Leverkusen – Die Höhner beenden das 37. Schlebuscher Volks- und Schützenfest mit richtig Lärm. „Steh auf, mach laut!“ donnert es aus tausenden Kehlen durch den Wuppermannpark. Dann ist die Band fertig mit ihrem Auftritt. Hennig Krautmacher ist es nicht. „Ich glaube, du musst noch einen machen, Hennig“, sagt Patrick Lück, der ihn Ende des Jahres als Frontmann der Kölner Kultband beerben wird.
Und dann erklärt der Henning noch einmal, was ihm diese Bühne bedeutet. Warum sie sein „Epizentrum“ ist. 150 Meter von hier geboren, 200 Meter zum Elternhaus, 400 zur Grundschule, 500 zum ersten Probenraum. Und schlägt dann zum Abschied die leisen Töne an: „Irjendwann sin mer uns widder“ ist sein Abschiedslied an Schlebusch. „Ich komme jetzt häufiger hier her“, sagt er vorher noch. Aber eben nicht mehr auf die Bühne im Wuppermannpark. 20.43 Uhr, ein letzter Handkuss in die Menge, ein Tränchen mag auch dabei gewesen sein. Die erste Umarmung geht an seinen Freund, Veranstalter Werner Nolden, der ihn auf diese Bühne gebracht hat. 1984 wie heute.
„Das ist der Hennig, der fährt mit mir Taxi“
Auch Nolden hatte es sich nicht nehmen lassen, vor dem Auftritt noch einmal in Erinnerungen zu schwelgen. Wie sie am 18. Dezember 1983 auf der Wiese im Wuppermannpark gestanden hatten und Krautmacher sagte: „Werner, hier könnten wir mal ein Fest machen“. Wie Krautmacher ein halbes Jahr später mit seiner Band „Uss dr Lameng“ auf eben jener Bühne stand und jemand fragte, wer das sei. „Das ist der Hennig, der fährt mit mir Taxi“, habe Nolden gesagt. „Am Mittwoch danach stand der Henning im Tonstudio.“
Hier also hat alles begonnen. Und so stellt Krautmacher dem Publikum nicht nur Patrick Lück, den Neuen, vor. Sondern auch anders rum: „Das ist meine Familie, meine Freunde, meine Nachbarn“, sagt er. Das gefällt. Und dann ist es auch egal, dass das Konzert mit „Hey Kölle!“ beginnt. Nur einmal gehen die Höhner zu weit mit der Köln-Liebe: Der Wunsch nach einer Meisterschaft für den 1. FC Köln wird im Bayer-04-Land mit Buh-Rufen quittiert Aber die Fans sind natürlich nicht lange böse und schnell wieder voll dabei.
Vor allem natürlich die in der ersten Reihe. Marvin und Jaqueline waren die ersten, darauf sind sie stolz. Um viertel vor 12 haben sie ihre Campingstühle aufgebaut. Marvin kommt aus Schlebusch. „Das ist bestimmt mein 70. oder 80. Höhner-Konzert“, schätzt er. Beim Krautmacher-Abschied, da muss es auf jeden Fall die erste Reihe sein. Zum Volksfest kommt er schon ewig. „Es ist eine tolle Stimmung hier und man trifft immer Leute, die man kennt.“ Erst eine Stunde vor Konzertbeginn um 18 Uhr hat der sechsjährige Julian sich seinen Platz am Absperrgitter vor der Bühne gesichert, da sind die Schlebuscher nicht so. Begeistert schaut er auf die riesigen Boxen. „Ich mag Musik laut. Richtig laut“, sagt er. Bekommt er.
Die Höhner geben alles, was sie haben. Weil die Hits einfach zu viele für einen Abend sind, gibt es einige als Medley zusammengewürfelt. Dann bekommt das Publikum eine Einführung in das neue Lied „Prinzessin“ – der Text wird kurz vor der Zugabe auch noch einmal abgefragt: Nach dem Volksfest ist vor der Session, Vorbereitung muss sein. Das läuft noch ein wenig schleppend, mit den Teufeln im Anschluss kennen sich die Leverkusener besser aus. „Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin“ sitzt. Obwohl plötzlich ein paar Tropfen aus dem blauen Himmel fallen, zieht die Karawane durch das Publikum, „Viva Colonia“ geht sowieso und wer in dieser Nacht wem sein ganzes Herz schenkt: Tausendfach bekundet.
Bus nach Wacken gesucht
Zwischendurch fragt Krautmacher mal nach, ob jemand vom Reisebüro Hebbel anwesend sei. Er brauche einen Bus für den 6. August. Nach Norddeutschland. Wacken. Zu einem der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt. Ernsthaft? „Wir waren auf einem Konzert in Bad Segeberg. Da war der Holger vom Beschallungsteam“, erzählt Krautmacher. Der habe Schnaps ausgegeben. Und dann stellte sich raus, dass der Holger auch ein Organisator von Wacken ist. „Nach dem siebten Schnaps haben wir zugesagt, aufzutreten.“ Und da dachte man, Krautmacher hat schon alles erlebt.
Dass ihm bis dahin die Luft ausgehen könnte, das glaubt man nicht. Der 65-Jährige hüpft über die Bühne wie eh und je, von Müdigkeit im Endspurt keine Spur. Und irgendwann sieht man sich wieder.