfreunde Leverkusen vom Clan Eirinn Caraidean nicht gefallen – sie haben kurzerhand einen Dudelsack mitgebracht. „Die wenigsten dürften bis jetzt schon unser Clanbier Frankonia probiert haben“, sagt Mathias Brandes. Es sei der erste große Auftritt des lang entwickelten Gebräues. Gemeinsam mit den Clan-Freunden Bernhard Soldner, Patrick Blumenau und Christian Oeser genieße er den Auftakt der Bierbörse und freue sich auf das Wochenende.
„Das beliebte Zirkuszelt gibt es dieses Jahr leider nicht“, teilt Veranstalter Werner Nolden beim Fassanstich mit, „stattdessen wurde uns glücklicherweise eine Bühne zur Verfügung gestellt.“ Aber er räumt auch ein, dass aus Kostengründen am Bühnenprogramm etwas gespart werden musste. Trotzdem sei er voller Euphorie, endlich wieder eine normale Bierbörse durchführen zu können.
Dafür dankt Oberbürgermeister Uwe Richrath ihm, allen Mitwirkenden und allen Gästen: „Es geht darum, dass wir hier zusammen sind, Spaß und Freude haben und feiern, wie schön Leverkusen ist – wie schön die Bierbörse ist.“ Gesagt getan: Die Stimmung ist ausgelassen, so dass Nolden den Gästen schon am ersten Abend dankt und eine erfolgreiche Bilanz zieht: „Wir sind glücklich, nach zwei Jahren Pandemie so viele Besucher begrüßen zu können.“ Eins sei gewiss, die nächste Bierbörse kommt bestimmt. Und natürlich Guildo Horn, der kommt am Montagabend auf die Bühne, am Sonntagabend werden Brings den Besuchern einheizen.