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Deutsche BahnDie letzte Frau am Zug – Schlebuscherin ist Wagenmeisterin

Lesezeit 3 Minuten

Acht Jahre lang stand Christina Hollunder selbst an den Gleisen und kontrollierte ankommende Güterzüge.

Leverkusen – Christina Hollunder ist keine Prinzessin. Das sagt die junge Frau selbst von sich. Sie interessiert sich von Kindertagen an für Technik, sie baut ihre Möbel selbst auf, legt Laminat und streicht die Wände.

Sie fachsimpelt mit ihrem Vater über die vermeintlich richtige Achsenstellung der selbst gebauten Seifenkisten. Sie setzt sich in die Gefährte hinein und rast vier Meter hohe Rampen hinunter. Kurzum: Christina Hollunder ist keine Frau, die sich aufhalten lässt. Schon gar nicht will sie anders behandelt werden, nur weil sie eine Frau ist.

Einen typisch männlichen Beruf hat sich Christina Hollunder ausgesucht. Sie hat bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zur Mechatronikerin gemacht.

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Bremsklötze auszutauschen, Schrauben nachzuziehen und die Elektronik der Züge zu überprüfen und zu reparieren, das waren einige ihrer Aufgaben. Schmutzig macht man sich dabei schon, sagt Christina Hollunder.

Es stört sie nicht. Im nächsten Schritt ließ sich die junge Frau, die in Schlebusch wohnt, zur Wagenmeisterin ausbilden. Auch hier ist die Frauenquote gering. Hollunder, die Frau, die zupacken kann, ist auf dem Rangierbahnhof in Köln-Gremberghoven eine Rarität.

Auf dem Gelände der Deutschen Bahn werden die ankommenden und abfahrenden Güterzüge kontrolliert. Das Hauptaugenmerk liegt auf Sicherheit und Qualität. Jeder Tag an den Gleisen ist unterschiedlich.

Mal sind es 30 Züge, die von den Wagenmeistern geprüft werden müssen, mal 100. Das klinge für den Laien nicht nach viel Arbeit, sagt Christina Hollunder. Was sie und ihre Kollegen aber machen, ist, jeden Zug der Länge nach abzulaufen und jeden Waggon einzeln zu prüfen. „Die maximale Zuglänge beträgt 699 Meter“, sagt die Wagenmeisterin.

Beide Seiten müssen abgegangen werden. Und das häufig in gebückter Haltung. Auf den Schultern lastet auch die Verantwortung. Der Wagenmeister ist der letzte Mann am Zug. Der Beruf ist kein einfacher.

Wenn Christina Hollunder von ihrem Job berichtet, sieht sie vor allem die schönen Seiten. Der nette Umgang unter den Kollegen, die Hilfsbereitschaft, die Herausforderungen, die Eisenbahnromantik. Acht Jahre stand Hollunder bei Wind und Wetter an den Gleisen.

Im Schichtdienst wechseln sich die DB-Mitarbeiter ab. Nachts Dienst zu schieben, auch das gehört dazu. Nicht die schönste Aufgabe ist es, trockene Puffer zwischen den Schienenfahrzeugen einzufetten, wie Hollunder berichtet. Die orangene Arbeitskleidung wird da schnell schwarz und beschmiert. Die Wahl-Leverkusenerin sieht es pragmatisch. Was muss, das muss.

Auf ewig will sie diesen anstrengenden Job aber nicht ausüben. Sie will Karriere machen bei der Deutschen Bahn. Das Werkzeug hat sie daher zunächst beiseitegelegt.

Die Wagenmeisterin sitzt nun auf eigenem Wunsch hin am Schreibtisch, ebenfalls in Köln-Gremberghoven. Von dort aus koordiniert sie die Dienste der 80 Wagenmeister, 17 Disponenten und neun Shuttlemeister.

Die Überstunden und die Urlaubstage hat sie im Blick. Ihre Kollegen, mit denen sie im vergangenen Jahr noch auf dem Rangierbahnhof stand, rufen sie nun an, um Urlaubswünsche durchzugeben. „Ich versuche, alles umzusetzen“, sagt Christina Hollunder.

„Ich habe flexible Kollegen. Sie sind Gold wert.“ Manchmal aber muss sie auch Nein sagen können. Bei aller kollegialer Verbundenheit ist auch der Zufriedenheit der Kunden Rechnung zu tragen. Dass die Züge pünktlich den Bestimmungsort erreichen, das ist das erklärte Ziel.

Ziele muss man sich setzen. Hollunder nimmt an einem Förderprogramm der Deutschen Bahn teil. Sie will sich weiter qualifizieren. Familie und Beruf, da ist sich die 29-Jährige sicher, lassen sich wunderbar miteinander verbinden – wenn man einen Arbeitgeber hat, der die weiblichen Mitarbeiter fördert. Diesen, so sagt sie, habe sie gefunden.