Tausende Menschen wollten sich von dem Opladener Arzt ein Attest gegen eine Corona-Schutzimpfung ausstellen lassen.
Video aus Praxis gezeigtLeverkusener Impfgegner-Arzt arbeitete wie am Fließband
Bei beißender Kälte hatten viele im Januar 2022 bis zu sieben Stunden vor der Praxis des Allgemeinmediziners Dr. W. in der Gerichtsstraße in der Schlange gestanden, nur, um hinterher ein letztlich wertloses Attest gegen 20 Euro zu erhalten.
Es waren Tausende, die sich, wegen ihrer Angst vor einer oder Abneigung gegen eine Corona-Schutzimpfung ein Attest hatten ausstellen lassen, mit dem sie eine mögliche Impfpflicht umgehen wollten. Der Opladener Arzt hat sich erheblich strafbar gemacht, eine Anklage liegt vor, einen Termin für die Hauptverhandlung gibt es noch nicht.
Ermittlungen wegen Attesten gegen Corona-Schutzimpfung: Etwa 220 Fälle werden verhandelt
Auch die „Patienten“, die in der Praxis ohne richtige Untersuchung das Attest erhielten, müssen sich für diese offensichtliche gemeinsame Impf-Gaunerei mit dem Arzt verantworten: Anstiften zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse lautet der Vorwurf.
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Es sollen 2500 Fälle sein, von denen das Gericht immerhin etwa 90 Prozent per Strafbefehl ohne Verhandlung beilegen konnte. Die meisten mussten 500 Euro zahlen. Nur die etwa 220 Fälle, die Widerspruch eingelegt haben, bekommen eine Verhandlung in Opladen.
Leverkusen: Bonner wird freigesprochen
Am Donnerstag saß ein Mann aus Bonn auf dem Anklagestuhl. Er konnte für sich einen Freispruch erwirken, erreichte das sogar alleine, ohne anwaltlichen Beistand. Er sei gar nicht selbst vor Ort gewesen, seine Mutter und Tante hätten sich vor der Opladener Praxis in die Schlange gestellt und ihm das Attest einfach mitgebracht, das sei ihm komisch vorgekommen, „da ich das auch für meinen Beruf nicht brauchte, habe ich es vernichtet“.
Um das zu überprüfen, stöpselte Richterin Anika Menger eine externe Festplatte in ihr Laptop. Der Arzt hatte in der Praxis an der Empfangstheke einen tagelangen Überwachungsvideostream aufgezeichnet. Sicherlich ist das in einer Arztpraxis ungewöhnlich, fürs Gericht ist die Aufzeichnung hilfreich. Der ungefähre Zeitpunkt des Ausstellens des Attests lässt sich aus der Datenbank ablesen.
Video zeigt den Vorgang der Attest-Fälschung in der Leverkusener Praxis
Ein paar Minuten Videogucken ist aufschlussreich, auch ohne Ton: An der Empfangstheke sitzt der Doktor persönlich, er trägt einen Kapuzenpulli und eine Daunenweste darüber, schließlich war es kalt an dem Tag und die Praxistür stand wegen der Warteschlange ständig offen. Er trägt ein Stirnband und eine Operationsmaske von der Art aus Stoff, die man sich hinten mit Schleifen zusammenbinden lassen muss, keine normale FFP2-Maske.
Eine Arzthelferin ist nicht zu sehen. Der Arzt arbeitet eine Patientin nach der anderen ab. Auf der vielleicht 15-minütigen Videosequenz sind tatsächlich ausschließlich Frauen zu sehen, die sich Atteste holen. Untersucht wird da niemand, dafür war auch keine Zeit. Die Handgriffe des Arztes wirken routiniert: Gesundheitskarte in den einen Schlitz, Kontokarte in den anderen, dann rüber zum Drucker, zweimal gestempelt, fertig, die Nächste bitte. Es läuft wie bei einem schnellen Postbeamten hinterm Schalter. 20 Euro kostete ein Attest.
Einmal kommt eine Frau mit drei kleinen Kindern, die hüpfen und mit den Ärmchen wedeln, ganz offenbar wegen der Kälte draußen. Die Frau kauft ein paar Atteste. Auf dem Video sind nur die Tante und die Mutter vom Bonner Angeklagten zu sehen, wie sie Atteste für mehrere Leute abholen. Er selbst war nicht in der Praxis, da hatte er nicht gelogen. Man erfährt, dass seine Mutter ihren Strafbefehl akzeptiert und bezahlt hat. Der Angeklagte aus Bonn ist aus dem Schneider und darf gehen: Sein Verfahren wird eingestellt.
Sammelt Leverkusener Arzt Spenden für „5-Sterne-Anwälte“?
Anscheinend hat der Arzt selbst eine Petition auf einer Petitions-Plattform eröffnet, in der um Spenden zu sammeln für seine „5-Sterne-Anwälte“, wie es dort heißt. Sie ist überschrieben mit „ARZT-EHEPAAR am ENDE !“ Dort ist auch ein Bild aus der Praxis-Überwachungskamera eingeblendet und die Geschichte wird aus Sicht des Ehepaars geschildert, die sich zu Unrecht angeklagt fühlen.
Man habe nach einer schweren, polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme in der Praxis und nach der Kündigung der Mieträume durch den Vermieter fünf Tage später aus finanziellen Gründen das Eigenheim verkaufen und 50 Kilometer weit weg nach Gummersbach ziehen müssen. Daraufhin sei der Ehemann für 17 Tage in die Untersuchungshaft nach Köln-Ossendorf gekommen. Durch eine hohe Kaution und wöchentliche Polizeivorstellungen seit Ende Juni 2022 sei er haftverschonend entlassen worden, heißt es da. Angegeben ist ein Konto in Unna. Die Echtheit dieser Petition überprüfen können wir nicht, es könnte sich auch um einen Trittbrettfahrer handeln.