Leverkusen – Opladen hat eine neue Pfarrerin: Karolin Eckstein hat Anfang August eine der drei Pfarrstellen übernommen. Die 36-Jährige kommt aus dem Norden: Aufgewachsen im Emsland, hat sie drei Jahre nach dem Theologiestudium in Ostfriesland gearbeitet. Dann wollte sie weiter: „Die Leute dort waren sehr herzlich, es gibt noch große Nachbarschaften auf dem Land, doch ich wollte mehr ins Städtische“, hat sie irgendwann erkannt. Hinzukommt: Sie hat Freunde und Bekannte in ganz Deutschland, da wollte sie lieber etwas „zentraler“ wohnen, sagt sie schmunzelnd – und hat sich auf die Pfarrstelle in Leverkusen beworben.
Sie fühlt sich hier willkommen und hat auch schon eine Wohnung in der Opladener Altstadt gefunden. Als das Hochwasser kam, war sie noch in Ostfriesland. Auf der einen Seite ist sie dankbar, das nicht erlebt haben zu müssen, auf der anderen Seite habe sie schon das Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben, was im Bewusstsein der Menschen hier noch sehr präsent sei. Gern wäre sie zumindest zum Aufräumen hierhingekommen, sagt sie. Zwei Tage vor ihrem Umzug nach Opladen explodierte dann der Sondermüllofen. „Ich glaube, es hatten viele Leute Angst, dass ich wieder absage“, sagt Eckstein lachend.
Mit Leuten aus ganz Deutschland vernetzt
Das hat sie aber nicht vor: „Opladen ist perfekt: städtisch, aber übersichtlich und charmant“, findet sie. Schwerpunktmäßig wird sie sich in der Gemeinde um die Familienarbeit kümmern, aber auch das Thema Social Media war explizit in der Ausschreibung angesprochen. „Je breiter man aufgestellt ist, desto mehr Leute erreicht man“, ist sie sicher. Das Thema Social Media und Internet bietet ihrer Meinung nach viel Raum für Interaktivität und Miteinander. Corona hätte es gezeigt: Eckstein hat sich mit Leuten aus ganz Deutschland vernetzt, die sie noch nie live getroffen habe, sagt sie begeistert. Grundsätzlich will sie sich auch der „schmerzhaften“ Frage widmen, wie man Menschen ihrer Generation mehr erreichen kann: „Dass die Leute sonntags nicht in die Kirche gehen, bedeutet nicht, dass sie nicht an Gott glauben.“
Ihren Glauben hat sie in Litauen gefunden – in einer katholischen Gemeinde: Nach dem Abi hat Karolin Eckstein ein freiwilliges Jahr in Vilnius verbracht und in einem Kindertageszentrum mitgeholfen. Es sei „überraschend“ gewesen, wie schnell sie in die Gemeinde reingekommen ist und aufgenommen wurde. „Der Glaube war bei den Leuten so konkret“, hat sie beobachtet. In ihrer Jugend sei der Glaube eher „kein Thema“ gewesen, auch wenn sie zu Kindergottesdiensten oder zur Konformation gegangen ist. Danach sei sie aber weg gewesen, „es gab nichts, was mich gehalten hat“. In Litauen erfuhr die 36-Jährige, dass der Glaube einen Unterschied im Leben und für das Lebensgefühl machen kann. „Bei diesen Menschen war etwas anders“, erinnert sie sich, „ich dachte: Da will ich dazugehören.“ Dann ging sie auf die Suche: Eckstein studierte erstmal Baltistik und Slawistik in Greifswald, wechselte aber nach vier Semestern zu Theologie. „Das Fach war spannend, es ging häufig um große Lebensfragen.“ Noch zu diesem Zeitpunkt sei es ihr nicht in den Sinn gekommen, Pfarrerin zu werden, irgendwann sei sie dann reingewachsen, sagt sie.
Ob es ihr niemals in den Sinn gekommen war, zu den Katholiken zu wechseln, wenn sie doch so gute Erfahrungen gemacht hat? „Nein“, kommt es prompt. Da sie im katholischen Emsland aufgewachsen ist, habe sie immer „ein gutes Verhältnis“ zum katholischen Glauben gehabt. In Litauen sei es um den christlichen Glauben an sich gegangen, nicht um evangelisch oder katholisch. Eckstein schätzt viel an der Schwesterngemeinschaft: Die Katholiken hätten mehr sinnliche Elemente, den Weihrauch könne man riechen, die Hostie jede Woche schmecken, sich mit Wasser bekreuzigen. Die Evangelen seien häufig „etwas verkopft“, empfindet sie. Nichtsdestotrotz findet sie den evangelischen Glauben gut, nicht zuletzt weil sie sonst ja auch hätte nicht Pfarrerin werden können.
In ihrer Freizeit hat sie vor zwei, drei Jahren das Bouldern entdeckt: „Das macht mir Spaß, auch wenn ich es nicht professionell mache.“ Der Kopf schalte sofort völlig ab. Klavier spielt sie auch: „Zum Liederbegleiten reicht es.“ Wenn das kein Zeichen ist: Das Klavier in der Bielertkirche hat die Flut unbeschadet überstanden. Am 12. September hält Eckstein ihren ersten Familiengottesdienst um 11 Uhr. Thema: Gottes Wort zum dahinschmelzen, dazu gibt es Eis.