55 Wohnungen an der Adam-Riese-Straße umfasst die Genossenschaft. Jetzt ist sie zahlungsunfähig, sagt ihr Vorstand. Die Zukunft ist ungewiss.
WohngenossenschaftVorzeigeprojekt in der Bahnstadt Opladen ist in existenzieller Gefahr
Das Karree an der Adam-Riese-Straße in der Neuen Bahnstadt ist ein beispielhaftes Projekt. Ein Gemeinschaftsraum und 54 Wohnungen, die Hälfte von ihnen öffentlich gefördert. Mieten bei rund sieben Euro pro Quadratmeter, 9,20 Euro dort, wo es keine staatlichen Kredite gab. „Wir haben hier Junge und Alte, Arme und Reiche“, skizzierte es Guido Jürgensen am Freitag. Er sitzt im Vorstand der Nutzergenossenschaft Neue Bahnstadt Opladen (NgNBsO), die das alles ab 2015 auf die Beine gestellt hat.
Er muss bald einen ganz schweren Gang antreten: „Wir werden einen Insolvenzantrag stellen. Die Genossenschaft ist zahlungsunfähig“, sagte der Kaufmann. Ob das kommende Woche geschehe oder erst nach Pfingsten, stehe noch nicht fest. Aber der Zeitpunkt ist auch nicht das Entscheidende.
Leverkusen: Der GBO kann die Sache nicht retten
Den Anlass dazu, die Reißleine zu ziehen, lieferte – wohl oder übel – am Ende der Gemeinnützige Bauverein Opladen. Lange stand in Rede, die Nutzergenossenschaft Neue Bahnstadt Opladen im GBO aufgehen zu lassen. Die ausweislich der letzten Bilanz rund neun Millionen Euro an ausstehenden Krediten wären weiter bedient worden, die Bewohner-Struktur wäre geblieben, wie sie ist. „Wir haben das solide geprüft“, sagte am Freitag GBO-Vorständin Meral Tosun dem „Leverkusener Anzeiger“. Aber wegen der immens steigenden Zinsen komme eine Übernahme der NgNBsO derzeit nicht infrage.
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Denn der GBO hat dasselbe Problem wie alle, die jetzt eine Immobilie finanzieren müssen. „Die Zinsen haben sich vervierfacht“, so Tosun. Dazu kommen stark steigende Preise bei Bauten, die noch zu errichten sind. Davon hat der GBO einige auf der Agenda. Mit Blick darauf sei es nicht zu verantworten, die Häuser in der Adam-Riese-Straße zu übernehmen. Deren Errichtung hat 2015 rund 16 Millionen Euro gekostet.
Passivhaus-Standard und ein preisgekröntes Konzept
Dafür bekamen die Genossen Passivhaus-Standard mit einem Heizwärme-Bedarf von maximal 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und eine aufwendige Ausstattung – auch in den öffentlich geförderten Wohnungen: „Da gibt es keinerlei Unterschied“, sagte Jürgensen. Die vier Häuser, die einen grünen Innenbereich umrahmen, sind sogar preisgekrönt: 2020 heimste das vom renommierten Architekturbüro Schaller / Theodor konzipierte Objekt die „Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Nordrhein-Westfalen“ ein.
Das Konzept der Opladener Anlage umfasst aber nicht nur herausragende Architektur und höchsten Öko-Standard. Die Mitglieder der Genossenschaft wollen „ein sozial orientiertes Leben“ führen und tatsächlich eine enge, die Generationen verbindende Gemeinschaft bilden. Der Sozialdienst katholischer Frauen organisiert im Gemeinschaftsraum das Projektcafé „Hereinspaziert“. Das alles mit der Aussicht auf lebenslanges, sogar vererbbares Wohnrecht.
Schon 2016 war die Opladener Genossenschaft in Gefahr
Dafür hätten die Genossen einst 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche eingezahlt, erinnerte sich Vorstand Jürgensen. Dass er und Özgen Islamoglu als Vorstandsmitglieder der Genossenschaft einmal so stark beansprucht würden – damit sei nicht zu rechnen gewesen, berichtete Jürgensen. Das Ehrenamt verschlinge wegen der finanziellen Probleme enorm viel Zeit. Diese Probleme hätten ihren Ursprung im Gebaren des ursprünglichen Investors Josef Hennebrüder. Deshalb „standen wir 2016 schon einmal vor dem Aus“.
Die Idee, die finanziellen Probleme durch eine Erhöhung der Miete – in der Genossenschaft spricht man von „Nutzungsentgelt“ – zu lösen, habe man verwerfen müssen: Wegen der Sozialbindung sei das für die Hälfte der Wohnungen nicht machbar gewesen. Umso stärker hätte die Belastung der anderen Bewohner zunehmen müssen: „So etwas ist nicht durchzusetzen“, so Jürgensen.
Nun allerdings steht das ganze Konstrukt auf der Kippe: Sollte anstelle des GBO ein Immobilieninvestor zuschlagen, wären alle Bewohner nur noch so lange geschützt, wie es das Mietrecht hergibt. Zwar wäre rund die Hälfte derer, die keine Sozialwohnung nutzt, in der Lage, zu kaufen. Die anderen aber würden ihre lebenslange Sicherheit verlieren. Und irgendwann ausziehen.
Das habe man auch beim GBO im Blick, sagte Vorständin Tosun. Schließlich kenne man die Nutzergenossenschaft sehr gut – „wir verwalten das Objekt“. In Rede stehe, womöglich wenigstens die öffentlich geförderten Wohnungen zu übernehmen und damit diesen besonders empfindlichen Mietern Schutz zu gewähren. Genossenschaftler Jürgensen wäre das mehr als lieb. Ob es aber dazu kommt, wird er bald nicht mehr beeinflussen können. Das Wort hat ganz bald der Insolvenzverwalter.