Die Praxis in Leverkusen war Anfang 2022 zum Mekka für Impfgegner aus der Region geworden.
999 Fälle vor GerichtProzess gegen Leverkusener Impfgegner-Arzt kann beginnen
Es wird ein Mega-Prozess, die Anklage soll um die 400 Seiten umfassen. 999 Fälle sollen zur Sprache kommen – und selbst das ist nur eine Auswahl. Denn nicht nur der Arzt steht im Visier der Ermittler, auch seine Patienten. Mehr als 1000 wurden verhört. Am Montagnachmittag bestätigte die Kölner Staatsanwaltschaft, dass der Prozess gegen einen Opladener Allgemeinmediziner beginnen kann. Wann, ist allerdings nun Sache des Kölner Landgerichts.
Rückblende: Ende Januar 2022 wird in Deutschland immer heißer über eine Impfpflicht debattiert, um das Corona-Virus in den Griff zu bekommen. Viele aber haben Angst vor der Impfung oder lehnen eine Pflicht grundsätzlich ab. In Telegram-Kanälen kursieren zu dieser Zeit nicht nur allerlei Verschwörungstheorien, sondern irgendwann wird auch immer wieder ein Name genannt. Es ist der eines Opladener Allgemeinarztes. Daraufhin pilgern Impfgegner zu Hunderten zu der Praxis unweit der Fußgängerzone. Täglich bilden sich schon frühmorgens Schlangen, die manchmal um den halben Häuserblock reichen. Das Treppenhaus steht voll; telefonisch einen Termin bei dem schon vorher beliebten Doc machen? Unmöglich.
20 Euro für ein Attest
Was man hört in der Schlange vor der Praxis: Gegen Zahlung von 20 Euro ist ein Attest zu bekommen, dass man aus medizinischen Gründen nicht gegen das Corona-Virus geimpft werden kann. Genau das wollen die Leute, von denen viele von weit her kommen, um sich in Opladen viele Stunden in die Schlange zu stellen – manche nur, um unverrichteter Dinge wieder abzuziehen und es am nächsten Tag erneut zu versuchen.
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Die Abwicklung dauert auch deshalb so lang, weil mancher nicht nur sich selbst Impf-Unfähigkeit attestieren lassen will, sondern auch der Familie und Gleichgesinnten. Von ganzen Packen Krankenkassen-Karten, die in der Praxis über die Theke gereicht werden, wird in der Warteschlange berichtet.
Am Donnerstag, 3. Februar 2022, bereitet die Polizei dem Spuk ein Ende. Sie stürmt die Praxis, nachdem eine verdeckte Ermittlerin ausreichend Hinweise aufgeschnappt hat, dass der Arzt im großen Stil gegen das Gesetz verstößt: In Paragraf 278 wird das „Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse“ unter Strafe gestellt. Die Aktion, bei der ein Reporter des „Leverkusener Anzeiger“ Augenzeuge ist, verläuft alles andere als friedlich: Der Mediziner verschanzt sich mit seinem Personal und einer Patientin in der Praxis, die Polizisten treten schließlich die Tür ein.
Zwei Monate nach der Razzia kommt der damals 52 Jahre alte Arzt in Untersuchungshaft: Die Polizei hatte gesicherte Hinweise, dass der Mann sich ins Ausland absetzen wollte. Diese Gefahr wurde gebannt, gegen Auflagen kam der Arzt frei und erwartet seitdem seinen Prozess. Die Praxis wurde nicht wieder geöffnet. Geäußert hat sich der Arzt bis heute nicht.