Leverkusen – Er hat zweimal zugestochen, sein Opfer überlebte nur dank einer Notoperation im Remigius-Krankenhaus: Vor Ostern hat der Prozess um eine Messerattacke am Berufskolleg in Opladen am Landgericht Köln begonnen, am 29. April geht er weiter.
Verlobung in der U-Haft
Wegen versuchten Totschlags angeklagt ist ein 22-Jähriger, der in Leverkusen geboren wurde und aktuell in Burscheid bei seiner Freundin wohnt. Während seiner Untersuchungshaft hat er sich mit ihr verlobt, daher verweigerte die 18-Jährige, die nach wie vor Schülerin am Berufskolleg ist, die Aussage.
Um sie ging es auch vor Gericht. Angeblich soll sie vom späteren Opfer, einem 19-jährigen Schüler des Berufskollegs aus Manfort, mit dem sie in eine Klasse geht, „massiv gemobbt“ worden sein, führte der Verteidiger des Angeklagten aus. Der 22-Jährige habe daraufhin beschlossen, den Mitschüler der Freundin zur Rede zu stellen, kontaktierte ihn und verabredete ein Treffen für den 7. Oktober 2021.
Als der Angeklagte am Tag vor der Verabredung seine Freundin in Opladen nach Unterrichtsschluss abholte, seien sie bereits auf dem Schülerparkplatz auf ihn getroffen. Der 22-Jährige habe entschieden, den Mitschüler direkt anzusprechen. Zuvor in der Nacht habe er Kokain konsumiert, räumte sein Verteidiger ein.
Ablauf der Auseinandersetzung am Leverkusener Berufskolleg teils unklar
Was dann passierte, versuchte die 5. Große Strafkammer des Landgerichts am ersten Prozesstag im Detail zu ergründen. Offenbar entwickelte sich ein Schlagabtausch. Im Verlauf soll der 19-Jährige, nachdem er „etwas bemerkt hat“ – ob einen Stich, einen Schlag, ein Schubsen – selbst mit der Faust zugeschlagen haben. Ob das zuvor bereits ein Messerstich war, blieb unklar.
Der Angeklagte, der „so wie immer“ ein Springmesser mit einer zehn Zentimeter langen Klinge bei sich trug, soll laut Anklageschrift im Laufe der Auseinandersetzung zweimal „mit voller Wucht“ zugestoßen haben. Die Messerstiche hat er über seinen Verteidiger beim Prozessauftakt eingeräumt.
Das Opfer sagte vor Gericht aus, dass es, als es das Messer in der Hand seines Gegenübers gesehen habe, weggerannt sei, und zwar Richtung Ausfahrt Rennbaumstraße. Der 22-Jährige verfolgte ihn über den Schülerparkplatz, dann drehte er ab und stieg wieder zu seiner Freundin ins Auto. Er behauptet über seinen Verteidiger, kein Blut am Messer wahrgenommen zu haben und somit auch nicht gewusst zu haben, wie stark die Verletzung war.
Opfer: „Ich hatte Todesangst“
Die war allerdings lebensgefährlich. Der 19-jährige Schüler habe nach seiner Flucht über den Parkplatz realisiert, dass er blutete und konnte noch selbstständig den Rettungswagen rufen – zwei Personen, denen er begegnet sei, hätten auf seine Aufforderung, den Notarzt oder die Polizei zu rufen, nicht reagiert, erzählt er.
„Ich hatte Todesangst“, gab der 19-Jährige vor Gericht an, er habe auch seine Mutter angerufen und gesagt, dass er sie liebe. Fünf Tage lag er im Oktober 2021 im Krankenhaus. Seine Lunge sei bei der Attacke verletzt worden, seine Ausdauer sei immer noch schlecht, das merke er beim Treppensteigen. Er wolle unbedingt seinen Realschulabschluss machen und ein normales Leben führen.
19-Jähriger weist Mobbingvorwürfe von sich
Dass er die Mitschülerin gemobbt haben soll, wies er vor Gericht von sich. Er habe sich zwar nicht gut mit ihr verstanden, sie sei ihm quasi „egal“ gewesen, aber als „fett“ habe er sie nicht bezeichnet. Die vom Angeklagten angebotene Entschuldigung wollte er nicht hören.
Die Strafkammer befragte den 22-jährigen Angeklagten am Mittwoch noch zu seinem Leben: Seine Eltern hätten sich noch vor seiner Geburt getrennt, eine Zeit lang habe er bei seiner Mutter, dann bei seinem Vater gewohnt. Nachdem er seinen Realschulabschluss in Opladen in der Tasche hatte, habe er unterschiedliche Jobs angenommen, unter anderem als Kellner und in der Security-Branche. Eine Ausbildung fing er nicht an.
Weitere Verhandlungstage hat das Landgericht für den Prozess angesetzt, am 29. April geht es weiter.