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LokalpolitikWenig Vielfalt im Stadtrat Leverkusen – das wollen die Fraktionen dagegen tun

Lesezeit 4 Minuten
Der Ratssaal.

Der durchschnittliche Politiker in Leverkusen ist männlich, über 50 und Akademiker.

Der Leverkusener Stadtrat ist im Durchschnitt männlich und Akademiker – das spiegelt aber nicht die diverse Stadtgesellschaft wider.

Ein Stadtrat vertritt die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger in einer Stadt. Aus diesem Grund sollte sich dort wohl auch möglichst die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln. In Leverkusen ist das allerdings nicht der Fall, wie eine Analyse des „Leverkusener Anzeiger“ kürzlich ergeben hat.

Demnach ist der durchschnittliche Stadtrat in Leverkusen ein männlicher, über 50 Jahre alter Akademiker. Von insgesamt 53 Ratsmitgliedern, der stimmberechtigte Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) eingerechnet, sind nur 17 weiblich. Laut aktueller Bevölkerungszahlen (Stand: 31. Mai 2024) leben jedoch 86.739 Frauen in Leverkusen – von ins gesamt 170.188 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Geschlechterverteilung ist dabei nur ein Beispiel – junge Menschen oder solche mit Migrationsgeschichte sind unter den Ratsmitgliedern lediglich unterdurchschnittlich vertreten.

Stadtrat Leverkusen: Fraktionen erkennen Probleme – Bürgerdialog als Ausgleich

Die Fraktionen der SPD, CDU, FDP und Grünen erkennen an, dass es an Diversität im Rat mangelt. So seien sich die Leverkusener Sozialdemokraten bewusst, „dass die aktuelle Zusammensetzung des Stadtrats nicht alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen repräsentiert.“ Auch die Christdemokraten sehen ein „Entwicklungspotenzial“.

Daher sei der „Dialog zwischen den Ratsmitgliedern und der Bevölkerung entscheidend“, heißt es weiter von der CDU Leverkusen, die regelmäßig mit den Menschen spreche, um ihre Anliegen direkt in die Ratsarbeit einfließen zu lassen. Die SPD betont, „gute und enge Beziehungen zu allen Bürgerinnen und Bürgern“ zu pflegen, etwa mit der queeren Community oder engagierten Migrantenvereinen. Derweil bietet die FDP monatlich Bürgersprechstunden an, um sicherzustellen, dass „die Interessen der Leverkusenerinnen und Leverkusener im Stadtrat gehört und berücksichtigt werden“.

Auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen argumentiert, dass man die „Augen und Ohren nah bei den Bürgerinnen und Bürgern“ habe und darüber hinaus gut vernetzt sei. „Trotzdem wird es immer ‚Blind Spots‘ geben, denn man kann ja nur sehen, was man zu sehen in der Lage ist“, so die Grünen weiter. Ein vielfältigerer Stadtrat wäre daher besser.

Stadtrat Leverkusen: Zeit ist das große Problem

„Wir sind offen für junge oder ‚bunte‘ Menschen“, merkt Opladen Plus an. Die Fraktion bemühe sich um einen möglichst niederschwelligen Zugang zur kommunalpolitischen Mitarbeit. Aber: „Es ist aber sehr schwierig, junge Menschen für Politik zu begeistern.“ Laut Opladen Plus nehme sich kaum noch jemand Zeit „für ein so aufwendiges Projekt wie die Kommunalpolitik“, viele würden sich dazu eher für einzelne Themen engagieren, etwa für einen sicheren Schulweg oder die Flutsanierung der Kita der eigenen Kinder statt für das Ganze.

Den Problemfaktor Zeit sehen auch die anderen Fraktionen. Denn Kommunalpolitik ist ein Ehrenamt. Die Grünen meinen, dass sie Menschen benötige, „die bereit sind, sich in komplizierte Zusammenhänge einzuarbeiten, um gute Entscheidungen treffen zu können – und zwar in der Freizeit.“

Auch Berufstätige in Vollzeit stünden laut der FDP vor Herausforderungen: „Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter für die Ratsarbeit freistellen, diese Stunden müssen aber in der freien Wirtschaft nachgearbeitet werden.“ Wenn Sitzungen etwa um 14 Uhr beginnen, sei das besonders für junge Menschen und Nichtakademiker ein Hindernis, da sie häufig weniger flexible Arbeitszeiten hätten.

Für Frauen komme oftmals die klassische Doppelbelastung von Job und Familie Schwierigkeiten, argumentiert die SPD. Ganz andere Herausforderungen hätten zudem Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit einem sozial-ökonomisch schwachen Hintergrund. Die CDU spricht in diesem Zusammenhang von einer Hürde für diejenigen, „die nicht in traditionellen politischen Netzwerken verankert sind“, sie seien „oft schwer zugänglich für Menschen mit neuen Perspektiven oder anderen sozialen Hintergründen“.

Leverkusener Fraktionen wollen zukünftig auf Flexibilität setzen

Es sei für die Leverkusener CDU-Fraktion daher ein „besonderes Anliegen, mehr Frauen, junge Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund für die politische Arbeit zu gewinnen“. Dafür setzen die Christdemokraten auf „flexible und inklusive Strukturen“, etwa mit hybriden Sitzungen.

Eine ähnliche Strategie verfolgen auch die anderen Fraktionen. Die SPD biete darüber hinaus spezielle Förderprogramme für Frauen und junge Menschen an. „Unser langfristiges Ziel ist es, dass der Stadtrat zukünftig noch transparenter die Vielfalt der Leverkusener Gesellschaft widerspiegelt“, heißt es von den Sozialdemokraten weiter.

Die FDP arbeite ebenfalls daran, den eigenen jungen Nachwuchs zu fördern, der derzeit als Teil der erweiterten Fraktion zwar in Ausschüssen sitzt, aber nicht im Stadtrat. Im Leverkusener Kreisverband der Grünen gebe es zudem eine „Personalentwicklungs-Kommission“, die beratend dem Parteinachwuchs zur Seite stehe. Um etwas gegen die mangelnde Diversität zu tun, hat Bündnis 90/Die Grünen bereits vor 35 Jahren ein Frauenstatut und 2020 eines für Vielfalt ins Leben gerufen, um die Partei feministischer und inklusiver und nicht diskriminierend zu gestalten.

Für die Leverkusener Fraktion der AfD wäre das keine Option. Quoten, wie die Grünen oder auch die CDU sie in ihren Satzungen verankert haben, seien undemokratisch. Ein Problem oder gar Handlungsbedarf sieht die Alternative für Deutschland bei der Zusammensetzung des Stadtrates nicht. Er sei das Ergebnis „eines demokratischen Wahlverfahrens und des Wählerwillens“ sei. Zudem würde jedes Ratsmitglied „per definitionem“ alle Bürgerinnen und Bürger vertreten, „eine Vertretung von Einzelinteressen sollte es generell gar nicht geben“.

In eigener Sache: Die Fraktion der Bürgerliste hat nicht auf die Anfrage unserer Redaktion reagiert. Einzelvertreterinnen und -vertreter im Leverkusener Stadtrat wurden nicht zu dem Thema befragt.