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Aufklärung verlangtRechtsextreme feiern „deutsch-russisches Familienfest“ in Leverkusen

Lesezeit 4 Minuten
Villa Wuppermann.

Villa Wuppermann.

Die Rechtsextremisten vom „Aufbruch Leverkusen“ feiern ein „deutsch-russisches Familienfest“ in der Villa Wuppermann. Die Grünen verlangen Aufklärung.

Es sind Szenen und Worte in Bild und Ton, die auf den ersten Blick unscheinbar sind, bei genauerem Hinschauen jedoch irritieren: Markus Beisicht, Chef des rechtsextremistischen „Aufbruch Leverkusen“ und Ratsmitglied, steht in der Villa Wuppermann und spricht zu mehreren Gästen. Im Hintergrund ist Gemurmel von Erwachsenen und Kindern zu vernehmen. Immer wieder gehen Leute durchs Bild. Ein geschmückter Weihnachtsbaum steht in der Ecke des Raumes.

Beisicht sagt in ein Mikrofon: „Freunde, der Leverkusener Oberbürgermeister ist heute leider nicht hier. Es wäre sicher uns angemessen, wenn er uns in diesen städtischen Räumen begrüßen würde. Er ist jetzt leider nicht gekommen. Deshalb muss ich jetzt diesen Part übernehmen. Ich bin ja auch Stadtrat in dieser Stadt. Und ich möchte Sie nochmal ganz herzlich im Namen der Stadt Leverkusen hier in der Villa Wuppermann begrüßen.“ Zu sehen sind diese Szenen auf der Social-Media-Plattform Facebook, wo auch zu lesen ist, dass es sich bei dieser Zusammenkunft um ein „deutsch-russisches Familienfest“ handelt.

Ratsbeschluss vom März 2023

Das fand am Freitag, 5. Januar, in besagter Villa Wuppermann in Schlebusch statt – und schlägt derzeit gehörig hohe Wellen. Da ist nämlich erstens die bekannte ideologische Ausrichtung von Beisichts Organisation: Sie wird vom NRW-Innenministerium als rechtsextremistisch, fremden- und islamfeindlich bezeichnet. Mit ihr verfolgt der Leverkusener seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 eine umstrittene pro-russische Linie.

Alles zum Thema Uwe Richrath

Da ist zweitens der Umstand, dass per Ratsbeschluss vom März 2023 keine Veranstaltungen russischer Künstlerinnen und Künstler mehr in städtischen Einrichtungen stattfinden dürfen – und die Villa Wuppermann ist genau das: eine städtische Kultureinrichtung. Beisicht erwähnt diesen Aspekt im weiteren Verlauf seiner Rede sogar selbst – und weiß somit offenbar genau um die ungeheure Provokation, die in seinen Worten und Taten liegt. Passenderweise lässt er sich auch kurz mit Applaus dafür feiern, dass er seinerzeit als einziger im Rat gegen diesen Beschluss gestimmt hatte.

Und da ist drittens die Tatsache, dass Beisicht im Namen aller Leverkusenerinnen und Leverkusener spricht – und somit die Bürgerschaft einer ganzen Stadt für sich und seine Ansichten vereinnahmt. Dies betonend wurde bei Facebook neben dem Video noch der kommentierende Satz hinzugefügt: „Mit der Stadt Leverkusen ist natürlich nicht die politische Obrigkeit gemeint, sondern die Menschen unserer Stadt.“

Die Grünen reagieren zuerst

Die Fraktion der Leverkusener Grünen hat nun – nachdem ihren Mitgliedern das Video des Treffens vor angeblich knapp 100 Menschen auffiel – zuerst reagiert. Über ihren Geschäftsführer Sven Weiss schickten die Grünen eine Anfrage an Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD), in der sie Erklärungen und Antworten verlangen: Wie kam es zu einem Treffen dieser Art? Und wie konnte es überhaupt zu dieser Vermietung einer städtischen Einrichtung an den Aufbruch kommen? „Eine lückenlose Aufarbeitung des Sachverhaltes“ sei wichtig. Die Grünen unter streichen in ihrer Anfrage an den OB: „Herr Beisicht spricht weder für die Stadt Leverkusen noch für aufgeklärte Menschen in dieser Stadt.“

Was die Stadtverwaltung von dem Vorgang hält, ist zwar noch nicht bekannt. Nach Auskunft von Sprecherin Ariane Czerwon liege die Anfrage derzeit beim OB. Es werde nun genau geprüft, was vorgefallen und wie all das zu bewerten sei. Erst dann gebe es eine öffentliche Auskunft.

Indes: Thomas Schorn vom Job-Service Leverkusen als jenem Dienstleister, der für die Vermietung der Villa Wuppermann zuständig ist, sagt schonmal zweierlei: Zum einen habe man keine rechtliche Handhabe, Parteien von vornherein von einer Vermietung städtischer Einrichtungen auszuschließen. Das gelte im Zweifelsfall sogar dann, wenn eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werde. „Wir haben das in der Vergangenheit schon mehrfach rechtlich prüfen lassen.“

Und zum anderen ist da der Wortlaut, mit dem die Verantwortlichen des Aufbruchs die Vermietung wohl angingen: Im Mietvertrag sei am Ende zwar tatsächlich von einem „deutsch-russischen Familienfest“ die Rede. „Aber bei der ersten Anfrage am Telefon wurde unseren Mitarbeitenden gesagt, es handele sich um einen Kindergeburtstag.“