AboAbonnieren

Leverkusener leben im PassivhausWenn die Nebenkosten bei 28 Euro liegen

Lesezeit 5 Minuten
niedrig-energie-haus-lev_rar_RLE_12202021ALF_7025

Die Deckenlüfter sind das einzige Erkennungszeichen des Passivhauses, in dem Karl-Heinz Heinen und seine Frau Monika seit dem ersten Tag wohnen.

Leverkusen – Sie waren noch nicht mal eingezogen, da ahnten Monika und Karl-Heinz Heinen schon, dass ihre neue Wohnung etwas ganz Besonderes ist. Alle Mieter der Leipziger Straße 5 d wurden im Januar 2012 ins WGL-Haus nach Wiesdorf eingeladen, zu einer Einführungsveranstaltung. Auf der wurden sie mit den Eigenheiten ihres künftigen Heims vertraut gemacht.

Konsequenterweise hat ihr Mietvertrag vom Februar einen Anhang mit einer „Gebrauchsanweisung für das Passivhaus“. Da steht einiges drin, ein paar mündliche Hinweise gab“s trotzdem, erinnern sich die beiden: „möglichst keine Vollbäder“ - weil Warmwasser von allen gleich bezahlt wird im Passivhaus.

Man verlässt sich aufeinander

Ein bisschen Gemeinschaftssinn macht das Leben unter den zwölf Parteien sowieso angenehmer, erst recht im Passivhaus. Das ist viel mehr als ein normales Mietshaus ein Gebilde, das nur insgesamt richtig funktioniert. Entscheidend ist das Lüftungssystem. Die Lüfter an der Decke sind übrigens das einzige, was auffällt, wenn man die Heinens besucht. Das Umwälzsystem ist vor allem für den niedrigen Energiebedarf des Gebäudes verantwortlich. Es funktioniert aber nur, wenn die Bewohner maximale Disziplin beim Lüften üben. Das Fenster stundenlang in Kippstellung lassen? Bloß nicht. „Bei den meisten Fenstern geht das auch gar nicht“, berichtet Karl-Heinz Heinen. Selbstdisziplin ist gut, manchmal ist Hilfe dabei aber noch besser. Deshalb haben die beiden Mieter auch ein etwas schlechtes Gewissen, wenn man jetzt wegen Corona nicht nur mit Maske zusammensitzt, sondern auch die Balkontür einen Spalt aufsteht. Eine Gemeinschaftskasse, um solche energetischen Sündenfälle auszugleichen, gibt es in der Leipziger Straße 5 d zwar noch nicht. Wäre vielleicht aber eine gute Idee.

niedrig-energie-haus-lev_rar_RLE_12202021ALF_7041

Ein Unikum im Bestand der WGL: das Passivhaus in der Leipziger Straße.

Entscheidend ist schließlich, dass die Wärme im Haus bleibt. Die entsteht beim Duschen, Kochen – Atmen: 150 Watt gibt ein Mensch pro Stunde ab. Heinens bemerken den Wärmetausch vor allem in der Küche und im Bad: Anbraten? Kein Problem, auch ohne Dunstabzugshaube. Zweimal Duschen? „Da beschlägt nichts“, wissen sie. Wärme raus, Wärme rein – im Passivhaus macht sich das auf der Nebenkostenabrechnung bemerkbar: Angefangen haben sie mit 15 Euro pro Monat für ihre 72 Quadratmeter große Wohnung. Inzwischen sind es 28.

Das liegt nicht nur an der günstigen Heizung, sondern auch am preiswerten warmem Wasser: Sonnenkollektoren hat das Passivhaus, das seinerzeit rund zwei Millionen Euro gekostet hat, natürlich auch.

Pilotprojekt ohne Nachfolger

Es war ein Pilotprojekt: „Ich hoffe, dass noch weitere Bauherren diesem Beispiel folgen werden“, sagte die damalige Bürgermeisterin Eva Lux, als sie am 5. November 2010 neben sieben Männern einen Spaten in die Erde an der Leipziger Straße rammte. Dort wurde eine WGL-Zeile um eine Einheit mit zwölf Wohnungen ergänzt. Für das Passivhaus gab die Stadt-Tochter um die zwei Millionen Euro aus. Die Förderung von rund 60 000 Euro fiel da nicht so ins Gewicht. Aber darum ging es auch gar nicht. Sondern ums Prinzip: Auch Mieter sollten die Möglichkeit bekommen, zu niedrigsten Energiekosten zu wohnen . Beim Einzug vor knapp zehn Jahren war von 12,20 bis 20 Euro im Monat die Rede, für Wohnungen zwischen 63 und 87 Quadratmeter Größe. Inzwischen haben sich diese Kosten zwar beinahe verdoppelt. Angesichts der derzeit explodierenden Kosten für Gas, teils auch Strom, ist das aber immer noch sehr wenig.

Die Mieter für das Modell an der Manforter Grenze waren „handverlesen“, erinnerte sich jetzt Klaus-Ulrich Heimann, Sprecher der WGL. Monika und Karl-Heinz Heinen, die das Haus seit dem ersten Tag bewohnen, können das bestätigen: Jeder achte darauf, dass das ausgeklügelte Energiekonzept des Hauses nicht durcheinander gebracht und der Spareffekt nicht geschmälert wird.

Ein Problem des Konzepts sei in den vergangenen Monaten aber mehrmals deutlich geworden: Die Zwangslüftung des Gebäudes muss abgestellt werden, sobald die allgemeine Warnung ergeht, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Bei der Explosion am 27. Juli in Bürrig war das so, vor ein paar Wochen beim Großbrand in Küppersteg auch. Weil man den Job, die Anlage abzuschalten, nicht dem weiter entfernt wohnenden Hausmeister überlassen wollte, hat Mieter Karl-Heinz Heinen jetzt einen Schlüssel für den Notschalter. (tk)

Frieren muss man nicht, eher im Gegenteil. Im Zusammenspiel mit der extradicken Wanddämmung und den dreifach verglasten Fenstern ist das Ergebnis fast schon zu überzeugend: „22, 23 Grad haben wir immer“, sagt Karl-Heinz Heinen, der auch an diesem Winternachmittag eher luftig gewandet im Wohnzimmer sitzt. Im Schlafzimmer herrsche diese eher hohe Temperatur übrigens auch. „Daran mussten wir uns echt gewöhnen. Geht aber technisch nicht anders.“

Dafür ist es sehr still. Besonders im Vergleich zu ihrer früheren Wohnung in der Carl-Leverkus-Straße, unten in Wiesdorf. Aber das ist eine andere Geschichte.

Glühlampen? Zu warm

Die 22, 23 Grad Normaltemperatur, die selbstverständlich ohne die nur vorsichtshalber angebrachten Heizkörper erreicht werden, bewegten die Heinens übrigens zum weiteren Energiesparen: Alle Glühlampen sind durch LED ersetzt worden: „Die Strahlen nicht so viel Hitze ab“, sagt der Rentner.

Das könnte Sie auch interessieren:

Muss man sich sonst irgendwie einschränken? Ja: In die Wände bohren, das geht nicht wegen der Dämmung. Das gilt innen wie außen. Und die Waschküche ist zu klein, was an der Anordnung des Passivhaus-Herzstücks liegt: dem Wärmetauscher. Wäsche in der Wohnung trocknen ist nicht erlaubt, weil das die Lüftung durcheinander bringen könnte. Trockner wurden erlaubt, sagt Monika Heinen. Aber von Anfang nur Kondensatorgeräte. Dass ein Wäscheständer auf dem Balkon die bessere Lösung ist, weiß man nicht nur als Bewohner eines Passivhauses.