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„Chance“ oder unnütz?Opladenerin wirbt in Leverkusener Kliniken für Pflegekammer

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LEV Remigius

Sonja Wolf arbeitet im Remigius-Krankenhaus. Sie will, dass die Pflege mehr in der Politik vertreten und gehört wird: durch eine Pflegekammer. Das Konstrukt ist aber auch umstritten.

Leverkusen – In der Pandemie sei so viel über Pflegekräfte gesprochen worden, aber nicht mit ihnen, kritisiert Sonja Wolf. Sie möchte das ändern. Die 55-Jährige will mithelfen, den Pflegekräften – ob in Kliniken oder Altenheimen oder in ambulanten Diensten – eine Stimme zu geben. Eine politische.

Sonja Wolf arbeitet seit 21 Jahren im Remigius-Krankenhaus in Opladen und macht Werbung für die Pflegekammer. Dieses politische Gremium war vor zwei Jahren im Landtag beschlossen worden und soll allen Pflegenden zu mehr politischer Mitbestimmung verhelfen. Es soll sich in Gesetzgebungsverfahren einbringen und für bessere Arbeitsbedingungen sorgen.

Wolf, die bereits in den 90er Jahren dafür demonstriert hat, ist Mitglied des „Errichtungsgremiums“. Diese 19 Frauen und Männer touren derzeit durch Nordrhein-Westfalen und rühren die Werbetrommel, damit alle stimmberechtigten Pflegkräfte am 31. Oktober auch die Mitglieder der „echten“ Pflegekammer wählen. Wolf macht dabei auch Wahlkampf für sich selbst: Die Opladenerin möchte Teil der Kammer sein.

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Die Pflegekammer, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, soll „das politische Sprachrohr“ aller Pflegekräfte sein und Mitspracherecht in der Politik haben. „Das ist eine riesen Chance“, findet Wolf. Und ärgert sich: „Aktuell ist die Pflege an den entscheidenden Tischen nicht vertreten.“

Sie nennt Beispiele: Ob im Gemeinsamen Bundesausschuss, also das Gremium, das festlegt, für welche Leistungen die Krankenkassen in Deutschland zahlen, in dem Vertreter der Pflegebranche nur Anhörungsrecht hätten, oder bei der Regelung zur Pflegepersonaluntergrenze, das ohne Mitbestimmung der Pflegebranche umgesetzt worden sei: Sonja Wolf will erreichen, dass die Versorgung besser und der Beruf attraktiver wird. Sie wolle „weg von der Pflege als Berufung, hin zu: Wir sind Profis“, die auch besser bezahlt werden. Und auch ein besseres Standing in der Gesellschaft haben.

Kritik an „Zwangsmitgliedschaft“

Wolf hofft darauf, dass die prognostizierten 220.000 Mitglieder der Kammer so viel politische Kraft entfalten, dass auch andere Bundesländer mitziehen und auch auf Bundesebene mehr passiert. Doch Kritik an dem Kammermodell gibt es genügend: Von „Zwangskammer“ ist die Rede, denn sobald die Kammer implementiert ist, müssen alle Pflegekräfte in NRW dort verpflichtend Mitglied sein und auch Mitgliedsgebühren zahlen. Sonja Wolf geht von knapp fünf Euro im Monat aus, vielleicht in der ersten Zeit sogar gar nichts, es gibt auch eine Anschubfinanzierung vom Land. Was in ein paar Jahren ist, wisse man allerdings nicht.

Auch gibt es Sorge, dass so eine Kammer, die vom Gesetzgeber eingesetzt ist, gar nicht so viel politische Kraft entfalten kann – anders als Gewerkschaften beispielsweise. Sonja Wolf hält dagegen: Die Kammer solle und dürfe gar nicht die gleichen Aufgaben übernehmen wie beispielsweise Tarifverhandlungen führen. Darüber hinaus führt sie an, dass gerade einmal knapp zehn Prozent aller Pflegekräfte in Gewerkschaften organisiert seien. Würden alle 220.000 Pflegenden in NRW sich in einem Pool versammeln – auch, wenn es nicht freiwillig ist – hätte man ein ganz anderes Potenzial.

Sie weist auf einen weiteren Vorteile hin: Eine Pflegekammer hätte direkter Ansprechpartner beim Thema Corona-Impfung sein können und könnte auch in Sondersituationen wie der Juli-Flut schneller helfen und organisieren.

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Am 31. Mai können sich alle Pflegekräfte – egal ob Krankenpfleger oder in Seniorenzentren – am Remigius-Krankenhaus und am Klinikum über die neue Pflegekammer informieren.

Infos für Pflegende vor Ort in Leverkusen

Sonja Wolf wird am Dienstag, 31. Mai, über die Pflegekammer informieren: Alle Pflegekräfte, ob aus Krankenhäusern und Seniorenheimen, können sich von 10 bis 12.30 Uhr am Klinikum informieren. Von 13.30 Uhr bis 16 Uhr wird der Errichtungsausschuss, der die Wahlen zur Kammer vorbereitet, auch am Remigius-Krankenhaus präsent sein und Fragen beantworten.

Wer die Kammer Ende Oktober mitwählen möchte, muss sich bis zum 22. August unter www.pflegekammer-nrw.de registriert haben. 80.000 hätten sich bereits für die Wahl registriert, sagt Sonja Wolf. Arbeitgeber mussten Daten zu ihren Beschäftigten bereits übermitteln, alle Wahlberechtigten wurden per Post angeschrieben.

Eine Pflegekammer gibt es in Rheinland-Pfalz, in Bayern gibt es beispielsweise eine Vereinigung der Pflegenden, in der die Mitgliedschaft freiwillig ist, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden beide Kammern noch in der Implementierungsphase nach einer Abstimmung wieder aufgegeben.