In der Bundesliga - und somit auch in Leverkusen - könnte es bald Geisterspiele geben.
Polizeigewerkschafter warnen bereits vor chaotischen Zuständen rund um die Stadien, vor allem durch Ultras.
Die Fanprojekte sprechen von Kriminalisierung und werben um Vernunft, so auch Stefan Thomé vom Bayer-04-Fanprojekt
Leverkusen – Herr Thomé, die Bundesliga soll demnächst fortgesetzt werden. Und auch in Leverkusen stünden dann Geisterspiele an. Nun veröffentlichten Sie als Fanprojekt von Bayer 04 mit anderen Faninitiativen eine gemeinsame Stellungnahme dazu.
Ja, wir warnen darin vor einer Kriminalisierung der aktiven Fanszene, insbesondere der Ultras. Die kann man jetzt nämlich schon beobachten. Manche Politiker und Polizeigewerkschafter als selbstbetitelte absolute „Kenner der Fanszenen“ tun sich hervor und sehen hier chaotische Verhältnisse auf uns zukommen.
Es geht um Schreckensszenarien von rund ums Spiel vor dem Stadion auftauchende Fangruppen.
Wir Fanprojektler sind untereinander im Austausch. Zudem gibt es Gesprächsrunden mit der DFL, dem DFB und den Vereinen. Da sind alle mit im Boot – übrigens auch die szenekundigen Beamten vor Ort, die ja nun viel näher dran sind an den Fans als irgendwelche Beamten der Polizeigewerkschaft, die ihre Bedenken äußern. Und der Konsens lautet: Es kann sich beim besten Willen niemand vorstellen, dass es zu Fanansammlungen kommt. So wie vor Wochen beim ersten Geisterspiel der Liga zwischen Mönchengladbach und Köln.
Als nach dem 2:1-Sieg der Borussia mehrere Hundert Fans hinter dem Stadion mit der Mannschaft den Sieg feierten.
Genau. Man darf aber nicht vergessen: Seinerzeit war die Situation noch eine ganz andere. Die Situation rund um Corona war nicht mit der heutigen vergleichbar. Das lag alles noch vor den vielen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.
Aber kann man tatsächlich bei allem Optimismus absolut ausschließen, dass nicht doch Fans zum Stadion kommen?
Natürlich: Eine hundertprozentige Sicherheit kann man nie haben. Es kann immer sein, dass ein paar Verstrahlte auftauchen. Und sei es einfach nur, weil einige Leute mal schauen wollen, wie das abläuft und ob da etwas los ist. Aber es wird keine Menge sein. Es werden keine organisierten Ultras oder andere Fanclubs sein. Alleine schon deshalb, weil die Leute die Spiele ja sicherlich trotz allem gerne sehen möchten. Und vor dem Stadion stehend auf dem Handy geht das nicht so gut. Zudem gibt es ja auch andere Möglichkeiten, sich einzubringen: Man kann zum Beispiel im Vorfeld Fanbanner oder Fanclubwappen im Stadion platzieren, damit es während des Spieles dann ein wenig stimmungsvoll aussieht. Es gibt diesbezüglich auch schon Gespräche zwischen Fans, dem Kurvenrat und Verein, wie man das gut umsetzen kann.
Wie bereiten Sie denn die Fans, mit denen Sie im Fanprojekt zu tun haben, auf die Geisterspiele vor? Wie schwören Sie sie, wenn es denn nötig sein sollte, darauf ein, besonnen zu bleiben?
Wir sind mit den Fans im steten Austausch und halten unsere Sozialarbeit weiter aufrecht, um trotz Corona an den Leuten dranzubleiben. Das läuft übers Internet mit Quizduellen und Fifa-Spielturnieren. Und es gibt natürlich viele persönliche Gespräche über Chats, das Telefon oder Skype. Da halten wir uns auf dem Laufenden und bekommen Stimmungen mit.
Werden Sie vom Fanprojekt selbst an den Spieltagen vor dem Stadion sein, um eventuell vereinzelt auftauchende Fans dort zur Vernunft zu bringen?
Ja. Wir werden sicherlich präsent sein und einen Blick darauf haben. Und sei es auch nur kurz. Einfach, um sich ein Bild zu machen. Denn die Polizei wird ja trotzdem vor Ort sein. Es wird im Vorfeld der Spiele entsprechend noch Einsatzbesprechungen mit allen Beteiligten geben.
Was denken Sie selbst über diesen mittlerweile offenbar schon notorischen Reflex der Kriminalisierung der Ultras durch die Öffentlichkeit?
Ich finde das sehr schade. Denn die Ultras haben viel Gutes im Sinn. Sie zeigen großes soziales Engagement. Was sie allein zuletzt mit den Hilfsaktionen bezüglich Corona geleistet haben, ist sensationell. Auch wenn sie sich dann mitunter selbst im Weg stehen und sich in der Öffentlichkeit ihre guten Sachen auch kaputt machen. Aber man muss eben auch sehen: Sie gehören einer Jugendkultur an. Ultra ist eine Jugendkultur. Und in Jugendkulturen kommt es eben leider seit jeher zu Grenzüberschreitungen. Zu Dingen, die man als Erwachsener nicht toleriert und versteht. Und dann werden die Ultras bestraft und müssen das hinnehmen. All das gehört zum Jungsein dazu. Die Problematik kann man jedenfalls nur durch Kommunikation reduzieren. Und das läuft hier bei uns in Lev sehr gut. Wir haben hier eine langjährige Vertrauensbasis.