Nach zwei Jahren im Wartestand ist Marijo Klasic im Forum zum Leverkusener Karnevalsprinzen gekürt worden. Das Zepter des Elektromeisters ist ein Phasenprüfer.
PrinzenproklamationMarijo I. von Leverkusen steckt endlich in Strumpfhosen
War das die längste Proklamations-Zeremonie ever? Thomas Lingenauber, der Präsident des Festausschusses Leverkusener Karneval (FLK) glaubt: Ja. Eine gute Stunde dauerte am Samstag die Kür von Prinz Marijo I., zentraler Akt der Krönungsfeier im Forum. Die längste Wartezeit hat der neue Regent auf jeden Fall hinter sich: Zwei Jahre lang musste er mit den Füßen scharren, weil das Coronavirus die Jecken lahmgelegt hat. Seinen Orden hat er nachhaltig recycelt und drei Sessions-Porträts nebeneinander darauf verewigt.
Nun ist er endlich in Amt und Würden, also in blau-weißem Ornat und weißen Strumpfhosen statt im Anzug, Marijo Klasic. Die organisierten Jecken standen bei seinem Einzug Spalier und winkten mit rot-weißen Fähnchen. Die Standartenträger aller Gesellschaften, zwei Tanzcorps und der trommelnde und pfeifende Spielmannszug Bayer Leverkusen bahnten ihm den Weg durch den voll besetzten Terrassensaal, wo er endlich mit Strüßcher, Bützchen und Kamelle um sich werfen konnte.
Um 20.45 Uhr überreichte Oberbürgermeister Uwe Richrath dem Narrenfürsten („Er hat das Herz an der richtigen Stelle.“) Amtskette, Hut-Federn und Zepter. Zepter? Die Insignie der Macht ist in dieser Session ein überdimensionales Werkzeug. „Das ist ein Phasenprüfer, oder?“, stellte Richrath fest. „Stimmt“, bestätigte Elektromeister Klasic – und revanchierte sich beim Verwaltungschef mit einer anderen Trophäe: Er bedankte sich beim Verwaltungschef mit einem „Daumen-hoch-Pokal“ für dessen Einsatz in Leverkusen.
Alles zum Thema Bläck Fööss
- Karneval in Hitdorf Dreigestirn begeistert bei festlicher Proklamation in der Stadthalle
- Termine, Tickets, Zeiten Kölsche Weihnachtsshows und Weihnachtskonzerte 2024 – Alle Infos
- Leserbriefe zur Indianer-Debatte im Karneval „Wat ne Quatsch!“
- Kostüme, Kölsch, Alaaf Die schönsten Bilder zum Sessionsauftakt am 11.11. in Köln
- Kölner Karneval Indianer-Debatte lenkt vom eigentlichen Rassismus-Problem ab
- Kontroverse Debatte Das sagen Kölner Bands über Indianer-Songs im Karneval – Eine Band will Lied spielen
- Karneval Bei der Mechernicher Kneipensitzung geht es etwas ruhiger zu
Berührende familiäre Einblicke gewährte der 50-jährige Prinz in seiner Ansprache, in der er die ihm viel gestellte Frage beantwortete, warum er ein Mario mit j ist. Seine Eltern stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, sind in Wiesdorf heimisch geworden, haben das rheinische Brauchtum gelebt und an die Kinder weitergegeben. „Unser Wohnzimmer an der Hauptstraße war beim Karnevalszug stadtbekannt“, erzählte Klasic dem gespannt lauschenden Publikum. Bei der Party am Zugweg sei es immer voller Ärzte und Pflegekräfte gewesen, weil seine Eltern im Krankenhaus gearbeitet haben.
Bergische Muzen und Slivovitz vom Balkan verbrüderten sich im Frohsinn und wenn der Prinzenwagen am Fenster vorbeikam, hat schon der kleine Marijo davon geträumt, auch einmal da oben stehen zu können, „obwohl ich damals noch gar nicht wusste, was ein Prinz ist,“ erzählte er. Dass die Roten Funken ihm diesen Traum erfüllt haben, erfülle ihn mit großem Dank. Dann stimmte er zur Rührung des Saals mit seiner Equipe „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Fööss an, das kölsche Integrations-Manifest schlechthin. Der Aufruf zur Menschenfreundlichkeit passt ebenso perfekt zum Sessionsmotto „Zesamme jonn – Zesamme stonn“.
Thomas Lingenauber, der 2020 als Nachfolger von Uwe Krause zum Präsidenten des Dachverbandes der Leverkusener Vereine gewählt worden ist, machte beim Dank an Klasics Ehefrau Elke, die nicht auf der Bühne stand, sondern im Saal saß, eine Bemerkung, die aufhorchen ließ: „Lasst die Frauen machen – warum nicht eine Prinzessin?“ Jubelnder Applaus. Ob der Geist der Gleichberechtigung damit beim FLK aus der Flasche ist, wo seit mehr als 100 Jahren immer nur ein Mann Karnevalsprinz sein darf?
Die „Funky Marys“ würden sich darüber bestimmt freuen. Die Kölner Girl-Group machte den Eisbrecher und fetzte derart über die Bühne, dass die ersten Jecken schon früh schunkelten und zwischen den Tischen tanzten. Auf denen standen von Beginn an Pittermännchen und Sektkühler voller Wein und Flaschenbier. Noch energischer ging zu später Stunde Stimmungskanone Marita Köllner ans Werk: „Et fussich Julche“ ließ sich nicht lange bitten, als Literat Jörg Haacke sie hereinholte. Sie sprang direkt auf den Tisch, um mit den kölsche Mädcher nach Mallorca durchzustarten.
Zwei Frauen sind es auch, die neu in den Kreis der Ehrensenatoren und Senatorinnen aufgenommen wurden: Saskia Lagemann aus dem Leverkusener Sparkassen-Vorstand und Susanne Fabry aus dem Vorstand der Kölner Rhein-Energie.
Martin Schopps und „Dä Tuppes vum Land“ (Jörg Runge) stiegen in die imaginäre Bütt. Die Tanzgarden der Altstadtfunken und von Grün-Weiß Schlebusch ließen keinen Quadratmeter Bühne frei. „Fiasko“ und „Klüngelköpp“ spielten bis zum Abwinken nach Mitternacht. „Mir sin widder do“, das große Transparent, das die Mariechen der Opladener Altstadtfunken entfalteten, spricht allen Karnevalsfreunden, die trotz weltweiter Sorgen gerne wieder feiern möchten, aus der Seele. Das Bühnenbild im Forum zeigte dazu eine Stadtsilhouette mit Jecken-Galerie und einem Bayer-Kreuz, in dem ALAAF leuchtet.