Leverkusen - KölnDas erste Riesenstahlteil für die neue A1-Rheinbrücke ist eingebaut
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Leverkusen – 1115 Tonnen Stahl bringen dieses Wochenende neue Hoffnung ins Rheinland: Das erste Stahlelement der neuen Leverkusener Brücke ist auf seine Pfeiler gesetzt worden. Am Sonntag um 14 Uhr war es vollbracht. Ist diese erste Brücke fertig, können auch Lkw auf der A1 den Rhein von und nach Köln wieder passieren.
Mit Fertigstellung dieser Brücke kann dann die Brücke, über die der Verkehr zurzeit noch (wenn auch zäh) fließt, abgebrochen werden. An ihre Stelle kommt ein zweiter Neubau, sodass langfristig beide Fahrtrichtungen mit je fünf Spuren ihre eigene Brücke erhalten.
Eine ebenfalls neue Spannbetonbrücke im Vorland auf Kölner Seite soll das dann einen Kilometer lange Riesenprojekt der Autobahn-GmbH mit angestrebtem Gesamtbauende 2027 komplettieren. Am Samstag und Sonntag ist also nicht nur ein Stahlelement eingebaut, sondern ein erster Meilenstein, gelegt worden.
Der Weg dahin war bisher kein einfacher. Vor zehn Jahren klassifizierte der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek die Leverkusener Brücke als irreparabel. Es folgten Meldungen über immer mehr Ermüdungsbrüche in der Brücke, die schließlich zur Sperrung des Abschnitts der A1 für Lastwagen führten, während die Schweißer vom Schachtbau Nordhausen den Brückenkasten stabil hielten.
Es wird wohl ein Milliarden-Projekt
Seit Jahren müssen enorme Umwege in Kauf genommen werden. Hinzu kommt, dass die marode Leverkusener Rheinbrücke Baujahr 1965 kein Einzelfall bleibt, 60 Prozent der Autobahnbrücken in NRW müssen erneuert werden. Und dann stockte das größte Projekt der rheinländischen Niederlassung der Autobahn GmbH auch noch, weil der zunächst zuständige Baukonzern Porr fehlerhaften Stahl aus China importiert hatte.
Im April 2020 machte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Eklat publik. Porr wurde gekündigt. Nicht nur die Bauzeit verlängerte sich dadurch, auch die Kosten stiegen. Statt anfänglich rund 740 Millionen schätzte die Autobahn-GmbH die Summe vor einigen Monaten bereits auf 962 Millionen Euro. Doch unter anderem wegen der Pandemie-bedingten Materialknappheit ist damit zu rechnen, dass es damit nicht getan ist, die Brücke ein Milliarden-Projekt wird.
„Für uns ist es etwas ganz Besonderes, dass wir das erste Stahlteil jetzt haben“, sagt am Samstag Thomas Ganz, Direktor der Autobahn-GmbH Rheinland auf der Baustelle am Leverkusener Ufer. In Einzelteilen ist das jetzt 66 Meter lange und 34 Meter breite Element seit September angeliefert und vor Ort am Rhein zusammengebaut worden. Eine Handvoll Experten für Schwerlasten der Firma Mammoet beginnen, das Stahlstück auf einer Transportplattform in Position zu manövrieren. Die wenigen Hände bedienen eine gigantische Maschine.
Schubkästen werden gestapelt
Mehrere Stunden lang schieben sich vier auf der Plattform montierte Rüsttürme mit hydraulischen Pressen in die Höhe. Per Schubkastensystem fügen die Arbeiter einen hohlen Stahlstapel nach dem anderen unter das Brückenelement, bis es 8,20 Meter über der Fahrbahn der A59 schwebt. Eine simple, aber effektive Methode. Die A 59 ist und noch bis Sonntagabend gesperrt.
Trotz hervorragenden Wetters schwankt das Element leicht im Wind, vier stabilisierende Querstangen halten es auf der Plattform in Position. Als nächstes bewegt sich die gesamte Plattform mit einer vorsichtigen Geschwindigkeit von vielleicht einem Meter pro Minute das kleine Stück weiter in Richtung der Brückenpfeiler. Abgesehen von einem Reifenplatzer am Vormittag, der schnell behoben werden kann, verläuft der Einbau bisher reibungslos.
Seitenhieb auf Porr
„Jetzt haben wir Partner, die vernünftig arbeiten“, sagt Thomas Ganz über den 2021 neu beauftragten Stahlbauer SEH Engineering und die Firma Hochtief, die sich korrespondierend um alles kümmert, was Beton betrifft. Der jetzt verbaute Stahl ist in Deutschland, Belgien und Frankreich gefertigt worden. Ein Montageteam von circa 15 Fachleuten will das Stahlelement am Sonntag über den Brückenlagern ablassen. Auf den Widerlagern soll es fortan 100.000 Fahrzeuge pro Tag aushalten.
Oliver Luksic, seit Dezember amtierender Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, besucht am Samstag erstmals die Baustelle, passenderweise vor dem Brückengipfel des Verkehrsministeriums am kommenden Donnerstag. „Wir stehen vor einer gigantischen Aufgabe“, ordnet der FDP-Politiker den Bau in die lange Liste der infrastrukturellen Probleme des Landes ein.
Von dem Fortschritt zeigt sich Thomas Ganz am Samstag beeindruckt: „Wenn man das hier live sieht, bekommt das Wort Brücke eine ganz neue Bedeutung.“ Aber auch skeptische Blicke werden vom Geländer der alten Brücke aus auf die neuen Pfeiler geworfen. „Es ist ähnlich schön wie einen Braunkohletagebau anzugucken“, sagt die Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik (Die Grünen) über die künftig doppelte so breite Asphaltbahn, „das entspricht nicht unserem Verständnis von Mobilität der Zukunft.“
Der zehnspurige Ausbau trifft in Leverkusen seit Jahren auf Widerstand, weil sich die Verbreiterung der A1 im Stadtgebiet fortsetzen soll. CDU-Landtagsabgeordneter Rüdiger Scholz schaut mit einem Protest-Schal um den Hals an der Baustelle vorbei: „Tunnel statt Stelze“ propagiert er auch hier. Wie die rechtsrheinische Weiterführung der Autobahn aussehen wird, ist noch immer unklar.
Auf die andere Seite kommt ein Raupenkran
Linksrheinisch hingegen wird der Bau der Rheinbrücke spektakulär weitergehen. Ein Raupenkran soll nach den Osterferien betriebsbereit am Ufer stehen. Doch allein dessen Aufbau nimmt zwei Wochen in Anspruch. Anfang Mai kommt er zum Einsatz, denn mit dem selbst schon 700 Tonnen wiegenden Gerät kann das zweite Stahlelement direkt von einem Schiff auf die Brückenpfeiler gehoben werden.
„Für die Logistik nutzen wir den Rhein optimal aus“, sagt Autobahn-Projektleiter Thomas Müller, denn die meisten Stahlteile reisen per Schiff zur Baustelle. Das hat auch den Vorteil, dass weniger Schwerlast-Transporte die umliegenden Autobahnen belasten. Für Müller wird der Einbau der mittleren und damit größten Teile die spannendste Phase, weil dann Schrägseile zwischen den Stahlelementen und 57 Meter hohen Pylonen passend justiert werden müssen. Da der Rhein nicht komplett gesperrt werden darf, müssen sich die Arbeiten auf die Flussmitte begrenzen, sodass Schiffe außen herum fahren können.
Hochzeit 2023
Aus insgesamt sieben Teilen wird die eine Brücke der Fahrtrichtung Trier bestehen, mit Stützweiten von bis zu 280 Metern. Zum Zeitplan, wann mit dem letzten Element beide Brückenseiten verbunden werden, kündigt der Projektleiter an: „Hochzeit wird 2023 gefeiert.“