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Polizei-Bilanz zu Prügeleien an KarnevalAnwohner kritisiert Stadt Leverkusen

Lesezeit 9 Minuten
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Die Stadt spricht von einer deutlich aggressiveren Stimmung am Sonntag.

Fünf Sexualdelikte, 37 Körperverletzungen

Die Polizei hat ihre abschließende Bilanz zu den Karnevalstagen geschickt. In Leverkusen verzeichnet die Polizei ein Raubdelikt (2021: 1; 2020: 3). Die Zahl der Körperverletzungen hat im Vergleich zum vergangenen Jahr massiv zugenommen (37 in 2022 im Vergleich zu zehn in 2021). Allerdings ist der Wert von Vor-Corona noch lange nicht erreicht: 2020 meldete die Polizei 74 Körperverletzungen für Leverkusen. Weiterhin spricht die Polizei von fünf Sexualdelikten in Leverkusen. Ein Fall darunter sei eine sexuelle Belästigung. 2021 waren es drei Sexualdelikte gewesen, im Jahr zuvor elf. In drei Fällen ermittelt die Polizei wegen Widerstand gegen Einsatzkräfte, 2021 war es nur ein Fall gewesen, 2020 ganze sechs Fälle. Einen „tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen“ verzeichnet die Polizei außerdem in Leverkusen.

Trotz dieser abschließenden Bilanz erklärt die Polizei, dass sich die Zahlen nochmal ändern können, sollten im Nachgang noch Anzeigen gemacht werden oder Sachverhalte anders bewertet werden.

Aus den Polizeizahlen lässt sich herauslesen, dass es dieses Jahr zu deutlich weniger Delikten gekommen ist als im Jahr zuvor, wo natürlich kaum etwas möglich war durch die Pandemie, dass die Situation aber längst nicht so gravierend ist wie 2020. Anwohner waren dennoch auch dieses Jahr frustriert. Dieter Scharf wohnt an der Morsbroicher Straße und hat sich mit einer E-Mail an den „Leverkusener Anzeiger“ gewendet. „Wir wurden wie immer an den vier Tagen Freitag bis Montag von der Stadtverwaltung (vier Tage kein Ordnungsamt zu sehen) und zum Teil von der Polizei im Stich gelassen“, beschwert er sich. So viel wie auf dem Lindenplatz los war, so viel sei auch in seiner Straße losgewesen, bis 1.30 Uhr nachts. Scharf spricht von „hunderten Wildpinklern (Mädchen und Jungs)“ rund um sein Haus und an der Schule Morsbroicher Straße. „Wenn die Stadt so etwas frei gibt, dann sollte sie auch für die Anwohner sorgen, dass sich die Belästigungen in Grenzen halten“, fordert er und schlägt beispielsweise Toilettenwagen vor.

Lindenplatz geräumt

Die Stadtverwaltung zieht am Rosenmontag ihre Bilanz: Am Karnevalssamstag sei die Stimmung unter den Feiernden „durchgehend friedlich“ gewesen, dem kommunalen Ordnungsdienst sei „in großem Maße Verständnis entgegengebracht“ worden. Insgesamt wurden durch den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) am Samstag sechs Verstöße festgestellt: Vier nach §118 OwiG (Belästigung der Allgemeinheit beziehungsweise Widerstand oder Beleidigung der Ordnungskräfte), ein Verstoß aufgrund von Vermüllung und ein Verstoß gegen Wildpinkeln. Es wurde 73 Jugendschutzkontrollen durchgeführt und drei Platzverweise ausgesprochen, schreibt die Stadt. Der Lärmwagen verzeichnete fünf Ruhestörungen, die aber alle friedlich verliefen.

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Der Sonntag unterschied sich allerdings: „Am Karnevalssonntag wurde die Stimmung rund um den Lindenplatz im Vergleich zu den bisherigen Tagen als deutlich aggressiver und hemmungsloser wahrgenommen“, erklärt die Verwaltung. Der Lindenplatz musste sogar gegen 19 Uhr geräumt werden, um die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen. Insgesamt wurden am Sonntag durch den KOD sieben Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz sowie ein Verstoß gegen §118 OwiG (Belästigung der Allgemeinheit bzw. Widerstand oder Beleidigung der Ordnungskräfte) festgestellt. Die KOD-Mitarbeitenden sprachen einen Platzverweis aus und stellten drei Strafanzeigen – eine wegen Beleidigung, eine wegen Körperverletzung und eine wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Rahmen der gefährlichen Körperverletzung musste eine Person fixiert und durch die Polizei in Gewahrsam gebracht werden.

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Feiernde in Schlebusch

Weniger Einsätze als erwartet

Der ruhige Auftakt in den Straßenkarneval macht sich in den Zahlen bemerkbar: An Weiberfastnacht war die Polizei in Köln und Leverkusen weniger gefordert als in den Vorjahren, schreibt sie am Freitag. Bei fünf Karnevalseinsätzen in Leverkusen sprachen die Polizisten insgesamt 16 Platzverweise aus, in Gewahrsam musste niemand genommen werden. Im Verkehr hat die Polizei in Köln und Leverkusen 266 Fahrer und Fahrerinnen überprüft, davon zwölf im Leverkusener Stadtgebiet. In 16 Fällen insgesamt stellten die Polizisten den Konsum von Alkohol oder Betäubungsmitteln fest und ordneten eine Blutprobe an. Sechs Führerscheine behielten die Polizisten ein.

Ordnungsamt und Klinikum ziehen Bilanz am Tag danach

Laut Ordnungsamt verlief Weiberfastnacht in Leverkusen ruhig. Sowohl in der Schlebuscher Fußgängerzone, als auch in dessen Umgebung seien keine Versammlungen festgestellt worden. Lediglich in der Opladener Fußgängerzone gab es laut Ordnungsamt eine Versammlung von 50-60 Personen, trotz dessen verlief auch dort alles friedlich, heißt es. In Schlebusch wurden die Zugangsbeschränkungen zur Fußgängerzone mit Unterstützung eines privaten Sicherheitsdienstes kontrolliert.

Der Kommunale Ordnungsdienst hat die Einhaltung der Corona-Regelungen, aber auch Jugendschutzkontrollen durchgeführt. Insgesamt gab es laut Stadtverwaltung 71 Kontrollen, davon war keine „auffällig“. Einen Wildpinkler erwischte das Ordnungsamt, beim Thema Müll habe es keine gravierenden Vorkommnisse gegeben, heißt es.

Im Klinikum sei es an Weiberfastnacht ebenfalls ruhig zugegangen, teilt Simone Röxe von der Unternehmenskommunikation mit. „Es gab nur sehr wenige Patientinnen und Patienten mit Alkoholintoxikationen oder karnevalsbedingten Unfallverletzungen. Dies gilt sowohl für unsere Ambulanz der Kinderklinik als auch im Erwachsenenbereich“, schreibt sie. „Wir freuen uns, dass sich die Feiernden verantwortungsbewusst verhalten haben.“

Opladener Schülerinnen feiern nach Schulschluss

Kurz nach 13 Uhr ist für die meisten Schüler des Landrat-Lucas-Gymnasium Schulschluss. Viele der Schüler strömen verkleidet aus dem Gebäude. Aus Bluetooth-Lautsprechern tönen Brings und Kasalla. Lena und Nina (Namen geändert) wollen mit ihren Freundinnen jetzt nach Köln auf die Zülpicher Straße. Dass heute überhaupt etwas Karnevalistisches stattfinden kann, war lange nicht klar, erklären die Oberstufenschülerinnen. „Die Schulleitung hat uns zuerst verboten, dass wir uns verkleiden. Aber wir haben Unterschriften gesammelt und uns durchgesetzt“, sagt Lena. Verboten seien aber weiterhin militärische Verkleidungen. „Das finde ich richtig“, sagt Lena.

Die Stimmung in der Schule war aufgrund der Ereignisse in der Ukraine trotzdem gedrückt. „Wir haben im Unterricht viel darüber diskutiert und versucht uns in die Situation der Bundesregierung hinzuversetzen“, sagt Nina. „Ich finde es aber in Ordnung, heute Karneval zu feiern. Wir können an der Situation ja nichts ändern.“

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Am Einlass zum Pfannkuchenhaus in Schlebusch werden die Corona-Nachweise der Jecken streng kontrolliert.

In der Stadtschänke wird geschunkelt

In den Kneipen geschunkelt wird in Opladen auch – zumindest in der Stadtschänke haben sich einige Karnevalisten verkleidet und feiern zu Kölschen Musikklassikern. Danila Röben, die hier zu Gast ist, freut sich über die ausgelassene Stimmung. „Das ist meine Stammkneipe, deswegen unterstütze ich die heute natürlich gerne.“ Mit Test und Impfung fühle sie sich sicher, auch in der brechend vollen Kneipe.

Robert Rademacher, Betreiber der Stadtschänke, freut sich ebenfalls über das bunte Treiben. „Wir haben heute morgen wegen den Ereignissen in der Ukraine schon überlegt, ob wir aufmachen sollen. Aber die Leute haben nach zwei Jahren einfach große Lust auf Karneval und die kann man ihnen nicht nehmen. Die können ja auch nichts dafür.“

Schüler in Opladen verkleidet – Ältere haben Angst

Verkleidete Jecken findet man in Opladen vor allem an der Teststelle vor dem Landrat-Lucas Gymnasium. Kathrin Montag will sich hier mit ihren Freundinnen noch schnell ein negatives Testergebnis abholen, bevor sie nach Köln fahren. „An Weiberfastnacht ist hier nicht viel los. Aber am Wochenende wollen wir zur Open-Air-Party in Opladen“, sagt die 26-Jährige.

Christine, die schon den ganzen Morgen an ihrem Kleidungsstand steht, hat sich heute zumindest eine Regenbogenhut aufgesetzt, große Karnevalsstimmung kommt bei ihr aber noch nicht auf. „Ein paar meiner Mitbewerber hier auf dem Platz sind schon motiviert. Aber viele Jecken habe ich nicht nicht gesehen.“ Am meisten sei los gewesen als die Schüler des Gymnasium in bunter Verkleidung in die Schule strömten. „Ich selbst werde heute nicht feiern. Aber meine drei Kinder im Pubertätsalter sind unterwegs. Das heißt: ich werde die heute Nacht mit dem Auto einsammeln dürfen.“

Das beherrschende Thema auf dem Platz aber ist aber der Krieg in der Ukraine. „Gerade bei den älteren Kunden herrscht Angst. Die denken noch in ganz anderen Dimensionen und wissen, was Krieg bedeutet“, sagt die 55-jährige Verkäuferin. Insgesamt nimmt sie die Situation als „sehr belastend“ wahr.

Ordnungsamt kontrolliert in Schlebusch

In der Schlebuscher Brauchtumszone darf erst ab Samstag gefeiert werden. Das Ordnungsamt ist hier bereits an Weiberfastnacht unterwegs und kontrolliert Jecken, die dennoch auf der Straße unterwegs sind.

Kontrollen Schlebusch Weiberfastnacht 2022

In Schlebusch kontrolliert das Ordnungsamt an Weiberfastnacht Jecke auf der Straße.

Bislang stellt sich die Situation in Schlebusch aber sehr ruhig da: Es ist kaum etwas los, nur vereinzelt sind Verkleidete auf den Straßen zu sehen.

Gedämpfte Stimmung in Opladen

Ausgelassene Karnevalsstimmung mag in der einzigen heute geöffneten Brauchtumszone in Leverkusen am Vormittag noch nicht so recht aufkommen. Kaum verkleidete Jecken treiben sich in der Fußgängerzone und der Kölner Straße herum. Ein paar vereinzelte Grüppchen machen sich auf dem Weg zum Bahnhof nach Köln. Auf dem Marktplatz gibt es aber um halb 12 paar Jecken, die sich das erste Kölsch des Tages teilen. Miriam Adamek und Sarah Schneider sind enttäuscht, dass bisher nicht viel los ist in Leverkusen. „Wir sind aber auch nicht traurig, den Tag heute nicht in großen Menschenmassen zu verbringen“, sagt Adamek.

Zusammen wollen die beiden 19-Jährigen den Tag heute schunkelnd in einer Kneipe verbringen. Ganz ausgelassen ist die Stimmung auch wegen den Ereignissen in der Ukraine bei ihnen aber nicht. Und trotzdem: „Man kann keine richtige Einstellung zu dem Thema einnehmen. Es bringt ja auch nichts, wenn wir uns zu Hause einsperren“, sagt Sarah Schneider. Aber zumindest ein bisschen Rücksicht sei angebracht: „Wir haben auch schon verkleidete Leute in Soldatenuniform rumlaufen sehen. Das ist unangebracht und dumm.“

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Ruhig auf den Straßen

Noch ist es auf vielen Straßen und auch in Opladen, wo die erste Brauchtumszone um 10 Uhr geöffnet wurde, relativ ruhig. Und auch Putins Einmarsch in die Ukraine drückt verständlicherweise die Stimmung enorm.

Brauchtumszonen

Wo überall Brauchtumszonen eingerichtet sind und was dort gilt, erfahren Sie hier. Welche Kneipe hat überhaupt geöffnet und wo kann man feiern: Eine Auswahl finden Sie hier.

Wer die ganze Zeit darauf gewartet hat, sich heute einen Berliner zu gönnen: Unsere Redaktion hat 14 Bäckereien getestet. Welcher Berliner warum gewonnen hat: Hier steht es.

Es geht los

Wieverfastelovend im Coronajahr, dem zweiten. Doch anders als noch im vergangenen Jahr, wo im Lockdown Feiern nicht möglich war und sich nur einige wenige Jecke unter deutlich strengeren Coronamaßnahmen verkleidet hatten, ist das Feiern unter bestimmten Bedingungen dieses Jahr möglich. Die Polizei erwartet sogar einen Einsatz „wie vor Corona“ und zeigt Präsenz in Leverkusen. Egal, ob Sie mitfeiern möchten oder lieber vorsichtig sind: Hier gibt es mehr Infos.