Naturschützer gegen ParkplatzbauWarum die Ausgleichsflächen in Rheindorf Humbug sind
Leverkusen – Wenn in naher Zukunft am S-Bahn-Halt in Rheindorf 70 weitere Stellplätze für die Autos von Pendlern gebaut werden, die hier in den Zug umsteigen, bedeutet dies einen weiteren irreparablen Schaden an der Landschaft in Leverkusen. Da sind sich die Naturschutzverbände BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Nabu (Naturschutzbund Deutschland) und LNU (Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt) einig, die gemeinsam die von der Ratsmehrheit beschlossene Erweiterung des Parkplatzes ablehnen. Denn der gesetzlich vorgeschriebene Ausgleich für den dabei erforderlichen Landschaftseingriff sei hier – wie in so vielen Fällen – einmal mehr eine Mogelpackung.
Von einem „Ablasshandel“, der da betrieben werde, spricht Professor Martin Denecke, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt und dem Leverkusener Naturschutzbeirat vorsitzt. Was gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz als „gleichwertiger Ausgleich“ für die Inanspruchnahme von Flächen ausgewiesen werde, könne nicht einmal ansatzweise den angerichteten ökologischen Schaden kompensieren. „Das Vorhaben als hundertprozentigen Ersatz zu beschreiben ist nur juristisch korrekt, naturwissenschaftlich betrachtet ist es falsch und grober Unfug.“
Die billige Lösung
Da der Parkplatz am S-Bahn-Halt nahe der Solinger Straße mit seinen bisher 106 Stellplätzen schon lange nicht mehr ausreicht und die angrenzenden Wohnstraßen oft zugeparkt werden, ist die Erweiterung des Park-and-Ride-Platzes seit rund sieben Jahren in der Diskussion. Zunächst war eine Parkpalette erwogen worden, mit der ein weiteres Geschoss über den vorhandenen Parkplatz gebaut werden sollte. Dort hätte allerdings der einzelne Stellplatz dann 10.000 Euro gekostet, ein ebenerdiger Stellplatz auf dem benachbarten Feld ist mit 3100 Euro billiger zu haben. Weshalb diese Lösung beschlossen worden ist.
Aber eben auf Kosten der Natur. Professor Denecke: „Wir müssen endlich umdenken und kapieren: Freie Flächen sind ein knappes Gut geworden und nicht vermehrbar. Was versiegelt ist, ist verloren.“ Und was als Ausgleich ausgewiesen werde, könne dieses Versprechen in der Regel nicht einlösen.
So auch nicht im Fall Rheindorf. Für die 1600 Quadratmeter des benachbarten Feldes, die nun Parkplatz werden, soll ein gleichgroßer anschließender Teil des Feldes zur Extensivwiese werden und nur noch maximal zwei Mal im Jahr gemäht werden. Der Bereich müsse mindestens doppelt so groß sein, um Wirkung zu erzielen, fordern die Naturschutzverbände, und müsse eingezäunt werden, damit er nicht zum Hundeklo werde.
Unfug gerügt
Auch die Randbepflanzung des Parkplatzes mit Sträuchern als Ausgleich anzuführen, ist in ihren Augen Unfug, weil dies angesichts der dauernden Störung durch Fahrzeuge mit Natur so gar nichts zu tun habe. Außerdem wünschen sie sich eine große Wildbienenstation, Bodenbrutplätze für erdbrütende Wildbienen sowie vier Fledermauskästen und fünf Meisenkästen.
Diese Forderungen sind der Stadtverwaltung als Stellungnahme zum Bebauungsplan übermittelt worden. Dass sie erfüllt werden, der Hoffnung geben sich Ingrid Mayer (BUND), Erich Schulz (Nabu) und ihre Mitstreiter nicht hin. Weil die gesetzlichen Vorschriften zahllose Hintertüren öffnen.
Dr. Sascha Eilmus von der ebenfalls hier engagierten Offenland Stiftung sieht die aus Hessen übernommene Regelung mit „Ökopunkten“ als ein solches Übel an. Damit werde die Natur zum reinen Wirtschaftsgut degradiert. „Wenn man die Versiegelung einer artenreichen Wiese in Leverkusen mit dem Pflanzen von Bäumen im Hunsrück ausgleichen kann, bringt das der Natur und der Lebensqualität der Menschen in unserer Stadt rein gar nichts.“
An einem Stopp der weiteren Flächenversiegelung führe kein Weg vorbei, betonen Mayer und Denecke. Das bedeute konkret: Keine weiteren Bauten, ob Wohnsiedlungen oder Gewerbeflächen, auf Freiflächen, sondern mehrstöckiger Siedlungsbau bevorzugt in innerstädtischen Baulücken. Sonst gäbe es in der Stadt bald keine grünen Flächen mehr und keine Luft zum Atmen. Und größer dimensionierte Naturschutzgebiete, damit diese überhaupt einen Effekt für den Artenschutz haben könnten.
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Und im Fall der S-Bahn-Station Rheindorf? Besser die teurere Parkpalette bauen als Fläche zu versiegeln und die Nutzer dann an den Kosten beteiligen. Und noch besser: Sichere Fahrrad-Abstellplätze schaffen, damit Pendler zum Umstieg auf die Bahn nicht erst mit dem Auto, sondern besser mit dem Rad oder per Bus anfahren. Dass es immer noch nicht genügend sichere Fahrradboxen gebe, sei „ein Skandal ohnegleichen“, so Professor Denecke.