Die KG „Grün-Weiß“ Schlebusch lud zur ökumenischen Andacht auf Platt ein. Dabei sah sie an den aktuellen Krisen nicht vorbei.
Karnevalistische AndachtPriester und Pfarrer tanzen vorm Altar in Schlebusch
Ein katholischer Priester, der im Messgewand gemeinsam mit einem evangelischen Pfarrer vor dem Altar tanzt – so etwas kann es wohl nur an Karneval geben. Genauer gesagt: in der karnevalistischen Andacht der KG „Grün-Weiß“ Schlebusch, die schon seit Jahrzehnten im Fasteleer einen ökumenischen Gottesdienst feiert. „Wir halten die Andacht, um die Gemeinschaft zu fördern und auch an den Ursprung des Karnevals anzuknüpfen, der ja christlich ist“, erklärt die Vorsitzende Lilo Schmitz. „Alle Sorgen und Nöte unserer Zeit werden auch mit aufgearbeitet.“
In diesem Jahr zum zweiten Mal in der langen Geschichte der „Ökumenischen Andaach op Schliebijer Platt“ besuchte der Prinz den Gottesdienst. „2014 war zuletzt ein Karnevalsprinz dabei, heute haben wir erneut die Ehre“, so Schmitz. Aber nicht nur die Tollität Mally I. scheint der Gottesdienst angezogen zu haben, denn die Kirche ist voll besetzt. Es muss zwar niemand stehen, aber jede Bank ist belegt. Die Kirche ist gefüllter als bei manchem Weihnachtsgottesdienst.
„Die Besucherzahlen waren immer ähnlich, die Kirche war immer voll“, weiß Ehrenmitglied Ulrich von Oppenkowski, der schon bei der Organisation der ersten Andacht mithalf. Er erklärt sich den Ansturm so: „Es ist ein fröhlicher Gottesdienst, es gibt immer etwas zu lachen.“ Um 16 Uhr ziehen die Gesellschaften, Messdiener und Priester in St. Andreas ein. Zur guten Laune der Gottesdienstbesucherinnen und -besucher tragen die Musik und das gemeinsame Singen maßgeblich bei. Zu Beginn singt die Gemeinde drei Strophen „Minsche wie mir“, auch das Schuldbekenntnis singen die Karnevalisten zur Melodie von „Unser Stammbaum“ von den Bläck Fööss.
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Nach einer biblischen Lesung und der Geschichte von einem Clown, der mit einem Tanz seinen Glauben bekundet, treten die „Schliebijer Pänz“ auf. Die Gemeinde singt zuerst das hebräische Lied „Hewenu schalom alächäm“, das aus Israel stammt. Es gehe um Solidarisierung, sagt Pfarrer Hendrik Hülz. Anschließend präsentieren die Kinder ihren Tanz dazu.
Leverkusen: Evangelischer und Katholischer Priester necken sich
In der Predigt lauscht die Gemeinde dem Zwiegespräch zwischen Hendrik Hülz und seinem evangelischen Kollegen Jürgen Dreyer. Hülz, der aus dem Rheinland kommt, erzählt Nordlicht Dreyer von seinem kindlichen Traum, Prinz zu werden. „Für einen Prinzen hat es bei dir wohl nicht gereicht, du bist nur ein Priester geworden“, stichelt Dreyer gut gelaunt, „ein Prinz kann zum Beispiel den ganzen Tag tanzen.“ Hülz entgegnet daraufhin: „Das kann ich auch“, und die Priester präsentieren kurzerhand einen Walzer vor dem Altar. Anschließend nehmen sie sich weiter auf die Schippe. „Typisch katholisch, immer musst du führen“, echauffiert sich Dreyer.
Dabei hat das amüsante Zwiegespräch von Priester und Pfarrer auch einen tieferen Sinn. „Darum geht es im Leben: die Leute zum Tanzen zu bringen, denn dann ehren wir Gott und kommen einander näher, dann ehren wir das Leben“, stellen Dreyer und Hülz fest. Es sei eine Frage von Leben und Tod, ob man sich auf das Leben einlasse oder nicht, sagen sie und verweisen auf den Anschlag der Hamas beim Musikfestival in Israel. „Die Terroristen wollten nicht nur die Menschen töten, sondern auch die Freude und das Vertrauen auf das Leben.“ Am Ende ihrer Predigt kommen die Pfarrer zu dem Schluss: „Der Gott des Lebens ist stärker als der Tod, und das zeigen wir zum Beispiel durchs Tanzen.“
Nach der Predigt darf die Gemeinde wieder singen. „Viva Colonia“ und „Mir kummen all“ zur Melodie von „Laudato si“ erschallen. Vor dem Schlussgebet wendet sich Ulrich von Oppenkowski mit einer Meditation an die Besucherinnen und Besucher. „‚Im Westen nichts Neues‘ wurde mit vier Oscars prämiert, im Osten herrscht dasselbe“, sagt der Mann von der KG „Grün-Weiß“ Schlebusch. Er geht auf die aktuellen Krisen ein: die steigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels, die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung, die Kriege: „Wer im Frieden leben kann, vergisst sein Glück. Frieden kann man nicht einfach begreifen.“
Die Andacht schließt mit der Schlebusch-Hymne ab, die Gemeinde ist hellauf begeistert: „Die Lieder waren gut ausgewählt, und das Zwiegespräch hat mir gut gefallen. Es ist wichtig, die Probleme der Gesellschaft und der Welt beim Namen zu nennen“, sagt eine Besucherin. „Religion und Karneval gehören für uns zusammen, das war ein schöner Start in die Session“, finden zwei Schwestern, „besonders toll war, dass der evangelische und der katholische Priester miteinander getanzt haben: zwei Männer – und das auch noch in der Kirche.“