Wer bei der Verbreiterung von A 1 und A 3 in Leverkusen nur auf die Baukosten schaut, liegt falsch. Der Volkswirt Immo Filzek hat die wahren Kosten kalkuliert. Und kommt zu einer anderen Lösung als Brücken plus Megastelze.
A 1 in LeverkusenWarum der lange Tunnel unterm Strich billiger ist
Man sollte es machen wie die Bahn. Die weiß dank ihres Fahrplans nicht nur, was zum Beispiel eine neue Brücke kostet. Sondern auch, mit welchen Beträgen die Zugumleitungen zu Buche schlagen. Deshalb ist in solchen Fällen auch immer höchste Eile geboten. Hat man zuletzt bei der neuen RRX-Querung über den Willy-Brandt-Ring gesehen.
Straßenplaner kalkulieren anders. Denen ist es nicht so wichtig, ob eine Verbindung wegen Bauarbeiten über Jahre gesperrt ist, ganz oder für Lastwagen. Wie die Rheinbrücke. Daran ändert auch nichts, dass die Kosten für die Lkw-Sperrung der Leverkusener Brücke vor Jahren in der ersten Aufregung ziemlich genau beziffert wurden, zum Beispiel von der Kölner Industrie- und Handelskammer. Eine nunmehr acht Jahre alte Umfrage ergab, dass allein den Unternehmen im Schnitt täglich 1700 Euro Kosten durch die Umleitung entstehen. Schließlich sind rund 35 Kilometer Umweg zu fahren.
Nicht nur Unternehmen leiden
Eine andere Untersuchung hat der Sachverständige Helmut Hesse vor vier Jahren vorgelegt. Er rechnet insgesamt mit jährlich 700 Millionen Euro Schaden für die Volkswirtschaft, weil er auch andere Effekte einbezieht und nicht nur die Unternehmen anschaut, sondern auch die Berufspendler, zum Beispiel.
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Auf die Art und Weise, wie der Ausbau der Autobahnen 1 und 3 abgewickelt wird, haben diese Zahlen bis heute allerdings keinerlei Auswirkung. Das ärgert Immo Filzek nicht bloß – der Volkswirt aus Bürrig findet es unverantwortlich.
Deshalb hat er sich in die Materie vertieft, hat Zahlen verglichen, Plan und Wirklichkeit beim bisherigen Bau der Rheinbrücke betrachtet und auf 19 Seiten kalkuliert, was die verschiedenen Lösungen kosten, wenn man nicht nur den Bau betrachtet, sondern alles.
Das Papier hat er dem neuen Umwelt- und Verkehrsminister des Landes geschickt. Filzek hofft – wie OB Uwe Richrath –, dass Oliver Krischer das Leverkusener Autobahnprojekt tatsächlich noch einmal vorurteilsfrei betrachtet. Der Grüne hatte nach seiner Visite vor zweieinhalb Wochen unter der Stelze gesagt: „So wird man nicht weitermachen können.“
Schon die erste Rechnung geht nicht auf
Schon die ursprüngliche Planung für die Rheinbrücke sieht – volkswirtschaftlich betrachtet – völlig anders aus als die Zahlen der Planer nahelegen. Man erinnert sich: Ende 2020 sollte die erste Brücke stehen. Also die, die gerade gebaut wird. Damit hätten wieder Lastwagen den Strom auf der A 1 queren können, wodurch die Umleitungskosten dort weggefallen wären. Danach soll die A 3 auf vier Fahrspuren in beiden Richtungen verbreitert, danach die Rheinbrücke mit dem umgebauten Leverkusener Kreuz verbunden werden.
Filzek kommt schon im längst durch die Zeitverzögerung beim Brückenbau obsoleten Szenario auf volkswirtschaftliche Effekte von mehr als fünf Milliarden Euro. Die ursprünglich veranschlagten Baukosten lagen dagegen bei nicht mal 1,3 Milliarden, „machen also nur 19,5 Prozent der gesamten Kosten aus“, schreibt er.
Inzwischen werden durch den Zeitverzug Ausbaukosten von knapp 1,8 Milliarden Euro anfallen, hat der Bürriger kalkuliert. Was den Schaden durch Umleitungen und sonstige Belastungen in Leverkusen angeht, macht sich die längere Bauzeit – schätzungsweise bis Ende 2034 – aber noch deutlicher bemerkbar: 7,7 Milliarden Euro. In Summe fallen nach Filzeks Berechnungen somit knapp 9,5 Milliarden Euro an.
Was ihn zum entscheidenden Punkt führt: Seit Jahren kämpft Filzek in vorderer Reihe für einen langen Rheintunnel, inzwischen kombiniert mit einer Brücke, die ja inzwischen immerhin zum Teil da steht. Filzek - wie etwa auch der heutige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach - sieht die Querung als Verbindung für den regionalen Autoverkehr, während das Gros unter dem Strom hindurch bis zur Kreuzung mit der A 3 geleitet wird.
Sieben Jahre Zeitgewinn
Technische Bedenken sieht der Bürriger nicht. Da vertraut er dem Tunnel-Spezialisten Ulrich Rehm und einer neuen Ausarbeitung. Sie dient Filzek auch als Basis für eine Kostenschätzung: Zwei Milliarden Euro könnte der lange Rheintunnel kosten. Damit wäre er zwar doppelt so teuer wie die beiden Brücken. Aber damit seien ja längst nicht alle Kosten erfasst. Auch die Zeit spielt eine Rolle. Für den Bau kalkuliert Filzek sechs Jahre. Würde man schnell beginnen, wäre die Verbindung etwa sieben Jahre früher fertig.
Und das sähe dann so aus: Baukosten knapp 2,8 Milliarden Euro. Umwegskosten wegen der Zeitersparnis 4,9 Milliarden. Macht in Summe knapp 7,7 Milliarden. Also 1,8 weniger als bei der „Vorzugsvariante“.