Leverkusen-Opladen – Vom süßen Duft nach gebrannten Mandeln, Popcorn und Zuckerwatte wird man an diesen Ort verführt. Warme Lichter, bunte Wagons und fröhliche Musik erfüllen den Opladener Marktplatz. Ein Stück weit fühlt man sich hier wie in einer anderen Welt. Einer Welt voller Trubel, Leichtigkeit, Freude und Freundschaft. Als könne man für einen Augenblick die Sorgen von da draußen vergessen und sich hier her zurückziehen. Verstecken, ablenken und vor allem die kostbare Zeit genießen.
Im Vergleich zu früher hat sich abgesehen des Anlasses einer Kirmes im Grunde nicht viel verändert. Damals kam das ganze Dorf zusammen, um die Einweihung der Dorfkirche ausgelassen zu feiern, gemeinsam zu tanzen und zu essen. Auch hier in Opladen kommen, vom 29. Juli bis 1. August, die unterschiedlichsten Menschen, Familien, Altersklassen, Ethnien und Nationen zusammen, um sich zu vergnügen. Dafür sind genügend herausfordernde und amüsierende Angebote gegeben.
Hineingeboren in den Jahrmarkttrubel
Am Beach-Ball-Stand schießt man mit einer Steinschleuder und acht Bällen auf kreisrunde Ziele auf der gegenüberliegenden Wand. Das ist gar nicht so leicht, wie es aussieht. „Ein bisschen mehr Schmackes“, rät mir der 20-jährige Justin, der mit Mikrofon hinter der Theke seines Standes steht. Alle gehen knapp daneben. „Einen weiteren Ball gibt’s für dich aufs Haus“, Justin glaubt an mich. Doch auch der Schuss geht daneben.
Dafür gibt es einen Trostpreis. Ein buntes Waschbärkuscheltier, nicht unbedingt das schönste, doch das Mädchen neben mir freut sich darüber. Justin hat sich mit seinem Wagen selbstständig gemacht. „Ich bin damit groß geworden. Meine Familie war schon immer auf der Kirmes engagiert.“ Man merkt, dass er hier genau am richtigen Ort ist. „Die Ansagen und Kommentare überlege ich mir nicht vorher, die kommen einfach so raus“, sagt Justin achselzuckend. Womöglich liegt es ihm im Blut.
Ein befreiendes Gefühl
Objektiv betrachtet ein seltsames Konzept, so eine Kirmes. Kinder und Jugendliche bezahlen freiwillig Geld, um sich von den verschiedensten Fahrgeschäften und Karussells durchschütteln zu lassen, bis einem schlecht ist oder das Geld ausgeht. Doch nicht ohne Grund stehen die Jugendlichen und ab und zu Erwachsenen, die natürlich nur zur Begleitung ihrer Kinder dabei sind, vor Attraktionen wie dem Super Allrounder, Love Express oder Hip Hop Dancer Schlange.
„Hopp hopp, rein mit euch!“, erklingt es über die Lautsprecher vor dem fliegenden Karussell Super Allrounder. An der Kasse in einem kleinen Häuschen trifft man die 38-jährige Andrea Weisbrod, die sich hinter der Kommentator-Stimme verbirgt. Auch sie ist durch ihre Familie zu dieser Arbeit gekommen. „Ich bin angeheiratet. Mein Mann wurde in die Branche hineingeboren“, sagt Andrea und lächelt. „Es ist immer wieder wunderschön zu sehen, mit was für einem Strahlen in den Augen die Leute nach einer Fahrt das Fahrgeschäft verlassen. Mich freut es so sehr, wenn auch behinderte Menschen herkommen und dieses Gefühl erleben können.“
Andrea scheint von der Wirkung des Super Allrounders überzeugt zu sein. Das möchte ich austesten. Also hinein in den Sitz und ab in die Höhe. Der Wind in den Haaren ist erfrischend und tut tatsächlich gut. Hinauf und hinab gleite ich und schwinge durch die Luft. Ein befreiendes Gefühl. Ein glücklicher Moment. Das Konzept ist so einfach und die Wirkung so groß.
Herausforderung für schwache Mägen
Vom fliegenden Karussell geht es also in den Love Express. Was nach einer ruhigen, angenehmen Fahrt klingt, ist in Wahrheit jedoch eine Herausforderung für schwache Mägen. Der im Kreis fahrende Zug ohne Anfang und Ende, umringt von bunten Lichtern, blinkenden Herzen und fröhlicher Musik, hat Geschwindigkeit drauf. Das letzte Mal auf einer Kirmes ist für mich Jahre her. Mein Magen ist weder auf so ein Umherschleudern trainiert, noch sehe ich hier einen Stopp-Knopf. Doch das Kreischen der Leute ist ansteckend und ruft nach Abenteuer.
Schließlich sitze ich in einem der Waggons. Die Fahrt beginnt. Vor und hinter mit sitzen Pärchen und halten Händchen. Je schneller wir uns drehen, desto mehr wird man nach außen gegen seinen Partner, oder in meinem Falle gegen die Metalltür gedrückt. Ich schließe die Augen und ein lustiges, taumeliges Gefühl breitet sich in mir aus. Das Gespür für Raum und Zeit verblasst. Man verliert die Orientierung und es scheint, als würden wir gleich abheben. Doch dann ist die Fahrt leider vorbei. Das hat sich gelohnt, auch wenn mein Magen jetzt erst mal eine kurze Pause braucht.
Nun zum Hip Hop Dancer. Langsam merke ich, wie schnell man zum Adrenalin-Junkie werden kann. Ich sitze nun zwischen zwei Mädchen auf einer sich in der Höhe kreisenden Bank. „Du musst mit dem Schwung gehen“, ruft Lena, die links von mir sitzt und ihre Hände von den Sicherheit gebenden Griffen gelöst hat, um sie nun in die Luft zu reißen. Also gut, sie muss es wissen. Sie ist ja schließlich ein Kind. Auch wenn es nur drei Meter sind, die wir über dem Boden schwingen, kostet es ein gutes Stück Überwindung loszulassen.
Doch dann spüre ich den Moment an der höchsten Stelle, an dem man durch den Schwung für den Bruchteil einer Sekunde hochfliegt und man keinen Kontakt zum Sitz hat. Und tatsächlich: es ist ein befreiendes Gefühl. Verursacht durch ein einfaches Fahrgeschäft, das einen umherschleudert. So seltsam es klingen mag, für einen Augenblick kann man hier nicht nur den sicheren Griff, sondern auch andere Sorgen loslassen.