Leverkusen – „Es war ein Höllenritt durch ganz Deutschland“, sagt Professor Karl Lauterbach. Auf 23 000 Kilometer hat er die Wegstrecke zu 23 Regionalkonferenzen seiner Partei berechnet, deren Vorsitz er gemeinsam mit der Umweltpolitikerin Nina Scheer übernehmen wollte. Am Ende landete das Duo mit 14,6 Prozent der Stimmen aller teilnehmenden SPD-Mitglieder auf dem vierten Platz, zur Stichwahl der verbleibenden Paare Olaf Scholz/Klara Geywitz und Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken will er sich nicht äußern, will ein guter Verlierer sein. Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Leverkusen und Köln-Mülheim steht zum innerparteilichen Wahlkampf, auch wenn seiner Ansicht nach ein Dutzend Veranstaltungen gereicht hätten, dafür mit ausführlicherer Diskussionsmöglichkeit. „Der Prozess war richtig, er trägt zur Wiederbelebung und Erneuerung der Partei bei und wird uns langfristig nutzen.“
Lauterbach blickt im Parteibüro an der Dhünnstraße in Wiesdorf zurück auf einen Wettbewerb, den er zwar nicht gewonnen hat, der ihn aber zu weiteren Taten angestachelt zu haben scheint. Denn er hat darüber viel Zuspruch und Unterstützung erfahren, aus seiner Partei vor allem, aber auch von anderen aus Leverkusen. Was ihn bestärkt hat, weiter für seine Positionen zu kämpfen. Vor allem für den Umwelt- und Klimaschutz. „Die SPD muss ihr ökologisches Profil deutlich schärfen, sonst verlieren wir die jungen Wähler, eine ganze Generation, die uns als Bremserpartei ansieht.“ Er sieht die Lage kritisch: „Das Klimapaket der Koalition ist gescheitert, das wirkt nicht. Das lässt sich auch nicht schönreden. Wir haben an dieser Stelle eine große Chance verpasst. Schon allein dafür sollten wir die Groko beenden.“
„Reicht nicht für zwei Jahre“
Das haben Lauterbach und Scheer in dieser Konsequenz allein gefordert. Denn: „Wir haben einige sozialdemokratische Vorhaben gerade in dieser Koalition durchsetzen können, aber was jetzt noch kommt, reicht nicht mehr für zwei Jahre.“ Die SPD sei darüber intern zerstritten, die Union ebenso.
„Ein Katastrophe mit Ansage“ nennt Lauterbach den aktuellen Stand für den Autobahn-Ausbau im Gebiet Leverkusen. Auch wenn er weiterhin für einen langen A1-Tunnel unter dem Rhein her kämpfen will, rechne er mit der doppelten Rheinbrücke und einer breiten Stelze mitten im Stadtgebiet. Straßen NRW habe die billigste Lösung bevorzugt und versuche, unumkehrbare Fakten zu schaffen, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer tue nichts für Leverkusen und am Ende werde nach 20 Jahren Baustelle die Belastung für die Stadt noch größer sein.
Nur bei Neuwahlen für den Bundestag könne das Thema A1-Tunnel noch einmal eine Chance haben. Dafür müssten die Bürger weiter protestieren und die Stadtpolitik endlich mit einer Stimme sprechen. Dafür wolle er sich ebenso einsetzen wie für einen wirksamen Luftreinhalteplan fürs Stadtgebiet.
Einen Autobahntunnel für die A3 hält der SPD-Abgeordnete für unbezahlbar und somit unrealistisch. Eine unterirdische Verknüpfung zwischen A1 und A3 würde alle Dimensionen sprengen. (ger)
In der Rüstungs- wie der Außenpolitik gebe es massive Meinungsverschiedenheiten, das Problem der Altersarmut werde nicht angegangen und das Festhalten an der Schwarzen Null – auch durch den Finanzminister Olaf Scholz – sei ein fataler Fehler. Die Quittung der Wähler habe seine Partei schon bekommen: „Wir haben sieben Wahlen in Folge verloren.“ Jetzt helfe nur noch eins: „Raus aus der Groko!“ Was – je nachdem, wer nun die SPD führen wird –, schneller oder langsamer vonstatten gehen werde.
Wenn die SPD ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wolle, müsse sie sich ehrlich machen und einen klaren Lagerwahlkampf führen. Das werde unter dem Strich für stabilere politische Verhältnisse sorgen. Rot-Rot-Grün ist seine Wunschoption. Dafür brauche die SPD eine gründliche Erneuerung. „Dafür werde ich mich weiter einsetzen.“
In Leverkusen, wo die Neuwahl des Unterbezirksvorstand von nicht wenigen SPD-Mitgliedern als Putsch empfunden worden ist, hätten sich die Gemüter inzwischen wieder beruhigt und verheilten die Wunden ganz gut. Er selbst, sagt Lauterbach, habe in vielen Gesprächen auf Fairness gedrängt. Aylin Doğan habe als Vorsitzende eine sehr gute und solide Arbeit geleistet, aber auch Jonas Berghaus mache es gut. Langfristig werde die Partei gestärkt daraus hervorgehen.
Auch Lauterbach selbst sieht sich gestärkt nach dem Höllenritt seiner Deutschland-Tournee. Bisher als Gesundheitspolitiker bekannt, will er sich fachlich nun breiter aufstellen, auch mehr auf Verbraucher- und Umweltschutz eingehen. Und dass er die Fliege jetzt deutlich seltener anlegen will, gehört irgendwie auch dazu.